Frankfurt will Berlin Kontra geben: Neue Visionen und Konzepte für den FinTech-Hub am Main
Schon im November bei der Euro Finance Tech hatte Staatsminister Tarek Al-Wazir das Ziel ausgegeben, Frankfurt zum Zentrum der wachsenden Finanztechnologie-Branche in Deutschland zu machen. Nun nehmen die ersten Pläne konkrete Formen an. Vergangenen Mittwoch (27. Januar) wurden sie im Präsidiumsgebäude der Goethe Universität vorgestellt.
von Gerd Reinkimm
Die Vorgeschichte ist kurz erzählt: Schon vorigen Dezember erfolgte durch eine Arbeitsgruppe die Aufforderung an interessierte Unternehmen und Institutionen, Grobkonzepte für die Umsetzung an das hessische Ministerium zu senden. Im Rahmen einer öffentlichen Präsentation und Diskussion wurden nun vergangen Mittwoch die ersten Ideen und Konzepte in der Frankfurter Goethe Universität vorgestellt. Die wichtigsten Köpfe der Frankfurter FinTech-Community waren Vor-Ort.Unser Ziel ist, dass möglichst noch in diesem Jahr ein erster Ort für Start-Ups in dieser aufstrebenden Branche entsteht. Mit seiner IT-Kompetenz und der Präsenz internationaler Banken hat das Rhein-Main-Gebiet beste Standortvoraussetzungen.“
Tarek Al-Wazir, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und LandesentwicklungDie Moderation übernahm Prof. Dr. Andreas Hackethal. Der Professor für Finanzen am House of Finance der Goethe Universität – ebenfalls Mitglied in der Arbeitsgruppe. Die Präsentationen erfolgten in drei Kategorien: Immobilie, Betreiberideen und Company Builder – präsentiert wurde in einem klassischen Pitch-Modus mit 10 Minuten Vortrag und 5 Minuten Q & A.
Die Immobilienideen
aurelius Real Estate
Den Anfang machte der Immobilienentwickler aurelius Real Estate. In seinem Konzept soll ein bestehendes Objekt aus seinem Portfolio in der Rödelheimer Straße als FinTech Community aus-, um- und aufbaugebaut werden. Um den „Flair“ der Startups zu treffen, wird im März ein Gestaltungswettbewerb zum Design ausgeschrieben und der Umbau soll Ende 2016 abgeschlossen sein. Frühester Einzugszeitraum wäre daher wohl Anfang 2017.
Frankfurt School of Finance: „FinTech Campus“
Erstaunlicherweise tauchte das Konzept „FinTech Campus“ der Frankfurt School of Finance ebenfalls in der Kategorie Immobilien auf. Der FinTech Campus soll Teil des neuen Campus II und der Campusmeile an der Adickesallee werden. Herzstück ist ein Bestandsgebäude auf dem Gelände der Frankfurt Scholl – das Prof. Steffens (Präsident der FS) vor dem Abriss bewahrt hat. Das Betriebskonzept bezeichnete er als einen offenen Investitions- und Finanzprozess in dem die FS als Immobilienbesitzer, Betreiber und Company Builder auftreten möchte. Über die Gründung einer Zweckgesellschaft soll eine Kooperation & Beteiligung durch Unternehmen möglich sein.
Tishman Speyer: „New High Rise“
Der letzte im Bunde der Immobilienkategorie war Tishman Speyer – die als klassischer Immobilienentwickler die Vision eines FinTech Innovation Center mit Kooperationspartnern aufzeigten. Tishman Speyer besitzt aktuell freie Kapazitäten im bestehenden Junghof und kann sich ebenfalls vorstellen, dass FinTech-Unternehmen einen Teil der Kapazitäten im neuen Projekt „New High Rise“ einnehmen. Das New High Rise soll bis zum Q4/2018 als erstes Mixed Use Hochhaus – inkl. Wohnungen mitten im Bankenviertel gebaut werden. Kein Hehl wurde daraus gemacht, dass Tishman auf Kooperationspartner angewiesen ist, da die Kernkompetenz im Immobilienbereich liegt.
Die Betreiberideen
In der Kategorie Betreiberideen präsentierten der Reihe nach Black Chili, Econsus, MainIncubator und Accelerator Frankfurt.
Black Chili: „Future Lab of Work“
Black Chili, die selber als Startup im Bereich Consulting seit 2014 in Frankfurt unterwegs sind, präsentierten unter den Labeln Start Zero und Flow „Future Lab of Work“ ihre Visionen für einen Hub. In einer Teils gewagten Zusammenstellung aus Finanzierungen, Mietvergünstigungen, Sponsoring Modellen und Beteiligungsoptionen wurde ein Sponsoring und ein Profit Modell beschrieben – Immobilienpartner ist unter anderem Tishman Speyer und neben den schon gezeigten Immobilien gäbe es die Möglichkeit, im Ostend eine Immobilie zu mieten.
Andreas Niessl von der Econsus Unternehmensberatung setzt bei seinem Cow-Or-King Club auf Co-Working und Elemente aus der Sharing Economy.
MainIncubator: „Theo 100 – it starts here“
Mit dem Label „Theo 100 – it starts here“ betrat als nächstes Christian Hoppe vom MainIncubator die Bühne. Das sich der MainIncubator und das Team um Christian Hoppe und Birgit Storz nicht erst seit Dezember mit der Idee eines FinTech-Hub in Frankfurt beschäftigen, war wohl allen in der Szene klar. Dies wurde insbesondere dadurch deutlich, dass neben einer Immobilie, einem Corporate Design auch eine Governance Struktur ausgearbeitet wurde und das MainIncubator-Konzept als das vollständigste auf der ganzen Veranstaltung erschien. „Ein FinTech-Hub muss eine Strahlkraft, ein lautes Standortmarketing und eine extreme Sichtbarkeit haben“, so Christian Hoppe.
Als Immobilie wurde daher das aktuell leerstehende Cielo auf der Theodor-Heuss-Allee gewählt. Die Theodor-Heuss-Allee liegt gegenüber der Messe und das Cielo hätte mit einer entsprechenden Außenwerbung eine ähnliche Sichtbarkeit wie das Level39 in London. Das Initiativteam für die Gründung von „Theo 100“ besteht neben dem MainIncubator aus dem Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle, dem Betreiber von großen Business Centern Agendis, Operation Butterfly, einer Branding- und Kreativagentur und Sabine Oster Innenarchitektin.
Neben dem Initiativteam braucht es in den Augen von Christian Hoppe allerdings auch weitere Sponsoren aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft – die sich zusammenschließen und ebenfalls auch eine Sichtbarkeit im neuen Theo 100 erhalten. Neben Juristen, VC´s, Beratern gäbe es in der Immobilie auch Platz für z. B. Regulatoren und Banken – die beispielsweise auch im Rahmen von Think Tanks oder temporären Projekten sich an dem Hub beteiligen.
Um die unterschiedlichen Interessen zu waren, sieht das Konzept eine Trennung in zwei Gesellschaften vor. Die Kosten für das Standortmarketing liegen indikativ bei ca. 600-700 T€ und jährlich bei ca. 1,4 Mio €. Die angestrebten Kosten für einen Arbeitsplatz liegen durch eine entsprechende Subventionierung bei ca. 200 Euro im Monat pro Arbeitsplatz. Gemäß der „Next steps“ stände einem Start von Theo 100 zum 01.07.2016 nichts im Wege.
Accelerator Frankfurt
In der Reihe Betreiberideen war S. Ram Shoham vom Accelerator Frankfurt der Einzige mit einem englischsprachigen Plädoyer. Das Thema: die Notwendigkeit von Accelatoren. Die Inhalte seiner Vorstellung treffen zu – leider war diese Veranstaltung der falsche Ort für eine reine Unternehmenspräsentation.
FinTechGroup
Letzter in der Reihe war die Präsentation der FinTechGroup, die unter der Rubrik Company Builder auftraten. Mit der biw Bank, der XComAG und dem FinLab hat die Gruppe ohne Frage seit vielen Jahren ein extremes Wissen im Bereich der FinTechs aufgebaut und stellt auch gerade zum Beispiel mit den White Label Lösungen der biw eine interessante Infrastruktur und viele sinnvolle Lösungen für FinTechs bereit. Eine wahrlich gute Ausgangsposition, aber leider war auch diese Präsentation eher im Bereich der klassischen Unternehmenspräsentationen angesiedelt und hatte keinen Bezug zum in der Einladung geforderten Kriterienkatalog.
Die Konzepte für ein FinTech-Zentrum waren recht unterschiedlich und von unterschiedlichen Interessen getrieben. Die besten Ideen sollten kombiniert werden. Wichtig ist aber jetzt, schnell den nächsten Schritt zu tun.“
Sven Korschinowski, Partner KPMG
“Silicon Valley of Europe” scheint gestorben?
Weder bei den Immobilien noch beim Betreiberkonzept war das “Silicon Valley of Europe” (wir berichteten) ein Thema. Das scheint wohl durch zu sein. Das ehemals äußerst ehrgeizige Projekt sollte rund 1 Mrd. Euro kosten.
Der nächste Schritt sind weitere Abstimmungen in Arbeitsgruppen mit der Stadt, mit FinTechs, mit Finanzplatzakteuren und Investoren. Die Zielsetzung ist ein möglichst breiter Konsens unter allen Beteiligten. „Wir werden zu klären haben, ob sich aus Sicht der FinTechs und Investoren ein Konzept aufdrängt oder mehrere Lösungen zusammengebracht oder moderiert werden sollten“, erläuterte Al-Wazir.
Es ist auch denkbar, dass diesem ersten Zentrum später weitere folgen. Die Strategie des Landes zielt auf ein Gesamtcluster FinTech ab, das auch verschiedene Zentren verbinden kann.“
Tarek Al-Wazir, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Fazit
Das Ziel noch in diesem Jahr einen Platz für Start-Ups zu schaffen, nimmt erste Formen an und sollte mit Nachdruck verfolgt werden. Auch vonseiten der FinTechs wird eine schnelle Entscheidung benötigt. Dazu wird eine Lösung aus Wissenschaft plus Immobilie benötigt – dann hätte Frankfurt auch eine Chance im FinTech-Wettbewerb mit anderen Großstädten.gr
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