Krisensichere Bargeld-Versorgung und digitaler Euro – Rede von Burkhard Balz
Auf dem Symposium „Sichere Bargeldversorgung – auch in der Krise“ sprach Bundesbankvorstand Burkhard Balz über die Bedeutung von Bargeld in Krisen und seine Position parallel zu einem künftigen digitalen Euro. Eine Zusammenfassung seiner Rede, die Sie hier vollständig nachlesen können.
von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
Krisen waren in Deutschland selten. Dies hat sich in der jüngeren Vergangenheit leider geändert. Für uns als Notenbank liegt es da nahe zu fragen: Wie sicher ist eigentlich die Versorgung der Menschen mit Bargeld auch und gerade in einem Krisenfall? Und welche Rolle spielt Bargeld insgesamt für unsere Wirtschaft in Zeiten erhöhter Unsicherheit? Könnten die Menschen im Krisenfall kein Bargeld abheben oder würde das Bezahlen an der Kasse erschwert werden, so könnte die eigentliche Krise durch die zu erwartenden wirtschaftlichen Verwerfungen noch weiter verschärft werden. Wenn die Menschen merken, dass die Bargeldversorgung auch bei einer Pandemie oder einem längeren Stromausfall sicher und wie gewohnt funktioniert, dann dürfte dies zur allgemeinen Beruhigung und womöglich zu einer Abschwächung der Krise beitragen.Bargeld in Krisenzeiten
Die Nachfrage nach Banknoten und Münzen ist gerade in Zeiten von Krisen deutlich gestiegen. Besonders in der Corona-Pandemie zog die Banknotennachfrage kräftig an. Während die Bundesbank im Jahr 2019 netto Euro-Banknoten in Höhe von 59 Milliarden Euro auszahlte, waren es im darauffolgenden ersten Jahr der Pandemie 71 Milliarden Euro und im Jahr 2021 immerhin noch 63 Milliarden Euro.
In Krisenzeiten tendieren die Menschen zu einer Hortung von Bargeld. Durch diese Wertaufbewahrung erklärt sich dann auch das sogenannte „Cash paradox“ – also die Beobachtung, dass trotz einer rückläufigen Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel die Gesamtnachfrage nach Bargeld weiter ansteigt.
Die zunehmende Verwendung von Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel gleicht dessen zurückgehende Verwendung als Zahlungsmittel mehr als aus. Daraus lassen sich zwei interessante Schlüsse ziehen. Erstens kommt der Nachfrage nach Bargeld eine Indikatorfunktion als eine Art „Krisenbarometer“ zu. Zweitens haben die Menschen in Krisenzeiten ganz offenbar ein Bedürfnis nach etwas Handfestem und Vertrautem – und dieses Bedürfnis befriedigen sie mit Bargeld.”
Das Bargeld übernimmt in der Krise offenbar die Rolle eines Vertrauensankers. Zudem abgesehen existieren ganz handfeste Gründe, einen maßvollen Vorrat an Bargeld Zuhause zu verwahren. Im Falle einer Notsituation kann mit Bargeld unabhängig von technischer Infrastruktur bezahlt werden.
Krisenfeste Bargeldversorgung
Der gesetzliche Sorgeauftrag für die Versorgung der Wirtschaft mit Bargeld liegt bei der Deutschen Bundesbank. Kreditinstitute, Wertdienstleister und unabhängige Geldautomatenbetreiber leisten ebenso einen wichtigen Beitrag. In der Bundesbank leiten wir aus diesem gesetzlichen Auftrag auch die Notwendigkeit ab, für Krisen- und Notfälle Vorsorge zu treffen.
Vorsorge zu treffen ist ein undankbares Geschäft, das nur selten honoriert wird. Zahlt sich die Vorsorge aus und ein Krisenereignis wird abgewendet, dann ist das kaum eine Meldung wert. Sollte es zu Problemen kommen und die Krisenvorsorge versagen, dann sind der zu erwartende Aufschrei und das mediale Echo groß.
Krisenvorsorge und Gefahrenabwehr sind elementare staatliche Aufgaben, denen wir uns in der Bundesbank stellen müssen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zurecht eine robuste und krisensichere Versorgung mit Bargeld.
Im vergangenen Herbst gab es die begründete Sorge vor einer Gasmangellage und möglichen großflächigen Stromausfällen. Für die Bundesbank stellte sich daher sehr akut die Frage nach den Auswirkungen solcher Szenarien für unsere eigenen Filialen und den gesamten Bargeldkreislauf. Die Bundesbank verfügt über ein flächendeckendes Filialnetz aus bundesweit 31 Standorten. Wenn einzelne Filialen ausfallen, kann der Ausfall durch andere Standorte kompensiert werden. Wir erreichen hier also durch die breite geografische Streuung unserer Filialen eine starke Resilienz.
Im Jahr 2021 gab es etwa 55.000 Geldautomaten und 23.000 Bankstellen. Für den Bargeldbezug am nächstgelegenen Geldautomaten oder Bankschalter müssen die Bürger im Schnitt lediglich 1,7 Kilometer zurücklegen. Und mit Cashback beziehungsweise Cash-in-Shop können sie auch direkt über den Einzelhandel Bargeld erhalten.
Das Bargeld nimmt unter allen Zahlungsmitteln nach wie vor eine herausgehobene Stellung einnimmt. Laut unserer aktuellen Zahlungsverhaltensstudie wurden im Jahr 2021 58 Prozent aller Transaktionen an der Ladenkasse bar getätigt.
Eine vollständige Substitution des Bargelds im Krisenfall erscheint unrealistisch, zumal nicht alle Bürger den Umgang mit elektronischen Zahlungsmitteln gewohnt sind und nicht alle Einzelhändler über elektronische Zahlungsterminals verfügen. Trotzdem bin ich froh, dass es zum Bargeld Alternativen gibt, denn auch das erhöht die Krisenfestigkeit unserer Wirtschaft.
Dass es nützlich ist, Alternativen zu haben, hat sich beispielsweise zuletzt im Mai und Juni vergangenen Jahres gezeigt. Hier wurde nicht das Bargeld ersetzt, sondern umgekehrt: Das Bargeld kam vermehrt zum Einsatz, als elektronische Zahlungsterminals aufgrund eines Softwarefehlers über mehrere Tage lang nicht funktionierten. Dieser Fall zeigt ganz eindeutig, dass Bargeld auch in einer Welt zunehmend elektronischer Zahlungen seinen berechtigten Platz hat.”
Bargeldakteure in Krisenfällen
Manche Kritiker behaupten, Bargeld habe in jüngerer Zeit einen Bedeutungsverlust erfahren. Ich möchte vielmehr von einem Bedeutungswandel sprechen. Erstens stieg die Bedeutung des Bargelds als Wertspeicher in den vergangenen Jahren weiter an. Damit gewinnt die Funktion der Wertaufbewahrung gegenüber der Funktion als Zahlungsmittel zunehmend an Gewicht. Zweitens sehen wir, dass das Bargeld als Krisenanker und Rückfalloption in Zeiten erhöhter Unsicherheit eine herausgehobene Rolle spielt und die Krisenfestigkeit unserer Wirtschaft insgesamt erhöhen kann.”
Manche Kritiker behaupten, Bargeld habe in jüngerer Zeit einen Bedeutungsverlust erfahren. Ich möchte vielmehr von einem Bedeutungswandel sprechen. Erstens stieg die Bedeutung des Bargelds als Wertspeicher in den vergangenen Jahren weiter an. Damit gewinnt die Funktion der Wertaufbewahrung gegenüber der Funktion als Zahlungsmittel zunehmend an Gewicht. Zweitens sehen wir, dass das Bargeld als Krisenanker und Rückfalloption in Zeiten erhöhter Unsicherheit eine herausgehobene Rolle spielt und die Krisenfestigkeit unserer Wirtschaft insgesamt erhöhen kann.”
Eine zuverlässige und flächendeckende Versorgung mit Bargeld ist und bleibt ein erstrebenswertes Ziel. Im deutschen Bargeldkreislauf sind viele Akteure eingebunden – neben der Bundesbank vor allem Banken, Wertdienstleister und Geldautomatenbetreiber. Das verringert die Abhängigkeit der gesamten Bargeldlogistik von einzelnen Akteuren. Andererseits vergrößert es den Kommunikations- und Abstimmungsbedarf untereinander. Die Menschen haben aber ein berechtigtes Interesse daran, auch in einer Krise schnell und unkompliziert an ihr Bargeld zu kommen. Daher ist es wichtig, dass alle Bargeldakteure schnell handeln können, Krisenroutinen eingespielt sind und die Kommunikation untereinander auch bei technischen Ausfällen gewährleistet bleibt.
Als Verbundprojekt aus Wissenschaft und Bargeldwirtschaft trägt das Projekt BASIC maßgeblich dazu bei, ein gemeinsames Verständnis aller Bargeldakteure von den Herausforderungen in Not- und Krisenfällen zu entwickeln. Zudem bietet es konkrete Handlungsstrategien und berücksichtigt wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der Krisen- und Notfallvorsorge.
Mein persönliches Ziel ist es, den Austausch der Bargeldakteure untereinander weiter zu intensivieren und zu institutionalisieren – und zwar in Form eines Nationalen Bargeldforums. Die Bundesbank als marktneutraler Akteur mit gesetzlichem Sorgeauftrag ist prädestiniert, die Rolle eines Initiators und Koordinators eines solchen Austausches wahrzunehmen. Als Schlagworte für mögliche Themen seien hier etwa der Zugang zu und die Akzeptanz von Bargeld, Fragen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit oder Sicherheitsaspekte der Bargeldlogistik genannt.
Bargeld und digitaler Euro
Entwicklungen wie die Digitalisierung prägen den Umgang der Menschen mit Bargeld und anderen Zahlungsmitteln. Diese Entwicklungen finden ihren Ausdruck auch in Überlegungen zu einem digitalen Euro, dessen Potenziale und möglichen Ausgestaltungsformen momentan von der EZB und den nationalen Zentralbanken des Eurosystems untersucht werden.
Mit dem digitalen Euro hätten die Menschen erstmals auch in digitaler Form Zugang zu Zentralbankgeld. Ein digitaler Euro wäre auch im Online-Handel nutzbar sowie für Zahlungen an staatliche Stellen beziehungsweise von diesen. Der digitale Euro kann gerade dort punkten, wo Bargeld nicht hinreicht. Ein digitaler Euro soll jedoch nicht das Bargeld ersetzen, sondern lediglich das Euro-Bargeld im digitalen Raum ergänzen.”
Das Eurosystem bekennt sich klar zum Bargeld, denn es besitzt zahlreiche Alleinstellungsmerkmale, die es für die Bürger auch im digitalen Zeitalter zu einem gerne genutzten Zahlungsmittel machen. Rund 70 Prozent der befragten Deutschen halten die Möglichkeit, Bargeld nutzen zu können, für „ziemlich wichtig“ oder „sehr wichtig“.
Es ist entscheidend, dass die gut ausgebaute Bargeldinfrastruktur Deutschlands weiter erhalten bleibt. Bezugsquellen von Bargeld müssen weiterhin einfach zu erreichen sein. Andernfalls droht eine Abwärtsspirale, bei der eine verminderte Bargeldnutzung einerseits und eine Reduzierung der Bezugsquellen andererseits sich gegenseitig verstärken.
Die Bundesbank und die privaten Bargeldakteure stehen in der Tradition, die deutsche Bargeldversorgung stets geräuschlos und effizient zu organisieren. Damit dies zukünftig so bleibt, ist es wichtig, dass wir das Thema Krisenvorsorge noch stärker ins Auge fassen und den gemeinsamen Dialog vorantreiben.
Die vollständige Rede von Burkhard Balz finden Sie hier.pp
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