Geldgeschäfte macht man mit der Bank? In Zukunft nur in Ausnahmefällen!
In den 50er Jahren bis weit hinein in die 70er Jahre hatten Banken eine ähnliche Position wie Ärzte – man wechselte sie einfach nicht. Die Schalterhallen waren groß und einschüchternd, die Öffnungszeiten eher kurz und Kundenorientierung ein Fremdwort. Erst in den 80er Jahren begann der Kunde selbstbewusst als solcher aufzutreten: Er forderte Service und wechselte bei Unzufriedenheit den Anbieter. Ein nachdenklicher Kommentar von Achim Himmelreich, Partner bei Mücke, Sturm & Company.
Mit dem Aufkommen des Internets wurde dieser Prozess noch einmal beschleunigt – neue Anbieter wie Cortal Consors, die Comdirect oder ING Diba gewannen als Direktbanken substantielle Marktanteile. Onlinebanking erwies sich schlichtweg als bequemer und nicht an Öffnungszeiten gebunden. Letztlich aber zogen die Platzhirsche, seien es nun die Sparkassen, die Volksbanken oder auch die privaten Banken nach, so dass heute mehr oder weniger online ein einheitlicher Servicelevel angeboten wird. Der Siegeszug des Onlinebanking wirkt jedoch wie ein Sturm im Wasserglas gegenüber dem Strukturwandel, der sich aktuell abzeichnet.Banken denken und handeln in überholter
Banking-Logik und nicht in Digitaler Logik
Achim Himmelreich ist Diplomkaufmann und seit 2006 bei Mücke, Sturm & Company. Seit Juli 2010 ist er Partner. Sein Schwerpunkt liegt bei strategischen Fragestellungen im E-Commerce mit Fokus auf die Etablierung neuer Märkte und Standards. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der strategischen Entwicklung und Positionierung im TIME-Markt, im E- und M-Commerce, bei der Entwicklung von Digitalstrategien für Medienunternehmen sowie im E-Payment. Außerdem ist er Vorsitzender der Fachgruppe E-Commerce und Mitglied des Expertenrats beim BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft).
Mobile und Social wird den Retailbankmarkt radikal verändern
Die Menschen haben sich daran gewöhnt, viele alltägliche Anforderungen mit dem Smartphone zu erledigen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie damit am Point-of-Sale auch bezahlen werden – Unternehmen wie Paypal, Square und in Zukunft auch die Giganten Google und Apple werden dafür sorgen. Und zwar auf eine Art und Weise, die der Kunde wünscht:
Einfach, schnell, sexy. Bisher waren alle diese Anbieter allerdings darauf angewiesen, dass der Kunde ein Bankkonto, eine Kreditkarte oder etwas Vergleichbares hinterlegt, so dass die orthodoxen Banken doch noch irgendwie mitverdient haben. Das wird sich in Zukunft ändern: Google hat schon eine Banklizenz, Facebook erwirbt sie gerade, Apple hat bereits von mehr als 800 Mio. Kunden die Bezahldaten und Newcomer wie Moven oder Fidor zeigen, wie mit Innovation Banking leichter geht und Spaß macht.
Retail Banking der Zukunft wird nicht von Retail Banken gemacht
Längst ist das Smartphone zum Steuerungsinstrument unseres digitalen Lebens geworden. Wer das Smartphone und seine digitale Logik beherrscht, wird die Märkte beherrschen, durch die der Kunde mit seinem Smartphone navigiert. Retail Banking wird der Kunde daher in Zukunft mit seinem Smartphone erledigen. Er wird Peer-2-Peer-Transfers erwarten, einen personalisierten Finanzberater und vieles mehr. Digital wäre es bereits heute möglich, seinem Kind Geld auf sein Smartphone zu transferieren, das es nur im Buchhandel ausgeben kann und nicht am Kiosk.
Solche Services und viele andere werden die Bezahlvorgänge in Zukunft verändern und entscheiden, wer sich beim Retail Banking durchsetzt. Wer wird das sein? Wohl kaum die Banken, denn sie denken und handeln immer noch in überholter Banking-Logik und nicht in Digitaler Logik. Sicher wird es die eine oder andere Bank geben, die sich im Zuge einer umfassenden digitalen Transformation neu erfindet.
Aber die Erfahrung aus der Geschichte umwälzender Transformationsprozesse zeigt, dass dies eher die Ausnahme sein wird. Retail Banking bleibt – nur wird es in Zukunft selten von Retail Banken abgewickelt werden.
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