Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG): “Da ist noch Potenzial für die Zukunft”
Die aktuelle Kryptowertpapierliste der BaFin verdeutlicht das mit Blick auf Digitalemissionen von Kryptowertpapieren noch bestehende Potenzial. Dabei bietet die aktuelle Rechtslage mit Fokus auf Inhaberschuldverschreibungen bereits weitreichende Digitalisierungsopportunitäten für Emittenten an. Die zu erwartende Erweiterung des eWpG auf Aktien rundet das Angebot sinnvollerweise ab, sollte allerdings zukünftig nicht den Großteil der Emissionen darstellen.
von Jürgen Weidmann, WM Datenservice, und Dr. Duc Au, FOM Hochschule für Ökonomie & Management
Die eindeutige Wertpapierkennnummer – in Form der ISIN (mitsamt der WKN als deutschem Pendant) – ist eine von vielen rechtlichen Parametern für den erfolgreichen Registereintrag. Dieser Registereintrag ersetzt gemäß dem elektronischen Wertpapiergesetz (eWpG) die bisher notwendige physische Urkunde und ermöglicht damit die digitale Emission des jeweiligen Wertpapiers.Potenzielle Relevanz des eWpG – Auswertungsverfahren und Ergebnisse
Es stellt sich nun die Frage, wie groß die möglichen Auswirkungen des eWpG auf das Emissionsgeschehen in Deutschland sein könnten bzw. wie viele Wertpapiere als elektronische Wertpapiere begeben werden könnten. Eine Auswertung der Datenbanken des WM Datenservice könnte hier Aufschluss geben, da fast alle im Wertpapiersektor aktiven Marktteilnehmer in Deutschland Daten aus eben diesen Datenbanken benötigen, um Wertpapiergeschäfte abzuwickeln. Folglich zeichnen diese Datenbanken fast alle Emissionen nach, die für den deutschen Kapitalmarkt und seine Akteure eine Bedeutung haben.
Um die Relevanz und die Anzahl der Emissionen in den einzelnen Wertpapierarten nachzuvollziehen, wurden die in 2022 neu in die entsprechenden Datenbanken aufgenommenen Wertpapiere untersucht. Referenzinstrumente wie Währungen, Zinssätze und Indizes blieben dabei genauso unberücksichtigt wie Optionen und Futures.
Um zufällige Ergebnisse auszuschließen, wurden die Zahlen neu aufgenommener Wertpapiere nach verschiedenen Kriterien untersucht und in den folgenden Abbildungen dargestellt sowie erläutert (Alle Angaben beziehen sich auf die Auswertung der Datenbanken des WM Datenservice):
Abbildung 1 veranschaulicht die Dominanz von Optionsscheinen mit ca. 6,4 Mio. Neuemissionen im Jahr 2022. Mit größerem Abstand folgen auf Platz 2 die Optionen und Futures mit ca. 1,3 Mio. Neuemissionen, die jedoch nicht zu den Wertpapieren zählen, und an dritter Stelle das Geschäft mit Zertifikaten. Insgesamt liegen für das Jahr 2022 ca. 7,238 Mio. Neuemissionen von Wertpapieren vor, wovon ca. 7,231 Mio. und somit 99,9% durch das heutige eWpG abgedeckt sind. Um einen genaueren Blick auf den deutschen Markt zu erhalten, wurden in Abbildung 2 alle Wertpapiere deutscher Emittenten im In- und Ausland herangezogen. Auch hier dominieren die Optionsscheine mit ca. 4,1 Mio. Neuemissionen. Betrachtet man die Gesamtanzahl der Neuemissionen auf Basis dieser Betrachtungslogik in Hinblick auf die mögliche eWpG-Abdeckung, dann kommt man auch hier zu einer theoretischen 99,9%igen Coverage. Eine weitere Perspektive ist die Betrachtung der neuen Wertpapiere anhand der ISIN mit einem Länder-Präfix für Deutschland. Dies sind im Wesentlichen auf den deutschen Markt zielende bzw. beim deutschen Zentralverwahrer hinterlegte Emissionen (DE-ISIN). Analog zum in Abbildung 1 und Abbildung 2 konstatierten Ergebnis liegt auch hier eine theoretische 99,9%-Abdeckung durch das eWpG vor.Potenzielle Relevanz des eWpG – Bewertung der Ergebnisse
Im eWpG ist bislang für Inhaberschuldverschreibungen die Möglichkeit einer Digitalemission vorgesehen. Zu dieser Wertpapierkategorie gehören nach deutschem Recht neben Anleihen aller Art insbesondere auch Optionsscheine und Zertifikate. Die Verordnung über Krypto-Fondsanteile (KryptoFAV) erweitert diese Möglichkeit auch um die Emission digitaler Fondsanteile (Bundesfinanzministerium, 2021).
Jürgen Weidmann ist Senior Business Development Manager bei WM Datenservice (Website) zuständig für den Themenbereich Blockchain und digitale Assets. Zuvor war er als Abteilungsleiter bei WM Datenservice sowie im Wertpapier Backoffice verschiedener Banken tätig.
Dr. Cam-Duc Au ist Dozent an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Frankfurt am Main tätig. Hauptberuflich ist er als Manager Beteiligungen beim P. Keppler Verlag (Family Office) angestellt.
Es lässt sich anhand der Zahlen bestätigen, dass das eWpG und die KryptoFAV in der derzeitigen Verfassung bereits einen Großteil der emittierten und in Deutschland relevanten Wertpapiere volldigital unterstützt.”
Die Anteile der verschiedenen Formen der Inhaberschuldverschreibungen und der Fondsanteile summieren sich in allen drei Auswertungen auf weit mehr als 99,9 %. Auffällig ist hierbei die Anzahl der Neuemissionen von Aktien, die im Verhältnis zu den anderen Finanzinstrumenten sehr gering ausfällt und in der Untersuchung maximal 0,01 Prozent Anteil an den neuen Wertpapieren erreicht, die für die deutsche Wertpapierindustrie relevant sind.
Aktien sind gemäß aktueller Gesetzeslage noch nicht im eWpG inkludiert, gelten aber als zu erwartende und sinnvolle Ergänzung.”
So konstatiert Bundesminister Marco Buschmann im aktuellen Entwurf des sog. Zukunftsfinanzierungsgesetzes, dass man „das digitale Zeitalter […] auch für Aktien anbrechen lassen [werde]“ (Bundesministerium der Finanzen, 2022).
Diskussion und Ausblick: Zunehmende Nutzung der Kryptowertpapiere
In der aktuellen BaFin-Liste zu Kryptowertpapieren nach eWpG (Stand: 13.07.2023) können bislang lediglich 43 elektronische Wertpapiere verzeichnet werden (Bafin, 2023). Wird diese Anzahl mit den Emissionszahlen aus den untersuchten Datenbeständen für klassische Wertpapiere aus dem Jahr 2022 in Relation gesetzt, so wird das häufig in der Branche angesprochene noch vorliegende Potenzial evident.
Neben den in dieser Betrachtung herangezogenen Stückzahlen der Wertpapieremissionen dürften auch die dazugehörigen Emissionsvolumina eine Rolle spielen, die es noch näher zu untersuchen gilt.”
Hier zeigen jüngste Betrachtungen, dass die Emissionsvolumina im Kryptowertpapierbereich stark wachsen, jedoch noch sehr weit von den Volumina der traditionellen Märkte entfernt sind. (Wepex Unternehmesberatung, 2023)
Die Ausweitung des eWpG auf die populäre Produktkategorie Aktien stellt eine sinnvolle Ergänzung dar. Gleichwohl wird dieser Schritt vor dem Hintergrund der Größenordnung nicht als sogenannter „Game-Changer“ fungieren.”
Vielmehr kann angenommen werden, dass in Zukunft Emissionen von elektronischen Wertpapieren mit Fokus auf Optionsscheine und Zertifikate eine signifikantere Rolle einnehmen werden. Dass dies noch nicht geschehen ist, erklärt sich u.a. daraus, dass die entsprechenden Verordnungen erst wenige Monate alt sind und dass es sich um stark regulierte Finanzinstrumente mit hoher Komplexität handelt, bei denen grundlegende Änderungen i.d.R. mehr Zeit benötigen.
Eine breitere Verwendung von elektronischen Wertpapieren, insbesondere von Kryptowertpapieren, dürfte sich allein schon aufgrund der bereits mehrfach ermittelten Kostenvorteile bei der Emission einstellen (u.a. Finoa und Cashlink, 2020).”
Werden diese Kostenvorteile genutzt, so wird die Kapitalbeschaffung für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowohl im Eigen- wie im Fremdkapitalbereich attraktiver. Gleiches gilt für die „Verbriefung“ von heute für breite Anlegerschichten nicht oder nur schwer zugängliche Assets wie Immobilien, Kunstgegenstände, Oldtimer, Sneakers und andere Sammlerstücke.
Letztlich ist die Nutzung von Kryptowertpapieren – einer der beiden Ausprägungsformen der elektronischen Wertpapiere – ein wichtiger Schritt zur Eliminierung von Counterparty Risks im Wertpapiergeschäft, der durch die Nutzung des Atomic Swap, also des direkten Settlements beider Seiten des Wertpapiergeschäfts in T+ 0, möglich wird.
Zwar kann das Counterparty Risk durch die Nutzung von Central Counterparties (CCP) auch heute schon weitgehend reduziert werden. Für die Inanspruchnahme der CCPs fallen aber direkte und indirekte Kosten für die Hinterlegung und das Management der Sicherheiten an. Auch das T + 0 Settlement ist heute bereits im traditionellen Wertpapiergeschäft möglich, wird aber aufgrund vielfältiger technischer und organisatorischer Herausforderungen nur sehr zögerlich genutzt.
Das Hindernis des fehlenden Cash on Ledger bleibt vorerst weiterhin bestehen. Stablecoins können auch angesichts der verschiedenen Depegging Events (Depegging: Ablösen des Wertes des Stablecoins von der repräsentierten Fiat-Währung) der letzten Zeit diese Lücke nur unzureichend überbrücken. Jedoch versprechen die Markets in Crypto Asset Regulation der EU (MiCA), die noch in 2024 wirksam werden soll, hier Abhilfe.
Die Nutzung von Kryptowertpapieren wird aktuell zusätzlich begünstigt, da das DLT Pilot Regime der EU erstmals einen, wenn auch noch eingeschränkten, regulierten Handel in der EU erlaubt. (Europäische Union, 2022).”
Fazit: Noch geringe Adoption bei hohem Potenzial
Sobald die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen bei den großen Emittenten geschaffen sind, sind deutlich steigende Emissionszahlen bei Kryptowertpapieren zu erwarten.
Diese Tendenz zur Nutzung von Kryptowertpapieren wird durch das DLT Pilot Regime sowie die Regelungen der MiCa weiter begünstigt.Jürgen Weidmann und Dr. Duc Au
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