Das erste Jahr der FidorOS-API: Was ist daraus geworden, Herr Kröner?
Vor einem Jahr startete die Fidor Bank in Münchner die bankeigene API: FidorOS. Damit wollte das Startup mit Banklizenz die Bank-IT neu erfinden. Die “Open banking API” sollte seit September/ Oktober weltweit jungen FinTech-Startups Zugriff auf das Corebanking geben. Zeit bei Matthias Kröner, CEO der Fidor Bank, einmal nachzuhaken was aus den Plänen geworden ist.
Herr Kröner, das erste Jahr FidorOS. Haben sich Ihre Erwartungen an die Entwicklergemeinde erfüllt?
Unsere Erwartungen wurden in vielerlei Hinsicht sogar übertroffen! Die von uns veranstalteten Developer Days „Pirates of Banking“ haben aus aller Herren Länder und deutlich mehr Entwickler, Partner und Interessenten angelockt, als wir uns vorstellen konnten. Alle Events dieser Art und auch der anschließende Austausch waren von ernsthaften und inspirierenden Gesprächen geprägt. Unser Ansatz wurde in jedweder Hinsicht bestätigt.
Die fachlich weiterführende Diskussion zu Banking APIs und deren Möglichkeiten findet in der dafür eingerichteten eigenen Entwickler-Community statt. Die nächsten Developer Days sind ebenfalls in Planung – dann mit dem Fokus die ersten Use Cases zu präsentieren. Im Übrigen: Wir bekommen ebenfalls sehr positives Feedback unserer Geschäftskunden, die nun begonnen haben ihre Shop- bzw. ERP-Systeme mit Ihrem Geschäftskonto direkt zu verbinden – und damit einen höheren Grad von Individualisierung und Automatisierung genießen als zuvor. Damit bleibt Ihnen mehr Zeit für das eigentliche Kerngeschäft.
Nun, eine zu schnelle Entwicklung kann den Organismus vielfältig überfordern. Insofern bin ich froh, sagen zu können, dass wir zwar aus der Neugeborenen-Station raus sind – als kleines Kind nun aber beginnen, unsere Umwelt zunehmend zu studieren und auch erste Wörter sprechen. Tatsächlich stehen wir dementsprechend in kurzen Hosen und gerne auch mal mit aufgeschlagenem Knie da und lernen täglich, dass alles ein wenig schwieriger ist, als erhofft. Und dennoch machen wir täglich Fortschritte und wachsen weiter. Vor allen Dingen das direkte Kundenfeedback motiviert uns dabei sehr. Man erkennt an, dass wir einen neuen Weg gehen, der zum Nutzen aller eingeschlagen wurde.
Gegen Ende des Jahres hatten Sie mit den ersten Anwendungen auf API-Basis gerechnet. Hat das funktioniert? Gibt es heute schon Anwendungen?
Viele Kunden haben die APIs inzwischen für sich entdeckt. In vielen Fällen geht es um die Automatisierung und Optimierung von Zahlungsprozessen. Denn das spart Zeit und Geld. Zudem haben wir als Bank mit eigenen API-Schnittstellen den großen Vorteil neben Privat- und Geschäftskonten auch Treuhand- und Sonderkonten verfügbar zu machen. Das ist für einige FinTechs die entscheidende Grundlage ihres Geschäfts.
Und gibt es mittlerweile nun erste Anwendungen?
Einige ambitionierte Projekte sind in Arbeit – wir können aber noch nicht darüber sprechen, da die Startups noch im Stealth-Mode sind. Aber ich gehe davon aus, dass wir noch in diesem Jahr die ersten fertigen Applikationen auf FidorOS-Basis sehen werden.
Was ist die spannendste Anwendung von externen Entwicklern auf Basis der Fidor-API?
Ob eine Anwendung nun spannend ist oder nicht, mögen die Kunden unserer API-Partner entscheiden. Wir haben mittlerweile eine interessante Spannbreite von Anwendungen, die auf unsere APIs zugreifen. Seien es Tools, die mir als Mensch einen besseren Überblick über meine Finanzen verschaffen und mich auf Risiken hinweisen; oder Systeme, die lästige Tätigkeiten wie den Abgleich von Zahlungseingängen übernehmen. E-Commerce Unternehmen arbeiten nicht selten mit Margen im einzelligen Prozentbereich, ein höherer Grad an Automatisierung von Bezahlprozessen schlägt sich hier oftmals direkt im Ergebnis positiv nieder. Als Community-Bank freuen wir uns natürlich auch über Dienste, die das Potential aus mobiler Anwendung, Freundes-/Expertennetzwerk und Geldtransfer nutzen.
Vor etwa einem Jahr sprachen Sie davon, das Fidor etwa 60.000 Kunden habe – wie viele sind es heute?
Aktuell haben wir über 85.000 volllegitimierte Kunden und wir marschieren stramm Richtung 90.000. Schaue ich in mein Analytics-Tool, dann sehe ich, dass heute alle 8 Minuten ein Konto eröffnet wurde. Inklusive der Community-User sind es damit über 280.000 User.
Sind Sie mit der Entwicklung nach 5 Jahren Fidor Bank und Fidor TecS zufrieden?
Wir haben einiges erreicht, stehen aber erst am Anfang der Entwicklung. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren unsere Vorreiterrolle im FinTech-Segment mehrfach unter Beweis gestellt, was auch mit zahlreichen Innovationspreisen gewürdigt wurde. Als Bank haben wir uns eine Vielzahl von Optionen zur weiteren Entwicklung erarbeitet. Alleine das unterscheidet uns schon von herkömmlichen Instituten. Als Bank haben wir auch unter Beweis gestellt, dass eine hochgradig technologische Ausrichtung notwendig ist, um in diesem digitalen Umfeld reüssieren zu können.
All das bedeutet natürlich nicht, dass wir uns zurücklehnen und mit dem bisher Erreichten zufrieden geben. Nun ist es an uns dieses Konzept erfolgreich weiter auszurollen und in der Zukunft stärker zu wachsen, als dies in der Vergangenheit möglich war. Hierzu treffen wir gerade die Vorbereitungen.
Das bei einem Startup nicht alles glatt läuft ist normal. Aber Sie hatten sich das mit dem Gang an die Börse und dem Rückzug im Januar sicher nicht so vorgestellt, oder? Was lief da schief?
Ja, vollkommen richtig: Das hatten wir uns sicherlich anders vorgestellt. Als wir das Unternehmen gelistet hatten, war es unsere Absicht, dass wir für unsere Community-Mitglieder die Möglichkeit eröffnen, sich auch kapitalseitig an der Entwicklung der Bank zu beteiligen. Dies trat nicht ein. Vielmehr wurde das Listing von Anfang an als Kanal von dem einen oder anderen Bestandsaktionär genutzt, immer wieder Mal Stücke abzugeben. Im Verlauf des Listings stellte sich dann nach einer gewissen Phase heraus, dass es nahezu überhaupt keinen Handel mehr gab. Auch wenn es sich im ersten Moment paradox anhört, hätte ein Verbleib an der Börse das gegebene Wachstumspotenzial des Unternehmens gehemmt. Der geringe Handel hat den realen Wert des Unternehmens nicht widergespiegelt. Und: das Unternehmen entwickelte sich weiter, der Aktienpreis jedoch nicht wirklich. Darüber hinaus fand das Anwerben des für das Wachstum notwendigen Kapitals ausschließlich außerbörslich statt. Diese Punkte und mehr führten letztlich dazu, dass wir den Schritt des Delistings als notwendig und unvermeidbar betrachten.
Man konnte letztes Jahr bei Ihrem Event bereits sehen, dass München aus allen Nähten platzt. Dann kam der Umzug des Kundenservice nach Berlin. War der zusätzliche Standort Berlin die richtige Entscheidung?
Es war eine goldrichtige Entscheidung den Kundenservice und damit eine Vielzahl von Funktionen und Tätigkeiten nach Berlin zu verlegen! In Berlin gibt es die entsprechenden fachlichen Kompetenzen – besonders bezogen auf die immer stärkere internationale Ausrichtung der Fidor Bank und auch die räumlichen Möglichkeiten der Expansion. All dies sind in München starke Engpassfaktoren, was sich auch in den Preisen widerspiegelt.
Wenn man Job-Bewertungsportale ansieht, scheinen einige Fidor-Mitarbeiter sehr unglücklich zu sein. Sie geben sich viel Mühe der Online-Kritik zu antworten – aber: Wie viel Einfluss haben Sie heute noch auf die Mitarbeiterführung an den verschiedenen Standorte?
Als Unternehmen befinden wir uns im Übergang vom Start-up zum Growth-Unternehmen. Dies verändert unser Umfeld, unser Arbeiten und auch den individuellen Anspruch. Bei einer solchen Entwicklung ergeben sich geradezu natürlich auch Brüche in einer Organisation. Mitarbeiter der ersten Stunde finden es auf einmal bürokratisch. Auf der anderen Seite werden wir für neue Mitarbeiter auf einmal attraktiver, weil wir professioneller werden. Das ist nun weder gut noch schlecht. Es ist schlicht eine normale Entwicklung, die wir auch damals beim Aufbau der DAB Bank beobachten konnten – mit dem Unterschied, dass wir heute um diese damalige Erfahrung reicher sind. Insofern können wir diesen Prozess aktiv steuern.
Zudem ist ja allgemein bekannt, dass das Internet in solchen Fällen gerne ausschließlich für ein negatives Feedback genutzt wird. Auch mehrfache Einträge eines Einzelnen lassen sich hier häufiger identifizieren. Ich sehe es jedoch als selbstverständlich an, auf jegliche Kritik persönlich zu reagieren. Das ist auch ein Teil der Philosophie „Banking mit Freunden“. Darüber hinaus kann ich Ihnen versichern, dass wir die Kritik sehr fein analysieren. Erst gestern haben wir im Rahmen einer Mitarbeiterveranstaltung die einzelnen Punkte diskutiert und erörtert. Fakt ist auch, dass ich sogar auffordere, diesen Weg zu gehen. Denn es erscheint mir allemal besser über diesen Weg an kritischem Feedback teilhaben zu können, als überhaupt nicht. Denn ansonsten würde man sich nur im Raucherzimmer über die scheinbar üblen Missstände in unserem Haus unterhalten – da könnte ich nicht zuhören und teilhaben. Insofern ist ein Portal wie kununu ein perfektes Alternativ-Ventil auf das ich auch antworten kann.
Welches Projekt treibt Sie im Moment am meisten an? Wie wird Fidor in einem Jahr aussehen?
Als „kernstrategisch“ betrachte ich nicht erst seit gestern die Entwicklung unserer API-Welt sowie den Aufbau unseres APP-Stores. Diese Elemente werden unsere zukünftige Entwicklung am stärksten beeinflussen und in Zukunft dazu beitragen, dass man uns als DIE hochautomatisierte High-Tech-Bank betrachten wird.
Herr Kröner – vielen herzlichen Dank für das Interview.aj
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