KI ist Trend im Conversational Banking: Temenos-CDO Mistry wirft einen Blick in die nicht zu ferne Zukunft
Im Privatkunden-Banking sind viele Geschäftsprozesse Routinen – und was Routine ist, sollte im IT-Zeitalter möglichst automatisiert werden. Die ersten Geldautomaten (Ende der 60er Jahre in Großbritannien) waren praktisch die Geburtsstunde des SB-Bankings. Ziel war es vor allem, die Kundenberater in den Filialen von einfachen Aufgaben mit geringer Wertschöpfung zu entlasten und ihnen mehr Zeit für persönliche Beratung der Kunden einzuräumen. Etwa zeitgleich wurde auch damit begonnen, die Arbeitsplätze mit textbasierten Terminals auszustatten und damit zu „computerisieren”. In den 80er Jahren startete der Siegeszug des Telefon-Bankings und die ersten PCs mit grafischen Benutzeroberflächen fanden ihren Weg in die Banken. Heute kommt das Conversational Banking als logischer nächster Schritt. Der Blick in die nahe Zukunft
von Dharmesh Mistry, Chief Digital Officer, Temenos
Bei einzelnen Internetbanken nutzen bereits mehr als 50 Prozent der Kunden mobile Geräte für ihre Bankgeschäfte. Jetzt schickt sich die nächste Technologie an, das Banking zu revolutionieren: Conversational Interfaces. Was ist Conversational Banking? Im Prinzip stellt Conversational Banking einen neuen Kanal für SB-Banking bereit.
Aus technischer Sicht stellt Conversational Banking eine bi-direktionale Schnittstelle zwischen Kunden und Bank dar. Eine Konversation kann von jedem Teilnehmer über Sprache, Text oder Bild gestartet werden.”
Als Kommunikationskanäle kommen Texte (bspw. SMS), Chatbots, Sprachassistenten wie Alexa oder Siri, Roboter und Avatare oder auch ASL (Automated Sign Language, Übertragung von Gebärdensprache in Text und umgekehrt) in Frage.
Antworten seitens der Bank werden maschinell generiert, können aber auch automatisch an Mitarbeiter delegiert werden, wenn ein Gespräch schwierig oder sensibel wird. Um dies zu erkennen, ist eine leistungsfähige künstliche Intelligenz im Hintergrund aktiv.
Conversational Banking – besser als Apps!
Verglichen mit den Möglichkeiten und Funktionen typischer Apps haben Conversational Interfaces eine Reihe von Vorteilen, darunter vor allem die Benutzerfreundlichkeit und Einheitlichkeit in der Bedienung. Bei Apps treffen die Kunden auf eine enorme Vielfalt an unterschiedlichen Designs, Funktionen und einer immer anderen Navigation – bei jeder neuen App ist ein Umlernen erforderlich. Dabei muss vor allem der Kunde sich an die App anpassen. Diese Einschränkungen bestehen bei Conversational Interfaces nicht mehr. Stattdessen können die Kunden in ihrer eigenen Sprache mit dem System interagieren. Dies ist – wenn es gut programmiert ist – in der Lage, Anfragen zu verstehen und umzusetzen, egal wie sie formuliert wurden.
Sprachverarbeitung macht den Unterschied
Aktuell existieren in dem Umfeld zahlreiche Conversational-Plattformen und Entwicklungswerkzeuge, die beim Aufbau eines Conversational Interface helfen können. Während einige Plattform-Anbieter mit proprietären Technologien arbeiten, setzen Lösungen von Drittanbietern zunehmend auf Multi-Plattform-Entwicklung. Im Zentrum steht dabei die Sprachverarbeitung, die sich aus zwei Komponenten zusammensetzt: Spracherkennung und Sprachausgabe. Gerade im Banking-Umfeld ist hier Präzision ein wichtiger Faktor, um Vertrauen in die Nutzung aufzubauen. Bei der Wahl eines Service-Anbieters sollten Faktoren beachtet werden wie die Effektivität bei der Verarbeitung und Berücksichtigung unterschiedlicher Sprachen, das Herausfiltern von Hintergrundgeräuschen und die Erkennung von Akzenten. Ein Conversational Interface, das mit diesen Herausforderungen zurechtkommt, wird Kunden besser helfen sowie effektiver und genauer auf ihre Fragen antworten können.
Auch die Qualität der Sprachausgabe ist ein wichtiger Faktor. In der Vergangenheit klangen die künstlichen Helfer unnatürlich und abgehackt. Heute ist die Ausgabe bei vielen Anbietern bei Weitem gleichmäßiger und kommt natürlicher Sprache erheblich näher.
Ein wichtiger Faktor bei der Erschaffung eines Conversational Interface ist die Möglichkeit, den Output zu personalisieren. Unternehmen werden die zur Verfügung stehenden Optionen nutzen, um eigene „Persönlichkeiten” für ihre Interfaces zu kreieren. Hier werden Sprachmuster eine wichtige Rolle spielen, um Markenwerte zu transportieren.”
Es wird auch möglich sein, die Stimme eines Markenbotschafters einzusetzen. Die zentrale Technologie einer Conversational-Plattform ist natürliche Sprachverarbeitung (engl. Natural Language Processing, kurz NLP), die für die „Übersetzung” der gesprochenen Befehle und die Automatisierung der Conversational Interfaces sorgt.
Die Zukunft des Bankings
Banken können durch Conversational Interfaces ihr digitales Engagement stärken, indem sie Daten nutzen, um in ein Gespräch einen proaktiveren Dialog einzuschieben. Beispielsweise könnte eine automatische Analyse der persönlichen Finanzsituation die Beratung verbessern, Daten aus dem CRM-System genutzt werden, um Vertriebsmöglichkeiten zu erschließen und Betrugsdaten, um verdächtige Aktivitäten zu melden. Dabei können Bank- und Nicht-Bank-Daten zum Einsatz kommen, um einen umfassenderen Blick auf die Kundenerfahrung zu erhalten. Das Hauptaugenmerk liegt für Banken darin, einen qualitativ hochwertigen Self-Service bei den automatisierten Bankdienstleistungen zu bieten. Zahlreiche Banken verzeichnen bereits Erfolge damit. Und wie so oft bei Daten, setzt eigentlich nur die eigene Kreativität Grenzen bei der Nutzung.
Bei den Geräten/Diensten geht der Trend in Richtung multi-modaler Interfaces, die Kunden verschiedene Möglichkeiten der Interaktion bieten und wenn notwendig an menschliche Berater übergeben.”
Geräte wie Alexa haben als smarte Lautsprecher begonnen und bieten mittlerweile auch Bildschirme, so dass Anwender sie nicht nur über Sprachbefehle, sondern auch mit Gesten oder Berührungen steuern können. Mit Blick auf den Datenschutz können Antworten auch als Text ausgegeben werden, damit die Umgebung nicht alles mithört. Banken sollten dieses Omnichannel-Verhalten im Hinterkopf haben und die Möglichkeit bieten, zwischen verschiedenen Eingabemöglichkeiten und Interfaces zu wechseln, also auch eine Konversation mit Alexa zu beginnen und später mit Siri weiterzuführen. Die Herausforderung wird vor allem darin bestehen, hier eine konsistente Kundenerfahrung und ein Interface zu schaffen, das aufgrund seiner individuellen „Persönlichkeit” eine hohe Akzeptanz und gleichzeitig plattformunabhängig einen Wiedererkennungswert bietet.Dharmesh Mistry, Temenos
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