Coronavirus-Krise: Bundesregierung genehmigt erstmals Hauptversammlungen als Videokonferenz
UPDATE: Bundesregierung macht doch noch den Weg für die Hauptversammlung via Internet frei – das sind die Details. – Auf Banken kommen im Zusammenhang mit dem Aktionärs-Management rund um die Jahreshauptversammlung jedes Frühjahr umfangreiche Aufgaben zu. Jetzt könnte das Coronavirus dafür sorgen, dass noch komplizierter wird. Bekommen wir es in diesem Jahr mit Hauptversammlungen per Internet-Stream zu tun? Und was kommt sonst auf die Banken an Mehrarbeit zu?
Die Aktionärsversammlungen sind für viele Anleger ein wichtiges Datum im Kalender – teils weil’s Saitenwürstchen gibt (oder eben auch nicht gibt), teils um den Unternehmen im Zusammenhang mit den Aktionärsvertretungen die Leviten zu lesen. Doch was wird jetzt im Jahr der Corona-Krise zu erwarten sein? Werden wir all das – so wie viele andere Events auch – als Videokonferenz via Webex oder GoToMeeting erleben? Werden die Jahreshauptversammlungen verschoben oder fallen in der gewohnten Form gar ganz aus?Letzteres sicher nicht – denn börsennotierte Unternehmen sind verpflichtet, die Versammlungen innerhalb von acht Monaten nach Beginn des Geschäftsjahres (so stehts im Gesetz – gemeint ist eher: nach Ablauf des vorigen Geschäftsjahrs) abzuhalten. Viele der betroffenen DAX-Konzerne haben daher noch etwas Spielraum, während allerdings einige der Unternehmen, deren Geschäftsjahr beispielsweise zum Oktober begonnen hat, sich sputen müssen: Die Carl Zeiss Meditec etwa, die diese Woche ihre Jahreshauptversammlung abhalten wollte, hat nun kurzfristig einen Rückzieher gemacht und muss diese bis Ende Mai nachholen.
Hauptversammlungen im Internet – überraschende Genehmigung durch Bundesregierung
Die Regelungen hierzu, wie internet- und IT-gestützt eine Jahreshauptversammlung abgehalten werden darf, sind streng: Reine IT- und streaming-basierte Aktionärsversammlungen waren bisher nicht erlaubt, auch wenn es in der Literatur bereits 2002 hieß, man werde wohl spätestens in fünf Jahren Hauptversammlungen im Internet anbieten können. Jetzt aber hat die Bundesregierung überraschend doch noch ein Einsehen. Hauptversammlungen können in diesem Jahr laut einer Reuters-Meldung erstmals rein im Internet abgehalten werden, erklärt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht.
Dabei sei, so heißt es, auch ohne Satzungsermächtigung eine Online-Teilnahme an der Hauptversammlung möglich. Erstmals werde auch die Möglichkeit einer präsenzlosen Hauptversammlung geschaffen. Unterm Strich ist das eine gute Möglichkeit, die ansonsten reihenweise abzusagenden Hauptversammlungen doch noch stattfinden zu lassen.
Virtuelle Hauptversammlung – viel positives Echo
Wie Christoph Seibt von der Anwaltskanzlei Freshfields gegenüber Reuters erklärt, handelt es sich um einen guten Kompromiss zwischen den Interessen der Unternehmen und der Aktionäre. Immerhin ist die neue Lösung eine pragmatische, die Unternehmen nicht dazu zwingt, wochenlang in Schockstarre zu verfallen. Die Aktionärsvereinigung DSW befürchtet indes, dass Aktionärsrechte dauerhaft beschnitten werden. Man müsse daher dafür sorgen, dass die Änderungen auf die Corona-Krise beschränkt blieben – eine Debatte über dauerhafte Regeländerungen dürfe erst nach der Corona-Krise geführt werden.
Für findige IT-Dienstleister ist das neue Gesetz ein total spannendes wie zeitgemäßes Geschäftsfeld. Bisher war es nämlich auch bei Unternehmen, die theoretisch eine Mitwirkung via Internet vorsahen, nicht zwingend üblich, dieses Recht auf virtuelle Abstimmungen auch wahrzunehmen. Immerhin können oftmals über Online-Voting-Tools wie Polyas fälschungssicher Stimmen bis kurz vor Beginn der HV für die schriftlich vorliegenden Vorschläge abgegeben werden. Ansonsten blieb Aktionären, die ihre Stimme nicht verschenken wollen, nur die Übertragung an eine der Aktionärsorganisationen.
Banken müssen flexibel sein, nicht alle werden ins Netz ausweichen
Angesichts der aktuellen Untersagungsverfügungen für nahezu alle öffentlichen Veranstaltungen mit mehr als einer Handvoll Personen wären die Unternehmen ansonsten darauf angewiesen gewesen, die HVs weiter ins Jahr zu verschieben. Auf die Banken, die dann gegebenenfalls über entsprechende Dienstleister Aktionäre einladen und Stimmkarten verschicken müssen, kommt hier aber so oder so reichlich Arbeit zu. Immerhin wird aber die Verabschiedung und Ausschüttung von Dividenden nicht verzögert.
Doch rein rechtlich dürfte auf Unternehmen, die es nicht schaffen, eine Hauptversammlung entweder virtuell oder real im Rahmen der vorgegebenen Fristen abzuhalten, nicht allzu viel zukommen. Denn selbst Beschlüsse, die im Rahmen einer verspäteten HV zustandekommen, dürften nicht anfechtbar sein. Selbst eine verspätete Dividendenzahlung, die dann wie gewohnt durch die betreuende Bank erfolgen wird, dürfte nicht zu einer darüber hinausgehenden Haftungsproblematik führen.
Insbesondere das Ansetzen und Verschieben von Jahreshauptversammlungen ist ein Novum: „Uns sind bisher keine Fälle bekannt, in denen Hauptversammlungen verschoben wurden“, erklärt etwa Jürgen Kurz von der Aktionärsvertretung Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gegenüber dem Handelsblatt. Selbst dann, wenn wieder Versammlungen mit einer bestimmten Teilnehmerzahl zugelassen werden, müssen Unternehmen genau abschätzen, ob das für den zu erwartenden Ansturm ausreicht. Bei der Telekom waren dies in den letzten Jahren immer rund 2.500 Besucher, bei Daimler schnell mal das Doppelte. Immerhin dürften in diesem Jahr einige Kleinaktionäre weniger reisefreudig sein als sonst.
Virtuelle Hauptversammlung – das wird nicht einfach
Doch zurück zu den Dienstleistern, die eine solche rein virtuelle Hauptversammlung anbieten wollen. Sie müssen zum einen ein performantes System bereitstellen, wobei der Zugriff dann auch deutlich höher sein könnte als die paar tausend Aktionäre, die normalerweise zu einer Aktionärsversammlung hinfahren.
Zum anderen müssen sie in kürzester Zeit ein technisch nicht angrefibares System hochziehen, um Unternehmen und Aktionären zu ermöglichen, die ansonsten vor Ort ausgetragenen Verhandlungen sinnvoll abzubilden. Welche Unternehmen so etwas können, wird man sehen müssen – wir werden an dem Thema dranbleiben und unseren Lesern gegebenenfalls passende Lösungen vorstellen.
Es bedarf schneller Lösungen für eine technisch praktikable und stabile virtuelle Hauptversammlung. Diese müssen mit den professionellen Hauptversammmlungsdienstleistern in Abstimmung mit den Unternehmen jetzt sehr zügig entwickelt werden. Nur dann werden die Aktionäre die digitale Alternative zu dem gewohnten Format und die dort gefassten Beschlüsse breitflächig akzeptieren.“
Tim Johannsen-Roth von der Anwaltskanzlei Linklaters
Als Schwierigkeit könnte sich in diesem Zusammenhang auch die große Anzahl an Fragen an die Geschäftsführung erweisen. Hier bestehen theoretisch Anfechtungsrisiken, wenn diese nicht ausreichend gehört werden. So sollen die relevanten Fragen nicht mehr auf der Hauptversammlung selbst gestellt, sondern vorab eingereicht werden. tw
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