FinTechs weder relevant noch disruptiv, sagt Fidor-Bank-CEO Kröner. Was sagen andere Branchenkenner?
Zugegebenermaßen ist das Gespräch zwischen Matthias Kröner, CEO der fidor Bank, und Chris Skinner auf dem Innovate Finance Global Summit unterhaltsam, was nicht zuletzt mit den Thesen zu tun hat, die fidor CEO Matthias Kröner aufstellt. Im Grunde findet er FinTech-Startups weder disruptiv noch innovativ. Stimmt das? Wir haben die fünf meinungsstarken Branchenkenner von paymentandbanking.com gefragt.
André M. Bajorat
Ich mag ihn und seine Art und ja er hat Recht, der Matthias Kröner, wenn er das Disruptive im FinTech-Umfeld in Frage stellt. Das allerdings ist auch keine neue These, sondern wird durchaus von vielen in der Branche so gesehen.
Von daher hat FinTech eine wachsende Relevanz und diese wird weiter rasant zunehmen, da die Bank der Zukunft ein Softwarehaus sein wird. Und in diesem Softwarehaus werden FinTechs vermehrt und substanziell als Dienstleister und Partner eine Rolle spielen.”
Das dabei vorhandene und durchaus funktionierende Infrastrukturen genutzt werden, ist für mich zudem kein Widerspruch für Innovationen. Schauen wir z.B. auf die Payment-Welt: Auch PayPal hat keine neue Basis-Infrastruktur erfunden, sondern bestehende “Rails” genutzt. Das ist effizient, sinnvoll und keiner wird ernsthaft bezweifeln, dass PayPal keine Relevanz hat und frei von Innovation ist.
Das zudem ordnungspolitisch (Europa!) die Öffnung der Banken-Infrastrukturen für den Markt, also Dritte, gewünscht ist und mit PSD2 in ganz naher Zeit Realität wird, wird zudem nicht erwähnt. Das in dieser Öffnung eine Revolution für das Banking der Zukunft lauert, ahnen aktuell mehr und mehr Vertreter. Und das damit eine Banklizenz weniger Relevanz hat, ist auch klar. Aber – ich schweife ab…
Vielleicht ist das Ganze aber einfach auch nur eine kleine aber feine Spitze nach Berlin – aber da hat man aktuell wohl andere Themen, als das Video anzuschauen.
Maik Klotz
Was ist ein FinTech und was ist Disruption? Wenn man FinTechs auf Startups, Disruption auf Technologie, das Thema auf Banking und den Markt auf Deutschland reduziert, mag die These nachvollziehbar sein.
FinTech ist aber kein lokales auf Banking und Technologie reduziertes Phänomen, sondern findet global statt.”
Schaut man sich die FinTech-Branche an, ist natürlich nicht alles disruptiv oder relevant. Aber vieles. PayPal ist ein FinTech, die Entwicklung von PayPal kann sehr wohl als disruptiv bezeichnet werden und über die Relevanz von PayPal brauchen wir nicht zu sprechen. Auch in der jüngeren Geschichte gibt es relevante und disruptive FinTechs: Venmo in den USA zählt da genauso zu wie das chinesische Onlinebezahlsystem AliPay.
Was heißt überhaupt relevant? Number26 in Deutschland ist relevant, sonst würden heute nicht die traditionellen Banken daran arbeiten, eben dieses FinTech zu kopieren. Der Banking-Service Provider figo ist relevant, sonst würden nicht Startups wie Konzerne figo als Technologie einsetzen. Es ist überhaupt befremdlich, das der CEO einer “Web 2.0”-Bank, die APIs anbietet, Hackathons für Startups veranstaltet, damit diese die fidor API nutzen, genau diese als nicht relevant, nicht disruptiv und nicht innovativ bezeichnet. Ausgerechnet der CEO jenes Unternehmens, der seit 2009 weniger Kunden gewinnen konnte als Number26 in 12 Monaten. Matthias Kröner sagt im Gespräch beispielsweise, das eine App, die einer fremden Infrastruktur aufsetzt, keine Innovation sondern lediglich Schönfärberei ist und das es seltsam sei, dass FinTech-Startups die Infrastruktur von Banken nutzen, um mit Banken zu konkurrieren. Seltsam ist das vor allem vor dem Hintergrund, das fidor von der Schönfärberei anderer lebt wie die Kooperation mit Telefonica und O2 Banking zeigt.
Kilian Thalhammer
Eine Diskussion anheizen mit “provokanten” Aussagen regt erstmal die Diskussion an (und dass ist weder innovativ noch disruptiv, sondern einfach wichtig).
Die erste Frage, die sich mir stellt, ist… “Ist Fidor nicht auch ein FinTech ?” und wenn ja, ist es dann disruptiv & innovativ (ich finde ja…)…. aber anyway und der Blickwinkel mit dem man auf diese Frage schaut, ist sicherlich sehr wichtig. Aus Endkundensicht haben wir bestimmt eine Disruption und auch eine Relevanz (worunter sich aber jeder etwas anderes vorstellt und auch die Endkundenzielgruppe sich so zurechtschneiden kann, wie es einem passt). Hinter den Kulissen kochen viele auch nur mit Wasser und machen alle Fehler gleicher Güteklasse (n26 kündigt ein paar User und generiert ein Kommunikationsdebakel, die Deutsche Bank überweist doppelt, Telecash zieht zu viele Lastschriften etc.). Nur wie lange hat es gedauert, bis andere Disruptionen wirkliche Relevanz hatten?
Ich denke das Thema FinTech muss etwas konkreter gefasst werden…. wenn man darunter eine 12-24 Monate alte “deutsche Startup-Bude” nimmt, die sich im Bankingumfeld versucht, sind sicherlich einige Punkte durchaus valide (nur welche Bank stand nach 12-24 Monaten am Markt besser da?).
Wenn man Firmen wie PayPal, Adyen oder Stripe in die Kategorie der FinTechs einordnet, sind viele der Aussagen schlichtweg falsch.”
Die Aussage, dass ich die ganze Wertschöpfung beherrschen muss, um ein echter relevanter Player zu sein, sehe ich anders… Ich muss die Value Chain “schlau schneiden” und eine Banklizenz bringt jede Menge Ballast mit sich. Warum also muss ich mir das antun ? (v.a. in der Frühphase, wo ich erstmal “Markt machen muss”?).
Jochen Siegert
Jochen SiegertJochen Siegert ist Unternehmer, Speaker, Podcaster und Mentor im FinTech- und Payment-Umfeld. Er schaut zurück auf 15 Jahre Erfahrung und Führungspositionen im Zahlungsverkehr (MasterCard, PayPal, Bigpoint und KarstadtQuelleBank). Aktuell ist er Vorstand/COO der traxpay AG sowie im Advisoryboard bei Figo, FinLeap und Savedroid aktiv. Twitter: @jochensiegertErstens fällt mir seit langem auf, dass diejenigen Personen, die das Wort “disruptiv” so inflationär verwenden, selbst eher weniger disruptiv sind – aber das nur am Rande…
Sind FinTechs nun innovativ und relevant? Es kommt wie so oft auf den Blickwinkel an. Im Leben eines Otto-Normal-Kunden oder Unternehmens spielen FinTechs eine noch untergeordnete oder gar keine Rolle und sind somit nicht relevant. Wie auch? Die allermeisten FinTech-Startups sind nur wenige Monate alt, maximal wenige Jahre. Wie lange brauchten andere Startups für eine Relevanz in ihrem Segment? Was ist überhaupt “relevant” 20.000 Kunden? 100.000 Kunden? 1 Million oder mehr?
FinTechs haben bereits Relevanz, sonst würden Großbanken die angeblich “irrelevanten” FinTech-Modelle nicht kopieren oder mit ihnen Partnerschaften eingehen.”
Sind FinTechs innovativ? Auch darüber kann man geteilter Meinung sein. Wenn man das Kröner’sche O2-Fidor Bankkonto mit einem einfachen Frontend und Datenbooster als Kunden Kick-back für innovativ hält, dann sind viele FinTech-Ansätze innovativ. Aber setzt man höhere Maßstäbe an, fällt durchaus auf, dass viele FinTech-Modelle “nur” durch ein schickes Frontend hervorstechen. Innovativ dagegen wären andere, eher revolutionäre Modelle wie Bitcoin und Blockchain-Ansätze. Nur erfahrungsgemäß setzen sich die innovativsten Modelle und Revolutionen eher weniger durch und bekommen keine Alltagsrelevanz, sondern eher evolutionäre Modelle.
Direktbroker, die “ersten” FinTechs in den 90er/2000er Jahren, waren auch nur ein schickeres Frontend und Kanal zum Trading. Sie lösten das Trading über die klassischen Börsen sowie Depotführung auch nicht ab, was revolutionär gewesen wäre. Niemand wird heute jedoch die Innovation und Relevanz dieser Anbieter abstreiten.
Lasst die FinTechs an ihren Modellen arbeiten – etliche scheitern weil zu früh oder nicht innovativ genug, andere machen ihren Weg und werden etablierte Unternehmen, die dann Dienstleister oder Wettbewerber von Banken sind. Aber genauso wie FinTech nicht mehr weggeht, verschwinden die Banken nicht in 5 Jahren. Vielleicht sollten alle verbal ein wenig abrüsten und erst einmal ihre Hausaufgaben machen – sowohl die jungen Superstars, die sich selbst so gerne hypen und dabei das operative Klein-Klein mal schnell aus dem Auge verlieren, als auch die etablierten Banken, die das Thema nicht so wichtig nehmen wollen und sich in scheinbarer “Sicherheit” wägen.
Rafael Otero
Rafael OteroRafael Otero ist Unternehmer, Business-Angel und Mentor im Startup- und FinTech-Umfeld. Rafael schaut zurück auf über 10 Jahre Erfahrung im Payment Bereich, in denen er in Führungspositionen oder als Co-Founder aktiv war. Aktuell ist er Co-Founder bei payleven, der globalen Kartenakzeptanz-Lösung für KMUs. Twitter: @rotero Das Interview ist sehr anregend. Die Behauptung “alles” wäre nicht disruptiv ist wie solche Generalaussagen nunmal so sind nicht haltbar. Was ist denn überhaupt disruptiv? Disruptive innovation a la Christensen ist eine Innovation, die einen neuen Markt oder neue Technologien erschafft und bestehende Marktteilnehmer überflüssig macht und ersetzt. Bezogen auf FinTechs (und nicht nur Banking) ist damit die Behauptung “alles nicht disruptiv” vollkommen gerechtfertigt.
PayPal hat nicht die Banken ersetzt. ApplePay, AndroidPay und XYZ-Pay hat keine Kartenzahlung ersetzt. Square hat keine Kartenterminals ersetzt. Kreditkarten haben kein Bargeld ersetzt (die cashless society bleibt leider eine Utopie, auch wenn die nordischen Länder recht nah dran sind).”
Gehen wir einen Schritt weiter. Tesla hat keine Verbrennungs-Autos ersetzt. Uber hat keine Taxis ersetzt. Das iPhone oder Smartphones haben keine Mobiltelefone ersetzt (auch wenn es uns manchmal so vorkommt). Mobiltelefone haben keine Festnetztelefonie ersetzt.
Kurzum disruptive Innovation im Sinne der Definition ist äußerst rar. Allerdings wird keiner bestreiten wollen, dass alle die o.g. Innovationen jeweils eine neue Technologie “demokratisiert” haben und einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt haben, und es hat dem einen oder anderen bestehenden Marktteilnehmer das Leben schwerer gemacht. Nehmen wir die Beispiele Square, OnDeck oder Wealthfront aus den USA (wahlweise auch payleven, SpotCap oder Nutmeg als europäische Vertreter).
Square / payleven – gab es Kartenakzeptanz für den Klein- und Mittelstand auch schon vorher? Ja. Ist es jetzt dank dieser FinTechs einfacher und einer breiteren Masse zugänglich – auch ja! Werden die Banken aufhören, Kartenterminals zu vertreiben – mittelfristig vielleicht. Wird ein Verifone oder ein Ingenico verschwinden? Langfristig unwahrscheinlich. Disruptiv? Nicht nach der Definition.
OnDeck / SpotCap – gab es Mittelstandskreditfinanzierung auch vorher? Ja. Ist es jetzt dank dieser FinTechs einfacher und einer breiteren Masse zugänglich – auch ja! Werden die Banken aufhören Kreditfinanzierung zu vertreiben – mittelfristig vielleicht (die Banken in den USA haben sich hier keinen Gefallen getan, während der Finanzkrise diesen Bereich quasi komplett herunterzufahren aufgrund des vermeintlichen Ausfallrisikos). Disruptiv? Nicht nach der Definition.
Wealthfront / Nutmeg – gab es private wealth Betreuung auch vorher? Ja (schließlich haben wir diesem Bereich die Investmentbanken zu verdanken). Ist es jetzt dank dieser FinTechs einfacher und einer breiteren Masse zugänglich – auch ja! Werden die Banken aufhören, private wealth Betreuung anzubieten – nein. Disruptiv? Nicht nach der Definition (Wealthfront hat derzeit 7 Mrd. US-Dollar unter Management. Im Vergleich dazu hat Fidelity als eines der ältesten Institute in diesem Bereich 5.1 Trillionen US-Dollar unter Management).
Langer Rede, kurzer Sinn. Die provokante These ist richtig. Die Produkte der bestehenden FinTechs sind nicht disruptive Innovation.
Aber da wollte, glaube ich, jemand etwas anderes sagen :). Das nächste Mal dann aber bitte richtig formulieren.aj
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