Das Projekt „Digitaler Euro“ – ein Zwischenstand von Bundesbanker Burkhard Balz
Bei einem Impulsvortrag im Rahmen der Veranstaltung „Digitaler €uro für eine digitale Wirtschaft?“ in Stuttgart sprach Bundesbanker Burkhard Balz über den derzeitigen Stand beim Projekt „Digitaler Euro“. Anders als kürzlich EZB-Direktor Fabio Panetta (wir berichteten) legte er sich bezüglich Smart Contracts und der technischen Ausgestaltung des digitalen Euros nicht fest. Eine Zusammenfassung seiner Rede.
von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
Eine Studie der Bundesbank ergab, dass Zahlungen an der Ladenkasse mit dem Smartphone oder der Smartwatch mit durchschnittlich 14 Sekunden am schnellsten sind. Im Vergleich dazu dauert eine Barzahlung im Schnitt 18,7 Sekunden, eine kontaktlose Kartenzahlung 19,3 Sekunden.Diese Studie zeigt, wie sich in Deutschland die Anforderungen der Menschen an das Bezahlen verändern: schnell, gerne digital und möglichst bequem soll es sein. In meinen Augen dürfte deshalb künftig die Nutzung von Bargeld weiter zurückgehen. Die Befragten gaben an, 58 Prozent ihrer Zahlungen mit Bargeld zu begleichen. In der letzten großen Erhebung aus dem Jahr 2017 lag dieser Wert bei 74 Prozent – ein deutlicher Rückgang. In anderen Ländern des Euroraums ist diese Entwicklung noch weiter fortgeschritten.
Neben der gestiegenen Nutzung von Karten und Smartphones an der Ladenkasse verändert auch der wachsende Online-Handel das Zahlungsverhalten. Sein Anteil am Umsatz der erfassten Zahlungen hat sich von 2017 auf 2021 vervierfacht. Fast jeder vierte Euro wird inzwischen im Internet ausgegeben. Anders als an der Ladenkasse sind die Zahlerinnen und Zahler hier auf bargeldlose Zahlungsmittel angewiesen, die derzeit ausschließlich in Form von „privatem“ Geld, also Guthaben auf Girokonten, verfügbar sind.
Wird Bargeld immer seltener benutzt, droht es seine Rolle als „Anker“ unseres Geldsystems zu verlieren. Das Vertrauen in unser Geld hängt ganz entscheidend davon ab, dass die Menschen ihr bei einer Geschäftsbank eingezahltes „privates“ Geld jederzeit in Zentralbankgeld umtauschen können.
Öffentliches Geld ist der Anker für einen gut funktionierenden Zahlungsverkehr und sichert damit letztlich das Vertrauen in die Stabilität unserer Währung. Ein digitaler Euro würde den Zugang zu öffentlichem Geld in einer zunehmend digitalen Welt sicherstellen.”
Gleichzeitig könnte mit dem digitalen Euro eine zukunftsfähige technologische Basis gelegt werden, um die Effizienz im Zahlungsverkehr weiter zu erhöhen. Dies würde künftige Innovationen ermöglichen und damit den digitalen Wandel in der europäischen Wirtschaft unterstützen.
Europäische Souveränität stärken
Bislang ist es in Europa nicht gelungen, eine einheitliche, europaweite Bezahllösung für die Ladenkasse, für den Online-Handel sowie für Zahlungen zwischen Privatpersonen zu etablieren. Nach wie vor sind wir bei Zahlungen im Ausland und häufig auch im Internet auf internationale Kartensysteme oder BigTechs angewiesen, die ihren Sitz außerhalb Europas haben. Gerade in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten und Spannungen könnte diese Abhängigkeit problematisch werden. Wenn Zahlungen zum Beispiel wegen Sanktionen nicht mehr ausgeführt werden könnten, käme der gesamte Handel sofort zum Erliegen.
Wenn Sie mich fragen, darf sich Europa nicht weiter abhängig machen und muss an eigenen Infrastrukturen arbeiten. Der Zahlungsverkehr ist für die Gesellschaft und Wirtschaft eine kritische Infrastruktur, die unter allen Umständen funktionsfähig bleiben muss. Auch weil wir in diesen Zeiten mehr Autonomie brauchen, beschäftigen wir uns mit dem digitalen Euro.”
Das Projekt „Digitaler Euro“
Wie muss ein digitaler Euro überhaupt ausgestaltet sein, damit er die gesteckten Ziele erreichen kann? Dies versuchen wir im Rahmen der laufenden Untersuchungsphase zu erarbeiten.
Der Fokus der derzeitigen Arbeiten liegt vor allem auf der möglichen technischen und funktionalen Ausgestaltung eines digitalen Euro. Unsere bisherigen Untersuchungen und Umfragen haben ergeben, dass besonders die einfache, bequeme Nutzung, ein hohes Maß an Sicherheit und eine breite Akzeptanz entscheidend sind. Mit dem digitalen Euro könnten die Menschen in Europa überall mit ein und demselben Zahlungsmittel bezahlen. Und das nicht nur wie beim Bargeld im Geschäft und zwischen Privatpersonen. Ein digitaler Euro wäre auch im Online-Handel im gesamten Euroraum und für Zahlungen an und von staatlichen Stellen einsetzbar.
Der digitale Euro sollte als zusätzliche, europäische Option angesehen werden zu den Alternativen, die Sie schon heute im Portemonnaie haben. Dabei muss er einfach und bequem eingesetzt werden können, damit er allen Bevölkerungsschichten zugänglich ist. Zudem sollte er für die Endkunden zumindest im Hinblick auf den Basisservice kostenlos sein und als Offline-Variante auch dann funktionieren, wenn es keine Verbindung zum Internet gibt. Außerdem hätte der digitale Euro den Vorteil, dass er von den Zentralbanken ausgegeben würde, was seine Sicherheit garantiert.
Der digitale Euro wäre für fast 350 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für Millionen von Unternehmen gemacht. Es besteht ganz klar Einigkeit darüber, dass die europäischen Zahlungsdienstleister auch künftig mit ihrer Expertise an der Kundenschnittstelle unverzichtbar sind und die bewährte Rollenverteilung im Geldsystem erhalten bleibt.
Mittelfristig könnten zudem völlig neue, innovative Zahlungsprozesse entstehen. Machine-to-Machine-Payments (M2M), also autonomen Zahlungen zwischen Maschinen, wird beispielsweise großes Marktpotenzial vorausgesagt.
Bei allen Vorteilen und Potenzialen ist uns aber bewusst: die Risiken eines digitalen Euro für die Geldpolitik und die Finanzstabilität müssen soweit wie möglich begrenzt werden. Denn die Einführung eines digitalen Euro könnte mit Risiken für das Finanzsystem verbunden sein.
Denkbar sind unkontrollierte Abflüsse von Geschäftsbankengeld aus dem Bankensektor, was wiederum die Finanzlage der Geschäftsbanken, ihre Kreditgewährungsfunktion und damit die Stabilität des Finanzsystems gefährden könnte. Das Eurosystem führt gerade sehr gründliche Analysen durch, um diese möglichen Risiken zu begrenzen. Vorgesehen sind Instrumente zur Reduzierung einer übermäßigen Nutzung eines digitalen Euro. Dabei arbeiten wir an technischen Lösungen, die die Privatsphäre der Zahlenden gegenüber der Zentralbank sichern, aber gleichzeitig die notwendige Kontrolle des Eurosystems über die Stabilität des Systems ermöglichen. Das ist herausfordernd.
Bis Herbst 2023 soll die Untersuchungsphase für den digitalen Euro abgeschlossen sein. Dann wird der EZB-Rat entscheiden, ob wir in die Realisierungsphase eintreten werden. In dieser Phase würde die Infrastruktur um den digitalen Euro „gebaut“ und umfangreich getestet. Außerdem wird die Schaffung eines rechtlichen Rahmens vorbereitet. Dazu wird im Mai 2023 ein Vorschlag von der EU-Kommission erwartet, der dann mit den Mitgliedstaaten und dem europäischen Parlament abgestimmt wird. Eine Frage dabei ist etwa, ob ein digitaler Euro auch gesetzliches Zahlungsmittel sein würde.
Die Entscheidung über die Einführung des digitalen Euro ist keine, die nur das Eurosystem trifft. Denn es ist keine rein technische, sondern auch eine politische und gesellschaftliche Frage. Nach heutigem Planungsstand erwarte ich, dass wir im Herbst 2026 Antworten auf all diese Fragen haben könnten.”
Die Gestaltung eines digitalen Euro – gerade in einem Markt mit zahlreichen privatwirtschaftlichen Angeboten zum bargeldlosen Zahlen – ist keineswegs ein leichtes Unterfangen. Aber es ist unsere Aufgabe, uns für die Zukunft zu wappnen.
Eine zusätzliche verlässliche Alternative im digitalen Zahlungsverkehr würde dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft in einem starken, unabhängigen Europa auch künftig zu gewährleisten. Und letztlich könnte der digitale Euro auch zum „Motor“ für völlig neue Innovationen werden; oder zumindest den Grundstein dafür legen.
Die vollständige Rede von Burkhard Balz finden Sie hier.pp
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