Dr. Andreas Dombret: Fünf Zukunftsvisionen für die Digitalisierung der Banken
Über Konsolidierung im Bankensektor und die Digitalisierung im Zusammenhang mit der Finanzintermediation sprach der scheidende Bundesbankvorstand Dr. Andreas Dombret am Center for Financial Studies in Frankfurt. Dabei zeigte er fünf Zukunftsszenarien auf, die im Laufe der Digitalisierung der Bankenwelt möglich erscheinen.
In seiner letzten öffentlichen Rede als Bundesbankvorstand machte Dombret deutlich, dass die Konsolidierung ein wichtiges Element sein werde, um den Bankensektor der Zukunft zu formen. Der Bankensektor, darin ist sich Dombret sicher, werde sich in den nächsten Jahren weiter gesundschrumpfen. In Deutschland wie in Europa werde es so gleichermaßen zu einer Marktkonzentration auf weniger Institute kommen. Dabei werde gerade ein florierender Euro-Raum dazu beitragen, dass es mehr Fusionen gebe.Doch wie Dombret ausführt, müssten Fusionen und Innovation durchaus auch über etablierte Grenzen des Bankensektors hinweg gedacht werden – entlang der neuen, digitalisierten Wertschöpfungsketten. Das führe nicht unbedingt zu einer Konzentration der heutigen Bankgeschäfte in der Hand einiger weniger Großbanken.
Digitalisierung als Triebfeder für Fusionen
Im Zusammenhang mit der digitalen Transformation machte Dombret deutlich, dass viele Zeitgenossen zu einer Überschätzung kurzfristiger Trends neigen würden, während langfristige Entwicklungen zu wenig bedacht würden. Als Beispiel nannte er den Bitcoin-Hype und die Start-ups der FinTech-Szene.
Die langfristige Entwicklung der Banken könne, so legte Dombret anhand der Überlegungen der „Task Force on Financial Technology“ des Baseler Ausschusses dar, in fünf grundlegenden Szenarien verlaufen, die aber auch in Mischformen auftreten könnten, was er sogar für wahrscheinlich halte.
Da ist zum einen das am wenigsten disruptive Szenario: die „bessere“ Bank, in deren Rahmen sich die bestehenden Banken selbst modernisieren und digitalisieren. Die Kundenbeziehungen und die Abwicklung der Bankdienstleistungen würden sich zwar verändern, aber eben nur im Rahmen der gewohnten Institute. Aufgrund ihrer Marktkenntnisse, der bestehenden breiten Kundenbasis und der hohen Kapazitäten für Investitionen stünden die Chancen gut, dass sich die etablierten Institute im laufenden Betrieb Schritt für Schritt neu erfinden und letztendlich im Markt behaupten können.
Ähnlich radikal, aber in die andere Richtung gestaltet sich Szenario 2, die „neue“ Bank. Diese Version beschreibt das komplette Scheitern der etablierten Bankenwelt mit ihren gewachsenen Strukturen. Kleine Neugründungen oder solche, die von Technologieriesen gegründet werden, würden deren Geschäft übernehmen und sich frei von Altlasten digital und vernetzt neu erfinden – schnell, innovativ, zeitgemäß.
Variante 3 geht von einer „fragmentierten“ Bank aus, die das Bankgeschäft in die Teile seiner Wertschöpfungskette zerlegt. An Stelle der Universalbanken tritt eine Vielzahl spezialisierter Anbieter, die einzelne Finanzdienstleistungen offerieren. Aus Kundensicht wäre diese Fragmentierung nicht unbedingt von Nachteil, wie Dombret ausführt, und sie werde gar nicht sichtbar, wenn die Anbieter ihre Dienstleistungen auf gemeinsamen Plattformen anbieten – Stichwort Plattformökonomie.
Zukunftsszenarien: Wenn Banken gänzlich unsichtbar werden
Als viertes Szenario skizziert Dombret die „unsichtbare“ Bank, bei der die etablierten Banken nicht wie in Szenario 2 verschwinden, sondern ihre Rolle als Dienstleister im Hintergrund behalten. Dort erfüllen sie jene Aufgaben, die nur mit einer Banklizenz möglich sind oder spezielles Know-how erfordern – zum Beispiel das Risikomanagement, Kreditgeschäft oder Einlagengeschäft. Im letzten Fall spricht Dombret von einer „Disintermediation“. In diesem Szenario sind etablierte Banken keine relevanten Marktteilnehmer mehr und werden auch nicht durch neue Banken ersetzt, weil die Vermittlerrolle traditioneller Kreditinstitute schlicht nicht mehr gebraucht wird.
Innovative Technologien übernehmen in diesem Szenario die Aufgabe, Endkunden direkt miteinander zu verbinden. Dies mag zunächst weit hergeholt klingen, aber zumindest Versuche in diese Richtung gibt es bereits: Nehmen Sie zum Beispiel die Kreditvergabe über P2P-Plattformen oder die Finanzierung von Unternehmen über Crowdfunding.“
Dr. Andreas Dombret, Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank
Diese fünf Zukunftsvisionen seien allerdings nicht in Stein gemeißelt und es könnte noch weitere geben, wie Dombret erklärt. Er selbst glaube eher an eine Evolution des Bankensektors, in deren Verlauf man eine Mischung der Szenarien sehen werde.
Entscheidend für die Entwicklung werden einerseits die Kundenbedürfnisse sein – denken Sie beispielhaft an die Generation Smartphone, die kaum je eine Bankfiliale von innen gesehen hat. Im zweiten Schritt ist die Reaktion der Finanzdienstleister auf diese Bedürfnisse entscheidend.“
Dr. Andreas Dombret, Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank
FinTechs sind agiler und kommen ohne Altlasen der Bankenwelt aus
Kooperationen und M&A könnten dabei eine Rolle spielen, indem sie Veränderungsprozesse beschleunigen. Dombret hob die Agilität der kleinen FinTechs hervor, die nicht auf Altlasten und einen umfangreichen Apparat Rücksicht nehmen müssten. So ließen sich innovative Angebote und Geschäftsmodelle leichter entwickeln. Etablierte Banken könnten dagegen eine starke Kundenbasis und eine starke Vertriebskraft einbringen, die es ermögliche, vielversprechende Konzepte zügig in den breiten Markt zu bringen.
Strukturwandel im Allgemeinen und M&A im Speziellen dürfen nicht linear, sondern müssen dynamisch gedacht werden. Der wichtigste Erfolgsfaktor einer Marktwirtschaft ist ihre Dynamik, die – im Gegensatz zur Planwirtschaft – aus vielen dezentralen Entscheidungen vielfältiger Marktakteure entsteht.“
Dr. Andreas Dombret, Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank
Daher sei es klug und im Sinne der Wirtschaft, die kreative Zersplitterung von Unternehmen zu suchen – also die Veräußerung bestimmter Portfolien oder Unternehmensteile vorzunehmen. Ein derartig sektorübergreifendes Denken sei im Sinne der jeweiligen Dienstleistung richtig und verlaufe entlang der neuen, digitalisierten Wertschöpfungsketten.
Dabei geht Dombret noch einen Schritt weiter und stellt im Rahmen der allumfassenden Digitalisierung der Gesellschaft sogar die bisherigen Strukturen der Wirtschaft in Frage:
Wenn sich unsere wirtschaftlichen Kooperationsformen vollständig ändern, weil die technologische Revolution auch revolutionäre Kooperationsformen ermöglicht, welche Finanzdienstleistungen werden dann überhaupt noch nachgefragt? In welcher Form können sie angeboten werden? Welche Verknüpfungen mit anderen Leistungen sind möglich?“
Dr. Andreas Dombret, Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank
Ob die digitale Revolution der Wirtschaftsstrukturen auch eine Revolution des Finanzmarktes nach sich ziehe, müsse die Zeit zeigen. Derartige Fragen seien zwar Zukunftsmusik, aber man könne sie dennoch bereits heute hören – „und sie wird immer lauter“. tw
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/69732
Schreiben Sie einen Kommentar