Check24 zieht beim zertifizierten Girokontovergleich den Stecker
Nach nur fünf Monaten schaltet Check24 auf seinem Portal den nach gesetzlichen Vorgaben zertifizierten Girokontenvergleich ab. Der Vergleichsportalbetreiber nannte „rechtliche Unsicherheiten“ als Grund für den drastischen Schritt. Nach der jüngsten Klage von Verbraucherschützern vor dem Landgericht München auf Unterlassung drohte ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder sogar sechs Monate Haft.
[2]014 erließ das EU-Parlament die Zahlungskonten-Richtlinie, die unter anderem zum Ziel hatte, über unabhängige Vergleichswebseiten mehr Transparenz bei Konditionen für Verbraucher-Girokonten zu schaffen. Zwei Jahre dauerte es, bis die Richtlinie in Deutschland mit dem Zahlungskontengesetz (ZKG) umgesetzt wurde, nochmals vier Jahre, bis der Girokontenvergleich online ging. Nach fünf Monaten ist er nun wieder offline – damit erfüllt Deutschland die mittlerweile fast sieben Jahre alte Richtlinie derzeit nicht.
Marktliberaler Ansatz
Die Umsetzung der Richtlinie war von Anfang an umstritten. Es wäre durchaus zulässig, dass eine staatliche Stelle den Vergleich der Girokonto-Konditionen organisiert. Doch das Finanzministerium entschied sich für eine privatwirtschaftliche Lösung. Dazu war es zunächst nötig, dass der TÜV Saarland als Zertifizierungsstelle von der Deutschen Akkreditierungsstelle anerkannt wurde.
Entgegen den Erwartungen des Finanzministeriums war das Interesse am Betrieb einer entsprechenden Vergleichswebsite allerdings gering. Lediglich Portalbetreiber Check24 meldete Interesse an und stieg schließlich in das Verfahren ein. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen einen siebenstelligen Betrag in das Projekt investiert. Eines der Hauptprobleme: Es gibt keine standardisierte Schnittstelle, um automatisiert die benötigten Angaben zu beziehen. Dementsprechend müssen die Informationen manuell erhoben und eingepflegt werden.
Unklare Gesetzeslage
In diesem Aufwand dürfte das größte Problem der Vergleichswebsite liegen. Denn eine aktuelle, vollständige Marktabdeckung bedeutet einen immensen Aufwand. Der Gesetzgeber verlangt allerdings nur eine „wesentliche Marktabdeckung“. Wie die zu definieren ist, zählt mit zum Kern des Streits zwischen Check24 und den Verbraucherschützern.
Der Vergleichsportalbetreiber nimmt für sich in Anspruch, die Zertifizierung in enger Abstimmung zwischen Bundesfinanzministerium und der Zertifizierungsstelle TÜV Saarland erhalten zu haben. In diesem Verfahren wurde die Bilanzsumme der Institute als Kriterium herangezogen, so dass der TÜV zu einer Marktabdeckung von mehr als 80 Prozent kam. Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) und Verbraucherzentrale NRW kritisieren dieses Verfahren, denn geht man allein nach der Zahl der berücksichtigten Banken, wurde zunächst nicht einmal ein Drittel des Marktes abgedeckt, da vor allem große Banken enthalten waren, aber viele kleine Anbieter außen vor blieben. Zuletzt sollen 661 von 1.717 Banken vertreten gewesen sein, also 38,5 Prozent.
Selbst bei den vertretenen Banken sei in über 90 Prozent der Fälle nur ein einziges Gebührenmodell berücksichtigt worden, obwohl es weitere Varianten gab, kritisierten die Verbraucherschützer. Viele alternative Modelle, die besondere Anforderungen berücksichtigten, blieben den Portalnutzern verborgen. Darüber hinaus seien die dargestellten Konditionen nicht aktuell. Im Extremfall waren die Preisinformationen seit fast einem Quartal veraltet, so ein weiterer Kritikpunkt in der vzbv-Analyse (PDF). Damit werde der zertifizierte Girokontenvergleich dem gesetzlichen Auftrag, Transparenz über einen wesentlichen Teil des Marktes zu schaffen, nicht gerecht.
„Das Angebot von Check24 war nicht geeignet, für Verbraucherinnen und Verbraucher einen Überblick über geeignete Kontoangebote am Markt zu finden. Die Webseite ist zwar vom TÜV Saarland zertifiziert, aber dennoch mangelhaft und unzureichend. Sie erfüllte schlicht nicht die europarechtlichen Anforderungen.“
Klaus Müller, Vorstand des vzbv
Immer neue Kritikpunkte
Zu den Vorgaben des gesetzlich zertifizierten Girokontenvergleichs gehört der Ausschluss von Gebühren oder Provisionen. Nachdem Check24 im August 2020 die entsprechende Website online gestellt hatte, folgte prompt die erste Klage der Verbraucherschützer. Sie kritisierten, dass der „neutrale“ Kontenvergleich zu sehr versteckt sei. Der Hinweis darauf sei so gestaltet, dass der Verbraucher glauben konnte, er sei auf bereits am Ziel, während er tatsächlich einen Service nutzte, der Check24 Provisionen eintrug. Daraufhin musste Check24 seine Darstellung umgestalten.
Nachdem der Portalbetreiber im Oktober selbst ins Bankgeschäft einstieg und eigene Girokonten unter der Marke C24 ins Programm nahm, gab es neue Proteste. Neben den Verbraucherschützern griff auch der Verband der Sparda-Banken und des Genossenschaftsverbands Bayern das Thema auf. In einem Schreiben an das für Bankenaufsicht zuständige Bundesfinanzministerium sowie an das Bundesjustizministerium forderten Florian Rentsch (Sparda) und Jürgen Gros (GVB), diese Verzerrung des Wettbewerbs abzustellen und eine Unvereinbarkeitsklausel in die gesetzliche Grundlage aufzunehmen, um Interessenkonflikte von vornherein auszuschließen.
Bei der quartalsweise anstehenden Überprüfung des Girokontenvergleichs durch den TÜV Saarland wurden jedoch keine Bedenken laut, das Check24-eigene Angebot werde in keiner Weise bevorzugt, so das Fazit. Dementsprechend sah man auch in Berlin keinen Anlass einzugreifen.
Wie geht es weiter?
Der Portalbetreiber sieht sich der aktuellen Situation nach eigenen Worten „fassungslos“ gegenüber und sieht sich durch eine ungerechtfertigte Klage bedroht, obwohl man exakt die vorgegebenen gesetzlichen Kriterien umgesetzt habe.
„Unser Ziel war es, den Gesetzgeber dabei zu unterstützen Verbraucher zu stärken. Dazu haben wir einen siebenstelligen Betrag in einen Vergleich investiert, mit dem wir kein Geld verdienen. Wir haben in gemeinsamen Gesprächen mit Politik und Verbraucherschutz die Weiterentwicklung des Vergleichs für Verbraucher diskutiert. Jetzt dafür verklagt zu werden, dass wir gesetzliche Kriterien umsetzen, ist unfassbar.“
Christoph Röttele, CEO und Geschäftsführer von Check24
Als Unternehmen brauche man für konsequente Investitionen in den Standort Deutschland einen rechtssicheren Rahmen. Diesen sehe man derzeit als gefährdet an.
Die Verbraucherschützer jedoch fordern von der Politik einen Paradigmenwechsel. Das Finanzministerium solle für den zertifizierten Girokontenvergleich einen völlig unabhängigen Betreiberansatz wählen und beispielsweise die Bafin oder Stiftung Warentest mit dem Betrieb eines solche Vergleichsportals beauftragen. Stiftung Warentest zeigte sich nach Medienangaben aufgeschlossen, müsse aber die Möglichkeit genauer prüfen.
Unterstützung erhält die Forderung vom Bundesverband Deutscher Banken (bdb). Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid merkte an, eine solche Vergleichswebseite müsse über jeden Zweifel erhaben sein und dürfe nicht dem Verdacht ausgesetzt werden, Eigeninteressen zu dienen. hj
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