DVAG, Knip, massUp: Schlagabtausch um neue InsurTech-Geschäftsmodelle – nun steigt Groenen ein
FinTechs haben schon die eine oder andere Bank aufgeschreckt. Doch das ist gar nichts gegen den aufgeheizten Gemütszustand zwischen Versicherern und herausfordernden InsurTechs (der Versicherungs-Untergruppe der FinTechs). Die DVAG hat die längst notwendige Diskussion in Gang gesetzt, FinTech Knip stieg drauf ein – und nun gibt Dominik Groenen (FinTech massUp) als Man-in-the-Middle eine direkte Antwort. Es bahnt sich ein spannender Schlagabtausch an.
Insbesondere Versicherungsmakler haben Sorgen: Seit wenigen Monaten starten junge FinTechs wie Clark, GetSafe und Knip einen Frontalangriff auf die Provisionsmodelle etablierter Makler. Der Hintergrund: Bei der Registrierung von Kunden für die Vertragsberatung ziehen sich Onlineportale das Maklermandat (Maklervollmacht) und greifen sich die lukrative Bestandsprovision (wir berichteten) und alle Rechte, die damit verbunden sind. Das sie das dem Kunden im Prozess nicht unbedingt frontal auf die Nase binden ist verständlich, denn es ist zentraler Teil des Geschäftes. Aber auch der Hauptkritikpunkt. Jeder Anbieter sagt es zwar (mehr oder weniger deutlich) – aber dem Kunden ist in der Regel nicht klar, was das für ihn bedeutet. Nun sprach der DVAG in einem Blogpost das Problem an, schoss aber mit der einen oder anderen Anschuldigung ein wenig über das Ziel hinaus. Das Handelsblatt fasste im Beitrag “Deutsche Vermögensberatung erzürnt FinTechs” den aktuellen Streit sehr treffend zusammen.Die Retourkutsche ließ nicht lange auf sich warten: Dennis Just, Gründer und CEO von Knip wehrte sich in einem Offenen Brief und nahm Knip und seiner Mitstreiter in Schutz. Schuld sei auch, dass sich die Branche nicht in Richtung Digitalisierung bewegt habe – und unterstütze den Blogpost mit einer umfangreichen Presseaussendung, in der die rechtlichen Rahmenbedingungen für Knip ausführlichst dargelegt werden.
Die Antwort auf die Replik
Dominik Groenen nimmt in dem Disput eine besondere Stellung ein: Der InsurTech-Vertreter liebt klare Worte und setzt auf die Kooperation der Branchen. Wir fragten bei ihm nach und erhielten promt seinen “Offenen Brief” an Dennis Just, den wir hier im Original wiedergeben:
Blamage: Just in time
Lieber Dennis Just, liebe Knipser!
Just in time. Pünktlich. So könnte man deine Aktion beschreiben. Deinen offenen Brief, mit dem du prompt in Richtung Deutsche Vermögensberatung „zurückgiftest“, schrieb das Handelsblatt am Dienstag. Aber ein Gift ist im Englischen ja ein Geschenk, medienstrategisch nämlich eine offene Flanke, die du bietest. Deinen Gegnern. Weswegen ich dir statt eines offenen Briefs mit einer offenen Polemik entgegne.
Und hier kommen meine Argumente, du hast ja keine genannt. Ich sage es frei raus: Ich bin nicht als Anhänger der DVAG verdächtig, aber ich stimme aus eigener Kenntnis der Innereien der meisten FinTech-Unternehmen den Aussagen und kritischen Fragen von Helge Lach auf dem Blog der DVAG zu. Zu 100 Prozent gar. In deinem offenen Brief hast du das Inhaltslos gezogen. War es dein Ärger, wie du schreibst, über die DVAG in deren Blog?
Ich finde bei dir keine Sachargumente. Keine solchen, auf die ich entgegnen könnte. Lediglich Allgemeinplätze: Du bezeichnest Versicherungsvermittler als die „mit Abstand unbeliebteste Berufsgruppe“. Zutreffend oder nicht, ja es gibt Berichte dazu, das ist aber kein Argument. Keines für Clark, Knip & andere Versicherungs- und Konto-Konsorten. Selbst dann nicht, falls du die DVAG nicht leiden könntest. „Strukturvertriebe im Pyramidensystem“ seien „einer der Hauptgründe“ dafür. Das ist eine Behauptung, aber kein Argument.
Oder meinst du die finanziellen Anreizsysteme in einigen Vertrieben? Entwarnung: Wirklich motivierte Leute sind motiviert. Ohne Geld. Oder arbeitest du des Geldes wegen? Ich nicht. Wir sind wohl beide motiviert. So ist das auch bei der DVAG, höre ich. Ungefähr zigtausendfach, sagen die. Ich glaube es. Kritisch, aber ich glaube es denen. Euch auch. Lass uns wieder zur Sache kommen und deinen keinen Argumenten.
Prüfe deine Kompetenz
Statt eigenem Argument aus deiner eigenen Kompetenz: Hilfsweise muss eine Verbraucherstudie aus dem Jahr 2008 herhalten, deren eine Kernaussage ist, die Deutschen würden jährlich um 20-30 Milliarden Euro bei Finanzen und Versicherungen geprellt. Weißt du, woher diese Zahl kommt? Aus einer Aussage eines Kapitalanlage-Funktionärs, dem im Jahr 2013 verstorbenen Carsten Lucht, dessen Milliardenzahl nie wissenschaftlich verifiziert wurde. Statt Fakten, Empirie (zählbaren Zahlen), lieferst du dir und deiner Kaste der FinTechs einen Epic Fail, medial gesehen.
Mein erster Chef sagte einmal zu mir dazu: “Dominik, wenn du Experte sein willst, prüfe vorher deine Kompetenz. Mindestens fünf Jahre“. Der DVAG schreibst du (als Argument?!) von „Beratung statt Vertrieb, einfacher Zugriff (…) per App statt künstlicher Intransparenz im Produktdschungel“. Begründe! Wo wird in der alten Versicherungswelt künstlich Intransparenz geschaffen? O.K., bei der Allianz hat der Bundesgerichtshof kürzlich endgültig das Kleingedruckte bei alten Riester-Policen kassiert. Das zeigt doch, dass Kontrolle inzwischen funktioniert.
74 Prozent unzufrieden
Aber zu der neuen Transparenz gegenüber dem Verbraucher, die du offenbar exklusiv für dich und deine Gleichgesinnten beanspruchst, muss ich dir sagen: Sie ist ein Bundesgesetz, Europarecht. Nervig im Papierkrieg, den auch ihr habt, aber wichtig im Umgang mit Verbraucherrechten. Du, Knip und die anderen FinTechs setzen auf Technologie. Ja, und? Den knapp 14 Millionen Euro, die eure Kapitalgeber nicht gerade sicher wie auf dem Sparbuch bei Knip riskieren, setzt etwa die Allianz, um nur ein Beispiel zu nennen, 200 Millionen Euro entgegen. Euer Gewicht am Markt ist relativ. Ich würde lieber Allianz-Aktien kaufen.
Eure Rechtschaffenheit, die niemand bezweifelt, ist nicht exklusiv. Und kein Argument, wie aktuell, um etwa die DVAG auszustechen. Übrigens haben die schon Apple iPads im Vertrieb eingeführt, als iPads noch gar keine käuflich waren. 1.000 Stück. Das berichtete mir heute ein DVAG-Mann, der es wissen muss. Laut Studie von Innovalue, Hamburg, sind 74 Prozent der Nutzer von Clark, Getsafe und Knip unzufrieden, sehen keinen Mehrwert und würden die App nicht weiterempfehlen.
Dies berichtete Innovalue auf dem Versicherungstag der Süddeutschen Zeitung in Köln Anfang Dezember 2015. Viele FinTech-Maklerkunden wissen doch gar nicht, dass das Maklermandat ihren herkömmlichen Betreuer löscht und damit bei ihren Policen alles nur noch über Knip & Co. geht. Viele Versicherungsmakler bestätigen mir diese Wahrnehmung ihrer reuigen Kunden, die ein Policen-App erwarten, aber stattdessen mit ihrem Makler bezahlen. Mit dem Verlust ihrer angestammten Betreuung.
Dagegen wäre bei Transparenz im Kleingedruckten der App-Anbieter nichts einzuwenden. Wenn die Kunden Transparenz wahrnehmen würden, wenn sie Knip klicken oder auf dem Smartphone tippen. Und zu eurem Personal: Mit Fixgehalt und an Kundenzufriedenheit gemessen. Ist das ein Argument? Seid ihr Fixgehaltspender? Setzt ihr Produktivitätskriterien außer Kraft? Eure Kunden, und um die geht es, haben nichts davon. Mehr interessiert sie die Fachkompetenz eurer Mannschaft.
Werkstudenten und Datenpfleger sucht ihr (auch?), lese ich. Und Fotokopierer und Scanner fürchte ich. Denn die technischen Schnittstellen für schlanke Datenprozesse, die auch den tradierten Versicherungsmaklern bei ihrer Bestandführung fehlen, ihr FinTechs habt sie nicht neu erfunden. Es gibt diese Schnittstellen kaum, über GDV- oder Bipro-Standard hinaus ist wohl kaum ein FinTech „schlauer“ als die alte Versicherungswelt. Weswegen ich fürchte, dass die FinTechs nicht schlank organisiert sind, sondern mit Datenpflegern händisch arbeiten. Aber ich kann mich irren, nach vier erfolgreich geborenen und inkubierten Startups.
Dominik Groenen ist Gründer in der Versicherungsbranche. Mit massUp hat Dominik Groenen seit 2010 fünf Versicherungs-Startups gegründet. Die ersten vier Unternehmen seien bereits erfolgreich. massUp ist eine Versicherungs-API für Annex, Nischen und Kurzzeitversicherungen im Vermittlermarkt. Im Dezember 2015 haben Dominik und sein Partner Fabian Fischer mit massUp den Sprung ins Startupbootcamp nach London geschafft. Aktuell arbeitet das Team an der internationalen Expansion nach UK, Spanien, Frankreich, Polen, Österreich, Schweiz und Italien.
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