Digitale Entkopplung: Wie Banken das große Digitalisierungsdilemma lösen
Wenn Bankkunden nicht diejenigen digitalen Services bekommen, die sie wollen, können sie unter einer wachsenden Zahl an Alternativen zu ihrer Hausbank wählen. Doch anstatt ihr Heil in einer Art digitalen Revolution zu suchen, sollten traditionelle Banken den Weg der digitalen Entkopplung einschlagen. Das ist weniger aufsehenerregend, dafür zielführender und erfolgversprechender.
von Ulrich Hatzinger, Manager Solutions Consultants bei Tibco Software
Die Herausforderung ist den Banken wohlbekannt. Und die Gefahr, dauerhaft Marktanteile zu verlieren, ebenso. Dennoch tun sie sich schwer damit, schnellstmöglich dieselben Services wie ihre digitalen Herausforderer anzubieten.Der Grund ist nicht mangelndes Bewusstsein. Vielmehr liegt die Ursache in der großen Anzahl an Legacy-Technologien, von denen traditionelle Banken abhängig sind.”
Vor „Open Banking” leisteten diese Technologien wertvolle Dienste. Doch jetzt sind sie aufgrund der Trägheit großer Systeme zum Hemmschuh im Wettbewerb geworden. Diese Technologien und Systeme komplett und in einem großen Kraftakt zu ersetzen, ist jedoch keine Option. Selbst wenn es technisch möglich und machbar wäre, so würde ein solches Mammutprojekt zweifellos Chaos auslösen und die Strukturen und Arbeitsweisen der gesamten Organisation bis ins Mark erschüttern. Die Verantwortlichen würden ihr Personal höchstwahrscheinlich verlieren, bevor sie das Ziel dieser riskanten Reise erreichen würden.
Digitale Entkopplung: das Digitalisierungsdilemma lösen
Was können und sollen traditionelle Banken also tun? Das Dilemma scheint unlösbar. Doch die gute Nachricht lautet: Sie müssen gar nicht zwischen Skylla und Charybdis wählen, um von ihren Investitionen der Vergangenheit weiter zu profitieren und gleichzeitig durch neue Funktionalitäten agiler zu werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sie dem Ansatz der digitalen Entkopplung folgen.
Im Kern geht es dabei darum, schrittweise vorzugehen und zunächst nur die allerwichtigste Funktionalität zu migrieren und sie auf modernen Service-basierenden Plattformen bereitzustellen. Die Legacy-Technologien und -Systeme bleiben folglich bestehen, werden kurz- und mittelfristig nicht abgeschafft, sondern ergänzt. Das reduziert den internen Veränderungsaufwand auf ein erträgliches und von der Organisation bewältigbares Maß. Mit jeder entkoppelten Funktion aber kommen die traditionellen Banken ihrem langfristigen Ziel näher, ihre Bestandssysteme stillzulegen.
Die technischen Komponenten der digitalen Entkopplung heißen insbesondere Data Lakes, offene Programmierschnittstellen (APIs), DevOps, Microservices, Robotic Process Automation (RPA) und Cloud Migration Factories. Letztere unterstützen Unternehmen dabei, ihre Applikationen von den Systemen vor Ort in die Cloud auszulagern.
Beispielsweise kann eine virtuelle Maschine mit einer Anwendung in einem ersten Schritt via Lift-and-Shift-Ansatz in die Cloud verschoben werden.”
Im nächsten Schritt erfolgen dann Anpassungen der Applikation, um diese Cloud-nativ zu machen und letztlich von den Vorteilen der Cloud — wie etwa der Skalierbarkeit on demand — profitieren zu können.
Diese technischen Komponenten verschaffen traditionellen Banken nicht nur die Möglichkeit, ihre bestehenden und neuen Systeme mittels APIs nahtlos miteinander zu verbinden und für einen automatisierten Datenaustausch zu sorgen. Vielmehr können sie sogar mit ihren digitalen Konkurrenten der FinTech-Szene zusammenarbeiten und dadurch digitale Kundenerlebnisse kreieren, die ihre Kunden stärker an sie binden als je zuvor.
Die erste Geige spielen Daten
Ulrich Hatzinger, Tibco
Ulrich Hatzinger leitet bei Tibco die Abteilung der Technical Solutions Consultants (DACH). Bevor er 2009 zu Tibco kam, leitete er den technischen Vertrieb bei Consultens Informationstechnik, wo er Kunden wie BSH, die Deutsche Bank und INA Schaeffler betreute. Der Autor schloss sein Studium mit Schwerpunkt Maschinenbau als Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) ab.
Ulrich Hatzinger leitet bei Tibco die Abteilung der Technical Solutions Consultants (DACH). Bevor er 2009 zu Tibco kam, leitete er den technischen Vertrieb bei Consultens Informationstechnik, wo er Kunden wie BSH, die Deutsche Bank und INA Schaeffler betreute. Der Autor schloss sein Studium mit Schwerpunkt Maschinenbau als Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) ab.
Darüber hinaus können traditionelle Banken mit dieser Verbindung von Alt und Neu Herausforderungen meistern, an denen sie sich schon viele Jahre und in der Regel mit zweifelhaftem oder begrenztem Erfolg versucht haben. Eine dieser Herausforderungen sind die Berge von Daten, die in den Bestandssystemen schlummern, sich aber nur teilweise für geschäftliche Ziele analysieren ließen.
Traditionelle Banken wissen, dass sie ihre Daten besser nutzen sollten. Dass sie den Zugriff und das Management ihrer Daten verbessern sollten. Auch hier stellt das schrittweise Vorgehen der digitalen Entkopplung seine Stärke unter Beweis. Denn dadurch können die Traditionsbanken Projekte zu Datenmanagement und -analyse auf bestimmte Bereiche eingrenzen, zum Beispiel auf ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Abteilung, um für weitere Initiativen zu lernen.
Dies umso mehr, wenn in diesen Projekten digitale Zwillinge zum Einsatz kommen. Denn diese ermöglichen auf Basis der vorhandenen Daten ein realitätsgetreues, aber risikoloses Testen neuer oder veränderter Angebote oder Parameter wie höhere und niedrigere Zinssätze für Hypothekenkredite.
Dank der heute sehr leistungsfähigen KI-Algorithmen und Verfahren zur Mustererkennung mittels maschinellen Lernens lässt sich das aufgrund dieser Veränderungen zu erwartende Verhalten der Bankkunden realitätsnah simulieren, noch bevor die neuen oder modifizierten Angebote im Markt eingeführt werden.”
Dass die digitale Entkopplung funktioniert, beweist SIBS, Portugals führender Zahlungsdienstleister. Das Unternehmen nutzt eine ausgefeilte API-Infrastruktur und erschafft damit ein deutlich weiterentwickeltes Kundenerlebnis. Auf dem API-Marktplatz von SIBS können sich Banken unter den angebotenen Services bedienen und ihre Apps mit Millionen von Kunden teilen. Diese profitieren von einem umfassenden Lösungsangebot und einer nahtlosen Abwicklung der getätigten Transaktionen, um ihre Finanzen digital zu managen. Dass ihre Hausbank dabei auf Angebote eines Dritten zurückgreift, spielt aus der Sicht der Kunden keine Rolle.
Wirkungsvoll und praktikabel
Zugegeben, der Ansatz ist im Kern nicht neu. Die digitale Entkopplung ist nicht spektakulär, dafür aber umso wirkungsvoller und praktikabler. Denn die zugrundeliegenden Technologien haben sich hinsichtlich Skalierbarkeit, Geschwindigkeit und Integrationsfähigkeit in einem Maß weiterentwickelt, dass sie sich so leicht implementieren und bereitstellen lassen wie nie zuvor. Mit ihrer Hilfe können traditionelle Banken das Digitalisierungsdilemma lösen und im Wettbewerb mit ihren digitalen Herausforderern erfolgreich bestehen. Ulrich Hatzinger, Tibco / tw
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