Koalitionsvertrag schreckt Banken auf – Abschaffung der Abgeltungssteuer fordert die IT-Abteilungen
Es ist nur ein kurzer Satz im ausgehandelten Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD: „Die Abgeltungssteuer auf Zinserträge wird mit der Etablierung des automatischen Informationsaustausches abgeschafft“. Doch der hat es in sich. Zuerst einmal natürlich für Sparer und Anleger, denn sie werden demnach in Zukunft wieder vollumfänglich nach dem jeweiligen Einkommenssteuersatz zur Kasse gebeten. Aber auch auf die Banken kommt einiges zu. IT-Systeme, Produktportfolios, Kundenberatung – alles wird wieder komplizierter werden.
von Dominik Burkart und Dirk Penné, Cofinpro
Dabei ist es nur wenige Jahre her, dass die Besteuerung von Zins- sowie Kurserträgen und Dividenden harmonisiert und eine einheitliche Kapitalertragsteuer eingeführt wurde. Erst zum Jahresbeginn erfolgten mit dem InvStRefG dann grundlegende Änderungen in der Besteuerung von Investmentvermögen.Für die Finanzinstitute gingen all diese umfangreichen Veränderungen mit einem gewaltigen Aufwand einher.”
2009 mussten alle Prozesse und Systeme auf die Abgeltungssteuer umgestellt werden. Riesige IT-Projekte wurden angestoßen und Anpassungen über die Jahre etabliert. Strenge Regulierungen wurden umgesetzt, inklusive der direkten Steuerabführung durch die Finanzinstitute und des Meldeprozesses an die Finanzbehörden. Auch die Kunden sind mittlerweile gut mit dem Prozedere vertraut, vom Freistellungsauftrag bis hin zur erwarteten Steuerlast.
Abgeltungssteuer: Die Systeme lassen sich nicht einfach zurückdrehen
Wenn es nach der neuen Bundesregierung in spe geht, soll das nun der Vergangenheit angehören. Zinserträge werden wieder nach dem individuellen Einkommenssteuersatz herangezogen. Für Erträge aus Aktien bleibt die Abgeltungssteuer relevant.
Alles wieder zurück auf Start also? Keinesfalls, denn IT-Systeme, die jahrelang an komplexe steuerrechtliche Anforderungen angepasst worden sind, lassen sich nicht einfach zurückdrehen.”
Zudem ist noch völlig unklar, wie die Anpassung im Detail aussehen wird – und die damit verbundenen Änderungen für die Banken. Wie müssen etwa die Reportings für den Kunden ausgestaltet sein? Sind Übergangsfristen und Altfallregelungen zu berücksichtigen? Gerade das würde einen gewaltigen Mehraufwand mit sich bringen, müssten dann doch parallel alte und neue Vorgaben in den Systemen abgedeckt werden.
Zudem hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Ausformulierung konkreter neuer Anforderungen (wie bei der Abgeltungssteuer) sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Wenn kurzfristig neue, hochkomplexe Vorgaben kommuniziert werden, wird dies zu großen Anstrengungen in der Umsetzung führen, das zeigen die Erfahrungen der letzten regulatorischen Projekte.
Dirk Penné ist Manager bei Cofinpro. Seit mehr als 15 Jahren ist er im Finanzmarktumfeld unterwegs und hat Abgeltungsteuer-Projekte in mehreren Finanzinstituten begleitet. Innerhalb der Cofinpro verantwortet er im Rahmen der Entwicklung der Wertpapierthemen den Bereich Steuern.
Verlierer sind die Banken und ihre Kunden
Am Ende werden nicht nur die Finanzinstitute, sondern ebenso ihre Kunden die großen Verlierer der Umstellung sein.”
Am Ende werden nicht nur die Finanzinstitute, sondern ebenso ihre Kunden die großen Verlierer der Umstellung sein.”
Viele erwartet eine höhere Steuerlast, auch wenn nur sehr wenige aufgrund des aktuellen Niedrigzinsumfelds die monetären Auswirkungen direkt spüren werden. Die Veranlagung macht das Leben für den Kunden dennoch komplizierter.
Hinzu kommt eine Verunsicherung bei den Anlegern. Bisherige Anlagestrategien müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Man schaue sich exemplarisch nur Staatsanleihen oder Bausparverträge an. Über Jahre verließen sich die Deutschen mit ihrem hohen Sicherheitsanspruch auf diese Anlageform – und jetzt wird ihnen mitgeteilt, dass sie dafür quasi steuerrechtlich benachteiligt werden.
Man kann sich jetzt schon die hitzigen Beratungsgespräche in den Banken ausmalen, wenn Kunden mitgeteilt werden muss, wie sehr sich die Spielregeln ändern. Auch das ist eine erhebliche Belastung für die Abläufe in den Filialen. Für eine optimale Beratung der Kunden werden die Banken und Kapitalverwaltungsgesellschaften ihre Produktportfolios anpassen. Wo vorher Risiken und Erträge den Ausschlag gaben, rückt nun wieder die Steuerfrage in den Mittelpunkt. Und die wird die Regierung mit Argusaugen im Blick behalten, denn auch das kündigt die Koalitionsvereinbarung an: „Umgehungstatbestände werden wir verhindern.“
Das ist sicher ein legitimes Anliegen der Finanzverwaltung, aber was bedeutet das für die Bankenpraxis? Unter Berücksichtigung der neuen Steuerregelungen werden Anlageprodukte und Vorsorgepakete entwickelt.
Der Gesetzgeber wird darauf sicher reagieren und wiederum die Regeln anpassen – und damit permanente Unruhe verursachen, auf Kundenberatungsseite ebenso wie in der IT.”
So drohen fortlaufende, umfangreiche Anpassungen, die von vielen Finanzinstituten nur mit erheblichen Anstrengungen zu stemmen sind. Während die zurückliegenden großen regulatorischen Änderungen vor allem den Anlegerschutz im Fokus hatten, bringt dieses Vorhaben weder Kunden noch Banken einen Nutzen.Dominik Burkart und Dirk Penné, Cofinpro
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