Die Mainframe-Experten-Lücke bei Banken und Versicherern: Der Wettlauf mit dem Ruhestand
Ab Mitte 2018 beschleunigt sich der Verlust an Mainframe-Experten. Unternehmen sollten die nächsten Jahre nutzen, um ihre Systeme „zukunftssicher“ zu machen. Danach wird es teurer und riskanter.
von Wolfgang Boos, Geschäftsführender Gesellschafter TEAM 4M
Die Anzahl an Experten nimmt wesentlich schneller ab als der Bedarf an diesen.Während der Bedarf nach Mainframe-Spezialisten aufgrund von Systemablösungen nur langsam sinkt, sinkt die Anzahl der verfügbaren Experten weit schneller.
Einige Experten gehen in den Vorruhestand und stehen nicht mehr zur Verfügung. Andere reduzieren ihre Verfügbarkeit und gehen in Altersteilzeit. Durchschnittlich beträgt das tatsächliche statistische Renteneintrittsalter 61,8 Jahre.
Durchschnittlich betrachtet räumen also gerade die letzten Experten des Jahrgangs 1955 Ihre Schreibtische aus. Gleichzeitig geben die ersten Experten des Jahrgangs 1952 ihre Zugangskarten ab, da sie das gesetzliche Rentenalter erreicht haben.
Umfrage TEAM 4M: Rapide Abnahme an Spezialisten
Gemäß einer im September und Oktober 2017 von TEAM 4M durchgeführten Umfrage sind die Jahrgänge 1951 bis 1962 die am stärksten vertretenen unter deutschsprachigen Mainframe-Spezialisten. Auf diese Jahrgänge entfallen insgesamt 70% der gesamten Spezialisten. Durchschnittlich betrachtet erreichen mit diesen Jahrgängen jeweils fast 6% der Experten das Rentenalter.
Die Umfrage wurde an 285 freiberufliche Mainframe-Anwendungssoftware-Experten versendet. 89 Antworten gingen ein (n=89). Dies entspricht ca. 7% der gesamtem auf freelance.de bzw. Xing gelisteten Freelancer.Gemäß den Umfragewerten und den Renten-Durchschnittswerten der Deutschen Rentenversicherung sind per heute bereits zwischen 21 – 38 % der Experten nicht mehr verfügbar. Diese Zahl erhöht sich bis Ende 2023 auf 51 – 78 %. Für den unteren Wert wurde dabei jeweils die Erreichung des jeweiligen gesetzlichen Rentenalters zugrundegelegt, bei dem höheren Wert das durchschnittliche Renteneintrittsalter von 61,8 Jahren.
Absehbarer Engpass besonders kritisch bei schlechter Dokumentationslage
Da die meisten der Mainframe-Systeme noch weit über 10 Jahre in Betrieb sein werden, ist ein kritischer Engpass an Experten für Mainframe-Anwendungssoftware abzusehen. Viele Code- und Dokumentationsschwächen werden heute durch in-house-Experten abgedeckt. Aufgrund der oben dargestellten Entwicklungen wird dies in den nächsten Jahren aber zunehmend schwieriger werden.
Eine kritische Situation ergibt sich, wenn die in-house-Experten das Unternehmen verlassen. Teilweise kann auf diese noch punktuell zugegriffen werden. Aber sie sind nicht immer verfügbar und auch nicht auf Dauer. Sehr oft werden also externe Experten eingesetzt werden müssen.
Wo wird es knapp?
Muss ein System angepasst werden, so ergibt sich abhängig von der Dokumentationsqualität der Systeme und der Verfügbarkeit an Ressourcen folgende Risiko- und Kostenmatrix:
Die nächsten Jahre dringend nutzen, um die „Lücken“ zu schließen
Es verbleiben nicht mehr viele Jahre, in denen genügend Experten zur Verfügung stehen, die sich gut mit Mainframe-Anwendungssoftware auskennen. Dieser Zeitraum kann von vorausschauenden Unternehmen dafür genutzt werden, das Risikoprofil ihrer Systeme für die Zeit danach zu optimieren.
Schon in wenigen Jahren werden Unternehmen, die dann Ressourcen für ihre Mainframe-Systeme benötigen, feststellen, dass sie diese Experten
1. länger suchen müssen und2. diesen einen höheren Stundensatz zahlen müssen und
3. Abstriche bezüglich der Qualifikationen der Experten in Kauf nehmen müssen …
… weil es wesentlich weniger Experten als nachfragende Unternehmen geben wird. Besonders kritisch wird es, wenn auf Systemfehlfunktionen, Systemausfälle oder ähnlich extreme Situationen reagiert werden muss.aj
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