Dr. Hansjörg Leichsenring: Regionale Banken sind dabei ihre Chancen zu verpassen
Herr Dr. Leichsenring – Sie sind ja so etwas wie ein Banking-Urgestein. Wenn es um Digitalisierung geht – wo sehen Sie die Schwerpunkte beim Banking der Zukunft?
Dr. Leichsenring: Neben Themen wie Mobilität oder Social Media sind Entwicklungen wie Big Data, Cloud Computing, Mobile Shopping oder das Internet der Dinge, Trends, auf die sich Unternehmen aller Branchen vorbereiten müssen – nicht nur im Banking. Sie werden ganze Geschäftsmodelle nachhaltig verändern und dies in einer Geschwindigkeit, die viele überraschen wird.
In zahlreichen Branchen (z.B. in der Verlagsbranche oder der Musikindustrie) haben diese disruptiven Veränderungen schon zu einer Revolution der Geschäftsmodelle und zu Marktbereinigungen geführt.
Und welche Veränderungen kommen Ihre Meinung nach nun konkret auf den Finanzsektor zu?
Dr. Leichsenring: Kunden sind an das Internet und dessen Komfort gewöhnt. Banken und Sparkassen müssen sich darauf einstellen und mit ihren Kunden auch auf digitalen, insbesondere den mobilen Kanälen nicht nur kommunizieren können, sondern ihnen auch eine Möglichkeit zur Beratung, Beratungsunterstützung und zum Abschluss geben. Es mutet schon seltsam an, dass es Kreditinstitute gibt, die sich auf der einen Seite dafür rühmen, multikanalfähig zu sein, auf der anderen Seite Ihren Kunden aber nicht mal die Möglichkeit bieten, ein einfaches Konto online zu eröffnen.
Auf wen spielen Sie da an?
Dr. Leichsenring: Insbesondere viele regionale Institute, vor allem Sparkassen und Volksbanken scheinen sich noch sehr schwer damit zu tun, ihre Produkte online verfügbar zu machen. Da ist noch viel zu tun.
Einige Großbanken sind aber schon auf einem guten Weg in Richtung Digitalisierung, nicht wahr?
Dr. Leichsenring: Schon, aber vor allem die regionalen Institute stehen vor gewaltigen Herausforderungen, denn das Internet kennt einerseits keine Geschäftsgebietsgrenzen, andererseits erwarten aber auch deren Kunden digitalen Service.
Zudem wird es in Zukunft deutlich weniger Filialen als heute geben und die weiter bestehenden müssen für die Digitalisierung „fit“ gemacht werden. Viele Institute haben die Filialen in den letzten Jahren vernachlässigt und müssen nun erhebliche Investitionsmittel bereitstellen. Dabei sollte immer der Kundennutzen im Vordergrund stehen, Technologie ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.
Das sich die Landschaft und das Wettbewerbsumfeld verändert ist offensichtlich, aber wie lange können oder sollten die Banken denn Ihrer Meinung nach noch an der alten Sicht festhalten?
Dr. Leichsenring: Einem Wandel, der längst Realität ist, kann sich niemand erfolgreich entgegenstellen, auch die Banken nicht. Sofern sie es nicht schon getan haben, können sie nur reagieren und dies sollten sie schnell und angemessen tun.
Nach einer gerade abgeschlossenen Untersuchung des renommierten ibi Research Instituts von der Universität Regensburg sind Themen wie Mobile Banking, Persönliches Finanz Management oder eine online gestützte Vermögensverwaltung die aktuellen Top Themen der Finanzbranche. Hinzu kommen Video Beratung und das mobile Bezahlen. Im letzten Bereich hat ja vor kurzem Apple eine überzeugende Lösung vorgestellt. Es fällt schwer, zu glauben, dass die Finanzbranche hier in absehbarer Zeit eine gleichwertige Alternative bereitstellen kann.
Nun gibt es ja zunehmend Mittbewerb durch FinTechs. Sind die nun aus Ihrer Sicht eine Chance oder eher Fluch für die Banken?
Dr. Leichsenring: Die Herausforderung besteht vor allem darin, neue Anbieter aus dem Banken- und Nichtbankenbereich nicht an die Grundlagen der Kundenbeziehung heranzulassen und die Tiefe des Wertschöpfungsprozesses, den die Banken bislang mehr oder weniger kontrollieren, zu verlieren.
Zahlreiche innovative FinTech Startups, aber auch große Technologieunternehmen wie Amazon, Apple, Facebook oder Google haben es auf Teile genau dieses Wertschöpfungsprozesses und natürlich auf die dazu gehörenden Erträge abgesehen. Der große Vorteil dieser Unternehmen ist das tiefgehende Verständnis von Technologie und Kundennutzen und die daraus resultierende Customer Experience, die den Kunden geboten werden kann.
Hier können die Finanzinstitute, auch aufgrund der vorhandenen Strukturen und der teilweise veralteten IT Systeme, nicht mithalten. Sie werden daher schnell reagieren müssen, wollen sie nicht Teile ihres Geschäfts und ihrer Erträge verlieren. Dies wird für viele zu einer echten Herausforderung werden.
Das heißt Sie sehen bei den Banken eher die Tendenz zur Schlacht gegen die FinTechs? Gibt es keine Ansätze für eine Kooperation oder Koexistenz?
Dr. Leichsenring: Angesichts der verfügbaren Ressourcen wäre das eine sehr einseitige Schlacht. Kooperation findet bereits dort statt, wo FinTech Unternehmen als WhiteLabel Partner den Banken Ihre Lösungen anbieten. Ansonsten werden viele Finanzinstitute eigene Lösungen entwickeln, wobei viele Ideen dazu sicherlich vom Markt und den neuen Wettbewerbern kommen werden. Es wird spannend sein, zu beobachten, ob und welche FinTechs beim Kampf um Endkunden die Nase vorne haben werden.
Meinem Gefühl nach unterscheiden sich aber die Bankengruppen erheblich in Ihrem Vorgehen.
Dr. Leichsenring: Direktbanken sind ja im Prinzip bereits digital aufgestellt, wenngleich auch nicht immer im kompletten Prozess der Wertschöpfung. Sie verfügen jedoch über enorme Erfahrungsvorteile auf diesem Gebiet. Allerdings werden sie auch als erste die neuen Wettbewerber spüren, da ihre Kunden in höherem Maße affin für digitale Angebote sind, als die der anderen Banken.
Die Großbanken sind bereits dabei, kräftig zu investieren, wie einige aktuelle Meldungen zeigen. Ihre großen Vorteile sind die Kundenbasis und die finanziellen und personellen Ressourcen.
Am schwersten tun sich – wie schon erwähnt – die regionalen Bankengruppen. In vielen Sparkassen und Volksbanken wird das Internet immer noch vor allem als Bedrohung aufgefasst – die es ja zum Teil auch ist – und es dominiert eine große Skepsis gegenüber der Digitalisierung.
Die dezentrale Strukturen sind eine große Stärke und zugleich auch die größte Schwäche. Die Stärke liegt in der Kenntnis um Kunden und Märkte, die Schwäche darin, dass die Entscheidungsautonomie der Primärinstitute es zu einer echten Herausforderung macht, auf die aktuellen Trends in der notwendigen Zeit eine entsprechende gemeinsame Antwort zu finden. Zudem ist die strategische Ausrichtung der IT Dienstleister eher auf Kostensparen als auf den Markt ausgerichtet.
Die Angst davor, regionales Geschäft überregional zu verlieren ist jedoch nicht zielführend. Der Wettbewerb schläft nicht. Wenn nicht innerhalb der eigenen Gruppen die Weichen in Richtung Digitalisierung schnell und eindeutig gestellt werden, dringen andere Anbieter in diese Lücke ein und machen den Instituten Kunden und Geschäft streitig. Die ING DiBa ist ein gutes Beispiel dafür. Noch immer kommt die Hälfte der Neukunden aus dem öffentlich-rechtlichen Lager, wo es keine koordinierte Antwort auf diese Herausforderung zu geben scheint.
Wo ist denn nun der Wettbewerbsvorteil der etablierten Banken gegenüber den FinTechs?
Dr. Leichsenring: Kundennähe und Kundenverständnis sind neben dem Kapital wohl die die wichtigsten. Trotz der Finanzkrise vertrauen die Kunden, wenn es um das eigene Geld geht, den etablierten Instituten (noch) mehr als neuen Anbietern, so gut diese auch sein mögen. Doch auch dieses Vertrauen kann sich wandeln.
Hinzu kommt der Vorteil der Regulierung. Neue Anbieter ohne Banklizenz werden sich auf absehbare Zeit noch schwer tun mit dem Bankgeschäft. Aber Unternehmen wie Google oder Facebook verfügen bereits über eine eigene Banklizenz und einige FinTech Startups haben sich mit bestehen Banken verbündet, um deren Lizenz zu nutzen.
Was meinen Sie: Wie wird die Bank der Zukunft – in 5 Jahren – aussehen?
Dr. Leichsenring: Sie wird den Kunden über alle Kanäle hinweg ein emotionales Kauf Erlebnis bieten und den Kunden in seinem Alltag spürbar unterstützen. Viele Produkte und Leistungen, für die sich Kunden heute noch an Berater wenden müssen, werden künftig digital einfacher und in höherer Qualität verfügbar sein, als das heute der Fall ist.
Zudem werden intelligente Tools zum einen die Kunden bei der Suche nach geeigneten Lösungen für ihren individuellen Bedarf unterstützen, zum anderen werden die Berater über entsprechende Möglichkeiten verfügen, ihre Kunden noch qualifizierter als heute zu beraten und zu begleiten.
Eine große und vielleicht einmalige Chance bietet sich den Finanzinstituten durch die Nutzung von Big Data. Keine andere Branche verfügt über so viele Kundendaten wie die Banken. Dies sollten die Institute nutzen, um ihren Kunden auf Grundlage dieser Daten individuelle Angebote mit einem echten Mehrwert zu bieten.
Hier haben die Banken einen großen Vorteil, denn dort sind Daten (bislang noch) sicher, anders als bei vielen großen Internetunternehmen. Damit dies so bleibt, müssen die Banken diesen Vorteil gegenüber den Kunden stärker herausstellen und nutzen.
Kurzfristig wird die Mobilisierung des Bankgeschäfts Investitionen erfordern. Aber auch Tools wie Persönliches Finanz Management oder digitale Vermögensberatung sind notwendig.
Die langfristige Herausforderung liegt darin, die bestehenden Core Banking Systeme zu erneuern, so dass zukünftige Lösungen flexibel integriert werden können.
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