SB & FILIALE10. Dezember 2024

Die Zukunft von Filialen benötigt Balance von Kosteneffizienz und Kundenbindung

Schwerpunkt: Filialtechnologie
Dr. René Fischer, Partner und Leiter Financial Services in Deutschland und Österreich, Oliver WymanOliver Wymann

Filialen als traditionelle Anlaufstelle für Kunden stehen in der Finanzbranche auf dem Prüfstand. Die seit Jahren sinkende Anzahl zeugt davon. Die demografische Veränderung, geänderte Kundenpräferenzen und „Mobile-First“-Strategien haben die Präferenzen der Bankkunden nachhaltig verändert. Die Filiale ist keineswegs obsolet, gerade in einem herausfordernden Umfeld ist Wirtschaftlichkeit jedoch unerlässlich. Banken sollten daher ihre Filialstrategien überdenken, um Kundenloyalität und Ertragsresilienz langfristig zu sichern.

von Dr. René Fischer, Partner und Leiter Financial Services in Deutschland und Österreich, Oliver Wyman

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Bereits 2019 hat Oliver Wyman in einer Studie zur Zukunft der Bankfilialen analysiert, dass sich die Anzahl von knapp 30.000 bis 2025 auf 19.100 verringern und 2030 bei voraussichtlich 15.800 liegen wird. Die Bestätigung liefert eine aktuelle Analyse des Branchenverbands Bitkom, wonach es 2024 erstmals weniger als 20.000 Bankfilialen in Deutschland gibt.

Die Reduzierung der Filialzahlen ist nicht nur eine Kostenfrage; in ihr spiegelt sich auch das veränderte Verbraucherverhalten wider.”

So hat die Zunahme des Online-Bankings den Bedarf an physischen Filialen deutlich verringert und Kunden wissen die Bequemlichkeit von Online-Transaktionen, etc. zu schätzen. Dieser Wandel ist besonders ausgeprägt bei jüngeren, technikaffinen Kunden, die sicher im Umgang mit digitalen Angeboten sind und diese zumeist auch bevorzugen.

Kosteneffizienz und Kundenbindung ausbalancieren

Obwohl die Anzahl der Besuche zurückgeht, ist die Filiale für einen erheblichen Teil der Kunden nach wie vor ein wesentliches Element für höherwertige Kontakte und damit letztlich für die Bindung zu ihrer Bank. So lassen sich zwar durch Filialschließungen erhebliche Einsparungen erzielen, doch dies ist mit dem Risiko verbunden, gewisse Kunden und Ertragsbasis zu verlieren – reine Digitalanbieter können für das gleiche Produkt rund 25 bis 35 Prozent weniger Erträge vereinnahmen.

Autor Dr. René Fischer, Oliver Wyman
Dr. Rene Fischer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Filialen.Dr. René Fischer ist Partner und Head of Financial Services in Deutschland und Österreich bei Oliver Wyman. Er betreut sowohl Groß- und Regionalbanken als auch Privatbanken, Asset Manager und FinTechs in Deutschland und Europa. Seine Beratungsschwerpunkte reichen von der Strategieentwicklung über Vertriebs- und Wachstumsinitiativen bis hin zu Programmen für Digitalisierung-, Transformation- und operationaler Performance.

Um dies zu verhindern, müssen Banken ein noch tieferes Verständnis für die Präferenzen und Verhaltensweisen ihrer Kunden entwickeln. Entsprechend ist die Verzahnung der wichtigen persönlichen Präsenz mit effizienten Online-Aktivitäten entscheidend, um neue Optionen zur Kundenbindung zu schaffen und sich dabei gleichzeitig auf profitable Aktivitäten zu konzentrieren.

Es bedarf einer detaillierten Segmentierung der Kunden nach Bedürfnissen, um diese mit den Filialdiensten in Einklang zu bringen.”

So dürften beispielsweise viele Kunden digitale Kanäle für Routinegeschäfte bevorzugen, während die persönliche Beratung für komplexe finanzielle Entscheidungen einen wesentlichen Mehrwert liefern kann.

Die Rolle der Filialen im digitalen Zeitalter

Angesichts der genannten Herausforderungen ist es unabdingbar, dass sich Filialen einem fortlaufenden Transformationsprozesses unterziehen. Die strategische Neuausrichtung umfasst dabei verschiedene Modelltypen, die auf das jeweilige Kundensegment abzustimmen sind. Zu den innovativen Formaten zählt etwa die Umwandlung in Beratungszentren, in denen Kunden eine personalisierte Finanzberatung und Unterstützung erhalten. Eine Ausprägung ist die so genannte “Coaching Lounge”, die als großes Beratungszentrum in städtischen Gebieten fungiert.

Die Couching Lounge bietet Dienstleistungen mit einem Fokus auf Beratungsangebote zu Finanzprodukten und -dienstleistungen wie Baufinanzierungen, Altersvorsorge und Versicherungen. “

Zudem können hier auch weitere Anbieter finanznaher Themen integriert werden. Ein weiteres vielversprechendes Format ist das “Self-Service-Center”. Dem Kunden stehen hier verschiedene Selbstbedienungsoptionen offen, zusätzlich erhalten sie je nach Bedarf eine virtuelle Unterstützung. Diese Zentren bieten sich insbesondere für weniger dicht besiedelte Gebiete oder stark frequentierte Orte wie Einkaufszentren an. Sie richten sich unter anderem an Kunden, die ihre Routinegeschäfte wie Bargeldeinzahlungen und -abhebungen, Kontoauszüge sowie grundlegende Produkt- und Serviceangebote weiterhin persönlich erledigen möchten. Diese Zentren sind ein geeigneter Weg, um mit geringem Personalaufwand die physische Präsenz vor Ort aufrechtzuerhalten.

Fazit

Die Filiale ist kein Auslaufmodell, doch in einer sich rasant verändernden Branche lässt sich ihre Relevanz nur durch Transformation sichern. Um in einem wettbewerbsintensiven Umfeld erfolgreich zu sein, müssen Banken agil agieren und sollten technologische Fortschritte als Chance und nicht als Risiko für ihre Geschäftsmodelle begreifen. Denn die Bankenbranche wird auf lange Sicht von Wandel und Anpassung geprägt sein. Angesichts neuer Wettbewerber und der Zunahme von digitalem Banking, sind personalisierte Dienstleistungen und innovative Filialformate ein Schlüssel zur Differenzierung. Solch eine moderne, kundenzentrierte Strategie erfordert fortlaufende Investitionen in Technologie und Mitarbeiterschulungen, um die Bindung zum Kunden langfristig zu erhalten.Dr. René Fischer, Oliver Wyman/dk

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