Mangelndes Vertrauen in digitale Strategien von Banken
Die wachsende Kluft zwischen langfristigen Visionen und kurzfristigen Entwicklungen unterminiert das Vertrauen der Anleger in die Finanzbranche. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des diesjährigen Reports „State of Financial Services“ der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman.
Banken und Finanzdienstleister arbeiten an der Transformation ihrer Unternehmen, um sie fit zu machen für die digitale Zukunft. Im Schnitt fließen fünf Prozent des Umsatzes in diesen Wandel. Die Anleger können nach eigenem Bekunden jedoch nicht nachvollziehen, in was die Unternehmen genau investieren und aus welchen Gründen. Es fehle sowohl an Informationen über Inhalte und Ziele der Veränderungen als auch an aussagekräftigen Kennzahlen zur Beurteilung der Fortschritte.Diese Kluft zwischen Unternehmen und Anlegern zeigt sich auch an anderer Stelle: 98 Prozent der europäischen Banken erwähnten das Wort „digital“ in ihrer externen Kommunikation. In den Research-Berichten der Analysten wurde der Begriff indes nur bei 27 Prozent der Banken genannt.
Hinzu kommen Zweifel am Kosten-Nutzen-Verhältnis der hohen Investitionen in neue Technologien. Angesichts der geringen wirtschaftlichen Fortschritte ist für Geldgeber schwer nachvollziehbar, was Investitionen in digitale Lösungen tatsächlich bewirken. Diese Skepsis weckt grundsätzliche Zweifel bei den Anlegern. Lediglich 25 Prozent sind laut Report zuversichtlich, dass die Digitalisierungsstrategien der Unternehmen von Erfolg gekrönt sein werden. Weniger als 1 Prozent der Befragten ist der Ansicht, dass die Pläne klar formuliert und glaubwürdig sind.
Neue Player sind erfolgreicher
Doch damit nicht genug. Zugleich demonstrieren BigTech- und FinTech-Unternehmen ein starkes Wachstum mit Finanzdienstleistungen und damit einhergehenden wirtschaftlichen Erfolg. Seit 2010 befindet sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei FinTech-Unternehmen kontinuierlich im Aufwind, sodass die Werte inzwischen mindestens dem Doppelten des KGV von Finanzdienstleistern entsprechen. Bei Banken ist das KGV von 14 auf 11 gesunken, bei Versicherungstiteln wird die Lücke noch grösser.
Die etablierten Institute, die in reifen Märkten tätig sind, haben jedoch stärker mit den makroökonomischen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Nach Schätzungen von Oliver Wyman sind 75 Prozent des Wertverfalls im europäischen Bankensektor auf Faktoren wie das anhaltende Zinstief und die Regulierung zurückzuführen und lediglich 25 Prozent auf FinTechs und neue Wettbewerber am Markt.
Deren Bedrohung für die Finanzdienstleister wächst jedoch. Das Tempo, mit dem neue Finanzdienstleistungslösungen auf den Markt gebracht werden, nimmt zu. Dementsprechend bleibt der Druck hoch, weiterhin in die digitale Transformation zu investieren.
Einklang von Vision und Wirtschaftlichkeit herstellen
Wie die Erhebungen von Oliver Wyman zeigen, gibt es zwei komplett unterschiedliche Strategien. Einige Unternehmen setzen verstärkt auf ihren visionären Ansatz und haben enorme Summen in Innovation und Transformationsprogramme investiert. Was die Gewinnseite anbelangt, bleiben die Ergebnisse jedoch in vielen Fällen hinter den Erwartungen zurück.
Auf der anderen Seite stehen Unternehmen mit schwerpunktmäßiger Ausrichtung auf den wirtschaftlichen Nutzen. Sie haben meist unzählige kleine Veränderungen mit weniger Investitionsaufwand vorgenommen, die zwar für Aufmerksamkeit gesorgt, jedoch häufig kaum Wirkung gezeigt haben. Um sowohl lang- wie kurzfristig erfolgreich zu sein, empfehlen die Strategieberater eine Kombination der beiden Ansätze.
„Für den Erfolg eines Unternehmens wird die richtige Mischung aus Vision und wirtschaftlichem Nutzen entscheidend sein – doch viele Unternehmen werden hieran scheitern.“
Robert Buess, Bankenexperte und Partner bei Oliver Wyman
Fünf Schritte zum Erfolg
Ein weiteres Problem, das es zu lösen gilt: Statt in Bereiche mit strategischer Priorität fließen derzeit noch immer fast 50 Prozent der für die Transformation vorgesehenen Mittel in die Einhaltung obligatorischer regulatorischer Anforderungen. Oliver Wyman sieht das auch in einem allzu lockeren Führungsansatz bei der Umsetzung digitaler Programme begründet, der nicht lange Bestand haben könne. An seine Stelle werde ein disziplinierterer, interventionistischer Ansatz treten.
Nach Ansicht der Strategieberater sind fünf Aspekte entscheidend, um Vision und wirtschaftlichen Nutzen in Einklang zu bringen:
1. Unternehmen müssen ein hohes Maß an Disziplin wahren und dürfen sich nicht dazu hinreißen lassen, in Copycat-Technologien zu investieren, die für manche, aber eben nicht für alle Unternehmen funktionieren.
2. Sie müssen sich auf eine kleinere Anzahl an Initiativen mit guter Mittelausstattung konzentrieren.
3. Es muss Klarheit bezüglich der von einem Investment in neue Technologie zu erwartenden Produktivitätssteigerungen herrschen.
4. Die Tools zur Bewertung und Steuerung von Veränderungen müssen besser werden.
5. Die externe Kommunikation muss verbessert werden, damit Anleger leichter nachvollziehen können, welche Faktoren die Entwicklung beeinflussen, und die Möglichkeit bekommen, die Fortschritte langfristiger Veränderungen zu verfolgen.
Das Fazit von Robert Buess ist eindeutig: „Jedes Unternehmen muss für sich das Richtige bestimmen und sich auf eine Strategie für die Zukunft festlegen – und das möglichst unbeeindruckt von der wachsenden Bedrohung durch BigTechs, der Gefahr einer Rezession und der zunehmenden Ungeduld der Anleger.“ hj
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