STRATEGIE7. November 2024

Die Evolutionstheorie des Finanzwesens: Werden Finanzinstitute zu Tech‑Unternehmen?

Steht uns die Evolution des Bankangestellten zum IT-Spezialisten bevor? Marion Spielmann, Leiterin COO Bankgeschäftsfelder und Verwahrstelle bei der DekaBank, denkt: "Ja!".
Marion Spielmann, Leiterin COO Bankgeschäftsfelder und Verwahrstelle bei der DekaBankDekaBank

Charles Darwin beschreibt in seiner Evolutionstheorie, dass sich der Mensch allmählich an seine Umweltbedingungen anpasst. Die Triebkraft der Anpassung ist dabei die Selektion, die natürliche Auslese. Diese Selektionstheorie besagt, dass sich die am besten angepassten Individuen gegen weniger gut angepasste durchsetzen.

von Marion Spielmann, Leiterin COO Bankgeschäftsfelder und Verwahrstelle bei der DekaBank

Die Digitalisierung ist ein solcher Umweltfaktor für das Finanzwesen.

Steht uns die Transformation des Bankangestellten zum IT-Spezialisten bevor? Gewissermaßen ja!”

Entscheidend für erfolgreiche Geschäftsstrategien wird es sein, das vorhandene finanzwirtschaftliche Know-how mit technischem Know-how zu verbinden. Die Transformation von Finanzprodukten und Prozessen, wie zum Beispiel Risiko-, Compliance- und Abwicklungsprozessen, erfordert sowohl eine bankfachliche Expertise als auch ein technologisches Verständnis. Daher ist es ein Muss, frühzeitig entsprechendes Know-how in den Organisationen in der Breite zu entwickeln. Verpasst man diesen Moment, wird man den Marktführern nur mit Abstand folgen können.

Die Entwicklung zu digitalen Kapitalmärkten schreitet stetig voran. Für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell ist es entscheidend, die wesentlichen Wertschöpfungsketten zu digitalisieren. Nur so bleibt man wettbewerbsfähig und profitiert von Effizienzsteigerungen.

Die DekaBank als Wertpapierhaus der Sparkassen hat sich frühzeitig entschieden, den Emissionsprozess von Wertpapieren und Fondsanteilen sowie deren Verwahrung mittels Blockchain zu digitalisieren.”

Zu diesem Zweck gründete sie 2022 das Softwareunternehmen SWIAT. Da nur ein gemeinsamer Standard für die Blockchain-basierte Wertpapierabwicklung das technologische Potenzial voll ausschöpfen kann, beteiligen sich seit 2023 weitere Finanzinstitute im Rahmen eines Joint-Ventures.

Autorin Marion Spielmann, DekaBank
Marion Spielmann ist seit 2011 für die DekaBank (Website) tä­tig. Seit 2019 ver­ant­wor­tet sie als Lei­te­rin COO Bank­ge­schäfts­fel­der & Ver­wahr­stel­le die fünft­grö­ß­te Ver­wahr­stel­le Deutsch­lands. Zu­vor ar­bei­te­te sie un­ter an­de­rem für die Roy­al Bank of Scot­land, Dresd­ner Bank und DZ Bank. Ihr „Block­chain-Aha-Er­leb­nis“ hat­te Ma­ri­on Spiel­mann, die sich für smar­te, di­gi­ta­le Pro­zess­ket­ten be­geis­tert, bereits 2017.

SWIAT bietet eine konvergente Plattform, die traditionelle und zukünftige digitale Vermögenswerte miteinander verbindet.”

Die zugrundeliegende permissionierte, private Blockchain basiert auf Enterprise Ethereum (Hyperledger Besu). Hierbei handelt es sich um einen Java-basierten Ethereum-Client, der sowohl Anwendungsfälle für öffentliche als auch private Netzwerke ermöglicht. Durch die Kompatibilität zur Ethereum Virtual Machine (EVM) wird die Interoperabilität zu anderen EVM-kompatiblen Blockchains ermöglicht. Ethereum bietet sich für das Finanzwesen aufgrund des hohen Sicherheitsstandards, der Interoperabilität und der API-Zentrik besonders an. Zudem kommt das weniger energieintensive Proof-of-Authority-Verfahren für die Authentifizierung von Transaktionen zur Anwendung.

Ob sich öffentliche oder private Blockchains durchsetzen werden, ist noch offen.”

Der Einsatz einer permissionierten Blockchain hat für Finanzinstitute Vorteile, da sensible Informationen besser geschützt und Transaktionen schneller abgewickelt werden können als auf öffentlichen Blockchains. Zudem bietet sie Transparenz hinsichtlich des Netzwerksbetriebs und der Verantwortlichkeit für die Validierung der Daten, ergänzt um einen klaren Governance-Rahmen für die Teilnehmer. Das sind wichtige Voraussetzungen für die Schaffung von Vertrauen und den Einsatz der Blockchain im Finanzwesen.

Eine wesentliche Herausforderung bei der Digitalisierung von Wertpapierprozessen ist die Integration der neuen Prozesswelt in die bestehende IT-Infrastruktur.”

Auch hier handelt es sich um einen evolutionären Veränderungsprozess, bei dem schrittweise Upgrades sicherstellen, dass die neue Technologie reibungslos mit den vorhandenen Systemen interagiert. Hierfür hat die DekaBank das „Digital Asset Management System“ entwickelt. Diese Software interagiert mit den verwendeten Chains und verfügt über einen mehrstufigen Speicher zur Verwahrung digitaler Assets, eine grafische Benutzeroberfläche zur Verwaltung und Steuerung sowie eine Middleware zur Orchestrierung und Anbindung externer Systeme wie dem Kernbankensystem. Bei den eingesetzten Werkzeugen und Technologien wurden Java als primäres Entwicklungsframework, Kubernetes als Laufzeitumgebung und Yubikey als Multifaktor-Authentifizierung gewählt.

Die erfolgreiche Digitalisierung der Wertpapierprozesse in der DekaBank wurde durch gemischte Teams aus Fachbereichen und internen IT-Expertinnen und -Experten ermöglicht.”

Wesentlich war dabei, dass die DekaBank bei ihren Mitarbeitern das notwendige Know-how bereits frühzeitig aufgebaut hat. Die Evolution arbeitet viel schneller als Charles Darwin es vermutete und die Digitalisierung wird der ausschlaggebende Katalysator für die Geschwindigkeit sein, mit der sich das Finanzwesen weiterentwickelt.Marion Spielmann, DekaBank

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