STRATEGIE26. April 2017

Das Bundeskartellamt, paydirekt und der Geldbote: ‘Es gibt keine Untersagung’ – Andreas Mundt im Interview

Andreas Mundt, Präsident des BundeskartellamtsBundeskartellamt

Paydirekt will im Sommer P2P-Payment starten (sagt die Gerüchteküche) – das Bundes­kartellamt hat nichts dagegen, obwohl es vorher angeblich dem Geldboten (dem geplanten P2P-Payment von Sparkassen und VR-Banken) nicht zustimmte. Ein Widerspruch, den Andreas Mundt (Präsident des Bundeskartellamts) im Interview auflöst … und dabei noch andere Überraschungen auf Lager hat.

Herr Mundt, paydirekt kommuniziert den großen Erfolg seit seiner Markteinführung und das man bereits deutlich über 500 relevante Händler im Portfolio habe – und durchaus sehr relevant sei, zumal nahezu alle Banken mit an Bord seien. Durch welche Tatsachen begründen Sie die Formulierung “paydirekt hat bislang noch keine starke Marktposition erreichen können”?

Niemand will den Erfolg von paydirekt kleinreden. Aber natürlich muss man auch das wettbewerbliche Umfeld als Vergleichsmaßstab heranziehen.”

Wenn Sie sich aber beispielsweise die Nutzerzahlen der verschiedenen Internet-Bezahlverfahren ansehen, ist schnell zu erkennen, dass für paydirekt noch Entwicklungsmöglichkeiten bestehen, etwa im Hinblick auf den Marktführer Paypal.

Paydirekt ist das Gemeinschaftsunternehmen fast aller deutschen Kreditinstitute und will in Kürze P2P-Payment anbieten. Warum erlaubt das Bundeskartellamt diesen maximalen Ansatz, während es vor wenigen Wochen den “Geldboten”, der nur von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken getragen werden sollte, untersagt hat?

In der Tat sind an paydirekt sehr wichtige Unternehmen der privaten Banken, der Volks- und Raiffeisenbanken sowie aus dem Sparkassensektor beteiligt. Diese Institute stehen eigentlich im Wettbewerb zueinander, haben dieses Bezahlverfahren aber gemeinsam entwickelt. Daher haben wir uns das Vorhaben genau angesehen. Letztlich haben wir aber keine Einwände erhoben, da diese Kooperation die Wett­be­werbs­ver­hältnisse auf dem Markt für Internet-Bezahlverfahren insgesamt verbessern dürfte. paydirekt kann sein Internet-Bezahlverfahren nun um eine mobile Funktion ergänzen, die der Marktführer Paypal und viele weitere Wettbewerber schon seit geraumer Zeit anbieten.

Was den „Geldboten“ anbelangt: Es gibt keine Untersagung.”

Wir haben zu diesem gemeinsamen Projekt der Sparkassen und Genossenschaftsbanken Nachfragen gestellt. Bei einer institutsübergreifenden Zu­sam­men­ar­beit stellen sich einfach mehr wett­be­werbs­recht­liche Fragen als bei den beiden einzelnen Lösungen „Kwitt“ von der Sparkassengruppe und „Geld senden und empfangen“ der Volks- und Raiffeisenbanken, bei denen wir keine Einwände hatten.

Andreas Mundt, BundeskartellamtBundeskartellamt

Da das Vorhaben „Geldbote“ dann aber erstmal nicht weiter­verfolgt wurde, haben wir keine abschließende Entscheidung getroffen.”

Werden also die jungen FinTechs wie Lendstar, Cringle oder Tabbt nun durch paydirekt weniger bedroht als durch den “Geldboten”? Schätzen Sie die Bedeutung paydirekt (auf Basis nahezu aller deutschen Kreditinstitute inklusive Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken) geringer ein als die Marktposition von Sparkassen plus Volks- und Raiffeisenbanken alleine?

Wir schauen uns die verschiedenen Kooperationen genau aus diesem Grund so genau an: Wir wollen Märkte offenhalten und FinTechs eine Chance geben.”

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts
Bundeskartellamt

Andreas Mundt ist seit Dezember 2009 Präsident des Bundeskartellamts. Er hat in Bonn und Lausan­ne (Schweiz) Rechts­wis­senschaf­ten studiert. Im An­schluss an das zweite juristi­sche Staats­exa­men trat er 1991 in das Bundesmi­nisterium für Wirt­schaft ein. Dort arbeite­te er beim „Lei­tungs­stab Neue Bundes­länder“, bevor er sich 1993 als Referent für Arbeits- und Sozi­alrecht zur FDP-Bun­destagsfrakti­on ab­ordnen ließ.

Seit sei­nem Eintritt in das Bundeskar­tell­amt im Jahr 2000 hatte er dort ver­schiede­ne Funktionen inne. So wirkte er als Beisitzer in der 8. Beschluss­ab­teilung (Kredit­in­sti­tu­te und Lot­te­rie­wesen) und in der 4. Beschluss­ab­teilung (kar­ten­ge­stützte Zahlungs­systeme), als Lei­ter des Refe­ra­tes „In­ternatio­nale Wettbewerbsfra­gen“ und von 2005 bis 2009 war er Lei­ter der Ab­teilung „Grund­satzfra­gen des Kar­tellrechts“.

Seit 2013 hat Andre­as Mundt den Vorsitz der Lei­tungs­gruppe des In­ternatio­nal Competiti­on Network (ICN) inne.

Dabei geht es allerdings nicht um den Schutz bestimmter Wettbewerber, sondern um eine Bewertung der auch langfristigen Auswirkungen einer Kooperation auf die betroffenen Märkte insgesamt.

In Bezug auf paydirekt sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Kooperation eine Verbesserung der Wett­be­werbs­ver­hältnisse auf dem Markt für Internet-Bezahlverfahren bringt.”

Dagegen haben wir eine abschließende Bewertung der Kooperation „Geldbote“ gerade noch nicht vorgenommen.

Sieht das Kartellamt ‘P2P-Payment’ als eigenständigen Markt an? Oder sehen Sie die Leistung als eine Funktion (von vielen), die ein Payment-Dienst heutzutage bieten muss?

Wir haben die Frage offengelassen, ob es einen eigenständigen Markt für derartige P2P-Transaktionen gibt oder ob es sich bei dieser Zahlungsfunktion einfach nur um eine Teilfunktion des Online-Bankings handelt. Sie war nicht entscheidungsrelevant.

Das Bundeskartellamt hat per Pressemeldung die Öffentlichkeit über seine Entscheidung informiert und dabei ebenfalls veröffentlicht, dass paydirekt ein P2P-Payment plane. Wann müssen Anbieter damit rechnen, dass das Bundeskartellamt vertrauliche Produktinformationen veröffentlicht?

Das war mit paydirekt so abgesprochen.”

Außerdem: Wenn Sie als Unternehmen von uns eine kartellrechtliche Einschätzung zu einem Projekt haben wollen, für die wir Ermittlungen am Markt durchführen müssen, dann kann es sich nicht mehr um ein Geschäftsgeheimnis handeln.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts.Bundeskartellamt

Wir hatten paydirekt zudem vorab darüber informiert, dass wir eine Pressemitteilung veröffentlichen. Hiergegen gab es keine Bedenken.”

Es gehört zu unseren Aufgaben, die Öffentlichkeit über wichtige Entscheidungen zu informieren. Dies gilt insbesondere für Fälle, die auch für Wettbewerber oder andere Marktteilnehmer von Relevanz sein könnten. Natürlich gibt es auf der anderen Seite auch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die gewahrt werden müssen. Aber das wäre ein ganz anderer Fall.

Herr Mundt, vielen herzlichen Dank für die sehr klärenden Worte.aj

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