IFZ-Studie Zukunft der Kernbankensysteme: Open APIs sind bereits der viertwichtigste Entscheidungsgrund
Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) hat die Zukunft der Kernbankensysteme bei Schweizer Banken erforscht. Die Studie basiert auf einer Umfrage bei Banken, einer Vielzahl von Interviews mit Vertretern von Banken, FinTechs, Systemanbietern, IT-Betreibern und Beratern sowie einem Workshop mit dreißig Experten. Nachfolgend die wichtigsten Erkenntnisse.
von Dr. Urs Blattmann, Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ)
Vor dem Hintergrund größerer technologischer Veränderungen aber auch wachsender strategischer Herausforderungen für Banken etwa im Bereich Digitalisierung und neuer Geschäftsmodelle stellt sich die Frage, wie sich die IT der Banken und damit auch deren Kernapplikation verändern wird. Wie beurteilen Experten von Banken, Herstellern, IT‐Betreibern und Beratungsunternehmen die aktuelle Situation rund um die Kernbankensysteme? Welche Anforderungen stellen Banken im Hinblick auf die Zukunft? Und wie ist die Bereitschaft, einen möglichen Systemwechsel in die Wege zu leiten? Diese und ähnliche Fragen haben uns bewogen, eine Studie zu erarbeiten.Weiterhin hohes Vertrauen in Anbieter von Kernbankensystemen …
Schweizer Banken haben weiterhin großes Vertrauen in die Anbieter von Kernbankensystemen. Zwei Drittel der Institute gehen davon aus, dass ihr bestehendes Kernbankensystem neue Geschäftsmodelle unterstützen kann, während nur ein Drittel der Banken dies den bestehenden Systemen nicht zutraut.
Im Weiteren geht ein Drittel der Banken davon aus, dass sie auch in zehn Jahren noch mit dem aktuellen Anbieter des Kernbankensystems zusammenarbeiten werden.”
… aber auch Wechselerwartungen
Andererseits erwarten zwei Drittel der Banken, in den nächsten zehn Jahren einen Systemwechsel vollziehen zu müssen. Dies zeigt, dass es doch beträchtliche Zweifel gibt, ob die aktuellen Anbieter auch in Zukunft eine Lösung anbieten können, die state-of-the-art ist.
Für die Hersteller von Kernbankensystemen bedeutet dies einerseits, dass sie weiterhin auf eine stabile Kundenbasis zählen können. Andererseits müssen sie die Kritikpunkte bezüglich fehlender Offenheit des Systems, mangelnder Flexibilität und veralteter Technologie ernst nehmen und diese rasch beseitigen. Anderenfalls haben neue Anbieter die Chance, mit ihren Systemen Marktanteile zu erobern.
Wechselkriterien: Langfristige Vorteile und fehlende Perspektiven mit bisheriger Lösung
Welches sind für Banken in der Schweiz die entscheidenden Kriterien, die sie zu einem Wechsel des Kernbankensystems veranlassen würden? Wie Abbildung 1 zeigt, enthalten diese sowohl Erwartungen an eine neue Lösung als auch solche an die bestehenden Anbieter:
Die Interpretation dieses Feedbacks lässt den Schluss zu, dass der bisherige Anbieter einen Wechsel verhindern kann, sofern er seinen Kunden eine gute Perspektive aufzeigen und deutliche Fortschritte bei der Elimination von Schwächen vorweisen kann. Die Anbieter von neuen Lösungen hingegen sind in der Pflicht, den Banken signifikante Vorteile bieten zu müssen und deren wichtigste Probleme aus dem Weg zu räumen. Dies zeigt, dass derzeit noch keineswegs entschieden ist, wie sich der Markt für Kernbankensysteme in Zukunft präsentieren wird.
Gewichtung von Anforderungskriterien an ein Kernbankensystem
Die Banken gewichten die unterschiedlichen Aspekte von Kernbankensystemen wie folgt:
Sowohl die als wichtigste Stärke der aktuellen Kernbankensysteme genannte Stabilität als auch die als grösste Schwäche genannten Kosten, erscheinen dabei zuoberst in der Rangliste. Im Weiteren sind die Informationssicherheit aber auch die Offenheit via APIs für Banken sehr wichtig. Auch Flexibilität und die Modularität der Architektur haben einen hohen Stellenwert. Unvermindert wichtig ist auch eine breite Abdeckung der Funktionalität.
Erkenntnisse bezüglich des bevorstehenden Transformationsprozesses
Die Banken stehen an der Kundenschnittstelle unter Druck, Open Banking muss realisiert werden, Ökosysteme bieten neue Vertriebschancen und branchenfremde Unternehmen sind interessiert, Bankleistungen in ihre Prozesse einzubinden. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Banken vermehrt die Frage stellen müssen, ob ihre IT-Landschaft und damit auch das Kernbankensystem für die Zukunft gerüstet ist. Die Banken stehen vor der Herausforderung, wie sie ihre IT-Landschaft so erneuern können, dass sie strategischen Handlungsspielraum zurückgewinnen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie besteht darin, dass der Transformationsprozess in die Zukunft nicht mehr so ablaufen wird, wie bei der Einführung der bestehenden Kernbankensysteme, welche bei der Mehrzahl der Institute in der Schweiz vor knapp 20 Jahren mit einer Big Bang Migration erfolgte. Vielmehr ist von einer kontinuierlichen Transformation auszugehen, wie die Abbildung 2 aufzeigt. Ziel dieser Transformation muss es sein, schrittweise eine modulare, offene und damit flexible Bankenplattform einzuführen.
Dieser Weg in die Zukunft kann entweder gemeinsam mit dem bisherigen Anbieter des Kernbankensystems oder einem neuen Partnernetzwerk beschritten werden. In der Studie werden dazu drei mögliche Strategien aufgezeigt, die sich aber je nach der konkreten Situation einer Bank auch kombinieren lassen.
Nach Einschätzung der Autoren wird sich der zukünftige Erfolg von Kernbankensystemen vor allem daraus ableiten, wie erfolgreich die einzelnen Player die wichtigsten drei Herausforderungen meistern:
- Offenheit und Modularität,
- Kostenreduktionen und Pricing per Use,
- Realtime-Daten und permanente Verfügbarkeit.
Die Entwicklung zu flexiblen Bankenplattformen erfordert daher von den Anbietern von etablierten Kernbankensystemen eine vollständige Öffnung ihrer Systeme und die Bereitstellung von Funktionalitäten in Modulen. Neo-Kernbankensystem-Anbieter werden voraussichtlich auf Module von Drittanbietern angewiesen sein, um die Modularität umzusetzen. Kosteneinsparungen und die Übertragung dieser Vorteile auf die Kunden sind von großer Bedeutung, wobei mittel- bis langfristig das Pricing per Use wahrscheinlich die Norm sein wird. Die permanente Verfügbarkeit und Bereitstellung von Realtime-Daten wird zur Norm werden, so dass sich auch die Anbieter von Kernbankensystemen dieser Entwicklung anschließen werden.
Empfehlung der Autoren
Die Autoren der Studie empfehlen Banken, aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse sich auf die folgenden drei Ziele zu fokussieren:
- Erhöhung der Agilität,
- Gewinnung von Handlungsfreiheit und Flexibilität in der technischen Umsetzung,
- Erreichung von Stabilität im Betrieb wie auch Dynamik in der Entwicklung.
Zur Erhöhung der Agilität müssen Banken ausgetretene Pfade verlassen und eine zukunftsorientierte Denkhaltung einnehmen. Auch die Organisation und Zusammenarbeit mit Partnern muss darauf ausgerichtet werden, gleichzeitig einen stabilen Betrieb und eine dynamische Entwicklung zu gewährleisten. Um Veränderungen in der Geschäftsstrategie schnell und einfach in den Systemen der Bank abbilden zu können, müssen Banken auch bei der Entwicklung und Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen deutlich agiler werden. Dies erfordert eine höhere Flexibilität und Handlungsfreiheit. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sollten denn auch eine Vorbildfunktion bei der Erreichung höherer Agilität wahrnehmen.
Die vorliegende Studie zeigt, dass sich sowohl Banken als auch Anbieter von Kernbankensystemen auf einen Transformationsprozess einstellen müssen. Bei den Banken sind dabei nicht nur in der Informatik Anpassungen erforderlich.”
Die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen auf der strategischen und operativen Ebene ist die vordringlichste Aufgabe der Führungsverantwortlichen in Finanzinstituten. Denn erst auf dieser Grundlage kann der Transformationsprozess zu einer flexiblen Bankenplattform erfolgreich gestaltet werden.
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Die IFZ Studie Zukunft der Kernbankensysteme ist hier kostenlos verfügbar: Banking Services – Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ (hslu.ch).Dr. Urs Blattmann, Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ)
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