Heiße Phase der Ethereum-Transformation erfolgreich gestartet
Ethereum, die zweitgrößte Kryptowährung nach dem Bitcoin, steht vor einem Wechsel des Validierungskonzeptes: Statt mit Proof of Work (PoW) soll künftig mit Proof of Stake (PoS) die Gültigkeit von Transaktionen bestätigt werden. 99,95 Prozent weniger Energieverbrauch und eine bessere Skalierbarkeit sprechen für den Umstieg. Doch es ist fraglich, ob alle beteiligten Akteure mitziehen.
Mehrere Jahre bereiteten die Ethereum-Community den Wechsel vor, immer wieder gab es Verschiebungen. Nun wird es tatsächlich Ernst. Am 6. September wurde das Bellatrix-Update gestartet und offensichtlich von großen Teilen der Miner angenommen. Die Beobachtungsseite https://ethernodes.org/merge wies zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels 76,1 Prozent der verfügbaren Nodes als bereit für den Wechsel zum Proof-of-Stake-Konzept auf. Dass die Zahl im Verlauf wieder abnimmt, liegt an einem zweiten Kriterium: der Node muss „gesynct“ sein, darf also maximal 10 Transaktionen hinter der aktuellen Blockchain zurückliegen.
Dass die Aufmerksamkeit für die Umstellung von Ethereum auf das neue Validierungsverfahren „Proof of Stake“ so hoch ist, liegt nicht nur an der Kapitalisierung. Die Ethereum-Blockchain ist auch eines der meistgenutzten digitalen Assets am DeFi-Markt. Die Ethereum-Blockchain war von Anfang an auf die Umsetzung von Smart Contracts ausgerichtet und hat sich damit zu einem bevorzugten Werkzeug für dezentrale Finanzanwendungen entwickelt.
Der aktuelle Stand
Mit diesem Update wurde auf Ebene der Beacon-Chain der „Execution Payload“ installiert. Damit sind auf dem Consensus Layer die Voraussetzungen geschaffen, dass die Validierer nach dem finalen Schritt mit ihrer Arbeit nach dem Proof-of-Stake-Verfahren beginnen können.
Dieser Schritt wird voraussichtlich am 15. September erreicht. Ausgelöst wird das sogenannten Paris-Update, das den Wechsel auf dem Execution-Layer vollzieht, wenn die Gesamtschwierigkeit (Terminal Total Difficulty, TTD) den Wert 58.750.000.000.000.000.000.000 erreicht. Dies wird der letzte Block sein, der per Mining verarbeitet wird, der nächste dann per PoS. Die gesamte Krypto-Community ist gespannt auf das Ergebnis. Die derzeitige Hochrechnung anhand der aktuellen Hashrate lässt die Umstellung für den 15. September erwarten.
Etwas mehr als 12 Minuten nach dem Paris-Update sollte diese Bestätigung eingehen – wenn der Wechsel tatsächlich problemlos funktioniert. Um die Community zur Fehlersuche zu inspirieren, werden für Meldungen bis zum 8. September die Bonus-Zahlungen aus dem Bug-Bounty-Programm um den Faktor 4 angehoben – bis maximal 1 Million Dollar.
Die Vorteile der Transformation
Der Wechsel von PoW zu PoS, üblicherweise als „The Merge“ bezeichnet, hat mehrere Vorteile. An erster Stelle ist der geringere Energie-Aufwand zu nennen. Das Schürfen von Ether-Coins verbraucht derzeit etwa so viel Strom wie das gesamte Land Österreich. Das liegt am PoW-Konzept: Dabei berechnen zahlreiche Miner parallel den nächsten Block – aber nur der schnellste kommt zum Zug, die anderen haben umsonst gearbeitet.
Proof of Stake ist dagegen eher mit einer Lotterie vergleichbar. Es wird aus dem Pool der Validierer einer ausgewählt, der die nötigen Berechnungen vornimmt. Validierer müssen eine bestimmte Zahl an Coins hinterlegen, um berücksichtigt zu werden. Je mehr Coins, um so höher die Wahrscheinlichkeit, zum Zug zu kommen. Dadurch, dass nicht mehr parallel gerechnet werden muss, soll der Eenrgieaufwand um 99,95 Prozent sinken, so die Ethereum-Betreiber.
Keine Einschränkungen soll es bei der Sicherheit geben. Wer versucht zu manipulieren, verliert einen Teil seiner Coins und wird aus dem Kreis der Staker ausgeschlossen. Auch andere, kleinere Kryptowährungen nutzen bereits erfolgreich das PoS-Konzept, namentlich Binance Coin (BNB), Cardano (ADA), Solana (SOL), Polkadot (DOT) und Avalanche (AVAX).
Der Umstieg auf PoS ist zwar eine einschneidende Veränderung der Ethereum-Blockchain, aber noch nicht das Ende der Entwicklung. Vitalik Buterin, Mitgründer und konzeptioneller Vordenker des Blockchain-Netzwerks Ethereum, schätzt, dass mit „The Merge“ rund 55 Prozent der geplanten Arbeiten abgeschlossen sind.
Im Laufe der kommenden 18 Monate sollen insbesondere Maßnahmen getroffen werden, die die Skalierbarkeit des Netzwerks verbessern. Das ist auch dringend nötig. Denn immer wieder kommt es zu Verzögerungen bei der Abarbeitung von Aufträgen. Dann steigen die Transaktionsgebühren („Gas“) steil an – wie jüngst im „Gas-Krieg“ bei einer großen NFT-Auktion, die dazu führte, dass die „Gas“-Kosten höher lagen als die Preise für das gekaufte Objekt. Zum Teil scheiterten deshalb Transaktionen, weil die NFT-Kunden nicht genug Coins in der Wallet hatten, um die Summe aus abgegebenem Gebot und der unerwartet hohen Transaktionsgebühren zu begleichen.
Weitere Zersplitterung möglich
Nach einem Hack 2015 gab es in der Ethereum-Community eine intensive Debatte, wie mit dem Diebstahl umzugehen sei. Die eine Seite wollte die Blockchain auf den Stand vor dem Hack zurücksetzen, die andere wollte keinen Präzedenzfall für Eingriffe schaffen. Letztlich spaltete sich die Ethereum-Gemeinde auf, in einem Hard-Fork entstand „Ethereum Classic“, eine Blockchain, in der der Hack rückgängig gemacht worden war. Diese wurde zwar von der Mehrheit der Mitglieder getragen – rund 87 Prozent hatten dafür gestimmt. Sie repräsentierten jedoch weniger als 95 Prozent der ausgegebenen Ether-Coins. So führte Ethereum Classic in den vergangenen Jahren eher ein Schattendasein. Die Kapitalisierung dieser Blockchain beträgt rund 700 Millionen US-Dollar, während Ethereum auf rund 22 Mrd. US-Dollar kommt sowie mehr als 1.900 Anwendungen und knapp 3.500 Apps, die die Blockchain nutzen.
Nun könnte eine weitere Spaltung bevorstehen. Einige Betreiber wollen am PoW-Konzept festhalten und in einem weiteren Hard-Fork eine eigene EthereumPoW-Blockchain kreieren. Einige Akteure, darunter mehrere Kryptobörsen, haben bereits Unterstützung für einen solchen Schritt signalisiert. Andere werben dafür, dass die Miner, die durch den Wechsel zu PoS quasi „arbeitslos“ werden würden, nun in den Kreis von Ethereum Classic zurückkehren sollen, um deren Leistungsfähigkeit und Attraktivität zu verbessern. Wie sich die Community sortiert, und welche Akzeptanz die unterschiedlichen Ether-Derivate erfahren, wird sich sicherlich erst nach einigen Monaten abzeichnen.
Community und Behörden warnen
Zeitweise war die Umstellung mit dem Begriff Ethereum 2.0 (ETH2.0) verknüpft gewesen. Doch davon hatte sich die Community Anfang des Jahres verabschiedet (IT-Finanzmagazin berichtete). So sollte einer Verwirrung vorgebeugt werden, denn es gibt keine Ethereum 1 und 2 nebeneinander.
Doch genau diesen Aspekt versuchen Kriminelle auszunützen. Deshalb warnen sowohl die Ethereum-Macher als auch Verbraucherschützer und Polizei, dass es im Umfeld von „The Merge“ zu verstärkten Betrugsversuchen kommen könnte. Insbesondere der Umtausch oder die Verlagerung zu speziellen Börsen und Wallets wird von Cyberkriminellen propagiert. Dabei müssen Ether-Besitzer sich keine Sorgen machen – sie sollen im Idealfall von der Umstellung nichts mitbekommen. hj
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