FINTECH9. März 2020

Hepster: „InsurTechs haben die Technologie, klassische Versicherungen die Marktmacht“

Das Hepster -Team
Hepster

Die InsurTech-Szene hat eine Vielzahl an neuen Tarifmodellen und Innovationen hervorgebracht, die früher undenkbar waren: Befristete Versicherungen, die teilweise taggenau abgerechnet und gekündigt werden können, Verträge, die sich quasi im Handumdrehen auch spontan abschließen lassen und Vertriebsmodelle über spezielle Partner aus der produzierenden Industrie. All das hat mit einem veränderten Verständnis der Branche zu tun – und mit Unternehmen wie dem Rostocker Start-up Hepster, das vieles anders machen will. IT-Finanzmagazin hat mit den drei Gründern gesprochen.

Zwar kann man via Hepster (Website) auch eine klassische Unfall- oder Haftpflichtversicherung bekommen, bekannt ist das Unternehmen aber vor allem für spezielle Versicherungen wie für das E-Bike, das Snowboard oder die Tauchausrüstung – und für das datengetriebene Ökosystem, das einerseits über einen eigenen Webshop, aber auch über Kooperationspartner vertrieben wird.

IT-Finanzmagazin sprach mit den drei Hepster-Gründern Christian Range, Alexander Hornung und Hanna Bachmann. Sie erklärten uns, warum eine vollständig digitalisierte Versicherung mehr als nur die Antragsstrecke betrifft, warum Spontan-Versicherungen nicht nur ein Thema für junge technikaffine Kundengruppen sind und wo sie die InsurTech-Szene in einigen Jahren sehen.

Wenn ein Unternehmen eine befristete Versicherung verkauft, dann ist das doch ein Risiko. Sie akquirieren ja quasi nur für einen begrenzten Zeitraum – anders als früher, wo sowas ja oft über Jahrzehnte lief, wenn der Kunde einmal abgeschlossen hatte. Wieso rechnet sich das?

Im Interview: Die drei Gründer von Hepster
Das Hepster -Team
Hepster

Die drei Gründer Christian Range (CEO), Alexander Hornung (General Manager) und Hanna Bachmann (COO) haben die Idee für Hepster (Website) zwar nicht in einer Garage entwickelt, aber immerhin an Christians Küchentisch. Im Mai 2016 wurde das Unternehmen gegründet, wobei Christian und Alexander jeweils rund 15 Jahre Erfahrung in der Versicherungswirtschaft einbringen konnten. Ein Jahr später stand die erste Website, heute beschäftigt das InsurTech-Start-up in Rostock gut 30 Mitarbeiter, hat mehr als 150 Partner und über 5.000 Kunden.

Als wir mit unserem Abomodell 2018 an den Start gegangen sind, war diese Form der Laufzeit auch für uns ein Experiment. „Versicherungen nutzen wie Netflix“ hat aber von Anfang an erstaunlich gut funktioniert. Die Kunden entscheiden sich in einem Drittel der Fälle im Webshop für diese Möglichkeit und bleiben auch sehr viel länger dabei, als wir ursprünglich angenommen haben. Wir glauben, dass der generelle Trend zu Sharing, Leasing und Renting genau diese Lösungen braucht, wie wir sie anbieten. Beim Mieten eines Fahrrades möchte ich schließlich nicht Wochen später Post von der Versicherung bekommen und dann einen Überweisungsträger ausfüllen müssen. Der eine oder andere mag sich ja noch an die Zeiten erinnern.

Da Sie gerade auf ältere Zielgruppen anspielen – wer nutzt denn eine solche rein digitale Lösung? Da gibt es doch sicher Unterschiede in der Akzeptanz bei den unterschiedlichen Kundentypen, etwa in Hinblick auf Altersgruppen?

Davon sind wir zunächst auch ausgegangen. Die Kernzielgruppe beispielsweise unseres Webshops haben wir zunächst in einem Alter zwischen 20 und 35 Jahren gesehen. Mittlerweile werden unsere Produkte aber auch sehr häufig von der Generation 60+ gebucht. Das zeigt uns ganz eindeutig, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, was die Optimierung und vor allem Vereinfachung und transparente Gestaltung der Customer Journey angeht. Ähnlich ist das übrigens auch bei den Endgeräten: Unsere Kunden im Webshop buchen zu ca. 60% über das Smartphone oder das Tablet.

Welche Herausforderungen zur Absicherung bringt denn eine digitale Antragsstrecke mit sich? Könnte da in Zukunft die Blockchain eine Rolle spielen?

Die Blockchain ist eine Technologie wie viele andere. Hepster bedient sich bei der Umsetzung und kontinuierlichen Verbesserung aller Prozesse vieler Technologie-Stacks für unsere Infrastruktur. Bis jetzt hat sich kein Anwendungsfall ergeben, in dem Blockchain einen relevanten Vorteil für Kunden oder für die Geschäftsprozesse unserer Partner bietet. Der digitale Antrag ist zudem ja nur die halbe Wahrheit. Die Wertschöpfungskette geht deutlich weiter – vom Bezahlen über die Policierung bis hin zur Schadensmeldung und -regulierung. Hier setzen wir in Zukunft vermehrt auf die Erfahrungen im Bereich KI, die uns helfen werden, eher technisch als personell zu wachsen.

Die Antragsstrecke ist ja das eine… aber wenn der Schaden da ist und es um Schadensmeldung und -abwicklung geht, hat der Kunde dann weiterhin die Einfachheit seiner App oder die Briefwechsel mit Versicherungsunternehmen, die jeden Schaden abbiegen wollen?

Nein – keine Briefe. Bei uns laufen alle Schadensmeldungen digital, auch die Schadensregulierung läuft mittlerweile zum Großteil automatisiert. Diese übernehmen wir bei den meisten Versicherungsprodukten mittlerweile sogar selbst und haben deshalb Einfluss auf Qualität und Geschwindigkeit. Unser Anspruch ist, dass der Kunde neben der digitalen Meldung auch sehr kurzfristig einen klaren Weg aufgezeigt bekommt, wie die Regulierung voranschreitet.

Sehen Sie als InsurTech einen Unterschied im Hinblick auf das Vertrauen, das Ihnen Kunden entgegen bringen?

Dazu haben wir vor einiger Zeit eine sehr interessante Studie gemacht. Von den Befragten hatten mehr als ein Drittel schon mal eine Versicherung bei einem InsurTech abgeschlossen. Überzeugen konnten die InsurTechs vor allem durch attraktive Preise (81 Prozent) aber auch durch Leistungen (76 Prozent) sowie der Möglichkeit der schnellen und einfachen Buchung (62 Prozent). Nichtsdestotrotz: Versicherungen verkaufen sich nur durch Vertrauen. Dieses Vertrauen lässt sich in den seltensten Fällen mit viel Marketingbudget (über das die meisten InsurTech-Startups sowieso nicht verfügen) einkaufen. Vertrauen lässt sich nur aufbauen: Durch guten Service auch im Schadensfall, durch persönliche Weiterempfehlungen und durch die Zusammenarbeit mit starken, bekannten Marken.

Versicherungen verkaufen sich durch Vertrauen – und das lässt sich nur langfristig aufbauen. Noch haben die klassischen Versicherungsunternehmen hier Vorteile, aber darauf sollten sich die Konzerne nicht verlassen.“

Da haben die klassischen Versicherungsunternehmen durch ihre jahrzehntelange Markttätigkeit und ihren hohen Wiedererkennungswert natürlich Vorteile. Dieser Vorteil wird in den kommenden Jahren aber deutlich schrumpfen – darauf sollten sich die Konzerne nicht verlassen.

Im Moment läuft es gut für viele InsurTechs: Es gibt ein großes Interesse der Versicherungen und viel Zutrauen in die Start-ups. Würden Sie sich einen Blick in die Zukunft zutrauen? Wo stehen wir versicherungstechnisch in zwei, drei Jahren? Was sind die Trends?

In diesem sehr kurzen Zeitraum wird sich grundsätzlich nicht sehr viel am Status Quo ändern: InsurTechs haben die Technologie, die Ideen und die Flexibilität, klassische Versicherungsunternehmen haben die Kunden und die Marktmacht. Dieses Gefüge wird sich voraussichtlich nur sehr langsam verschieben – aber es wird sich verschieben. Das Konzept „Add-On-Versicherungen“ wird in seiner Relevanz mit Sicherheit steigen – die Produkte müssen näher an den Kunden und in seinen Lebensraum vordringen. Neue Risiken werden sich aus der fortschreitenden Digitalisierung sowie Trends wie Mobilität und Nachhaltigkeit ergeben und dafür braucht es Lösungen, die vermutlich eher von InsurTechs geschaffen werden als von der klassischen Versicherungsbranche.

Frau Bachmann, Herr Range, Herr Hornung, herzlichen Dank für dieses Gespräch. tw

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