STRATEGIE13. November 2023

Keine Zeit zu verlieren: Checkliste zur Migration auf SWIFT ISO 20022

Bernd Dittrich und Maren Schwarz haben eine Checkliste zur rechtzeitigen Umstellung auf ISO 20022.
Bern­d ­Dittrich, Se­ni­or Ma­na­ger Co­fin­proCofinpro

Nachdem die Banken die T2/T2S-Konsolidierung erfolgreich abgeschlossen und gleichzeitig mit der Migration auf SWIFT ISO 20022 begonnen haben, ist die Versuchung groß, die endgültige Formatumstellung auf den XML-Standard im Auslandszahlungsverkehr aufzuschieben. Dies gilt zumindest für diejenigen Institute, die nicht sofort eine große MX-native Plattform implementiert haben. Schließlich können als Interimslösung die Altsysteme mit Konverterlösungen vorübergehend weiter betrieben werden. Doch wer zu lange an einem Provisorium festhält, könnte im November 2025 ein böses Erwachen erleben. Deshalb gilt: Jetzt strukturiert planen und mit der finalen Umstellung auf den neuen Standard beginnen. Hat Ihr Institut alles rechtzeitig bedacht? Prüfen Sie es anhand der unten stehenden Checkliste.

von Maren Schwarz und Bernd Dittrich, Cofinpro

Maren-Schwarz Cofinpro
Ma­ren ­Schwarz, Ex­pert Con­sul­tant Co­fin­proCofinpro
Rund 40 Jahre lang prägte der alte SWIFT MT-Standard den internationalen Zahlungsverkehr und ebnete den Weg für weitreichende Automatisierungslösungen. Bei seiner Entwicklung wurde damals jedoch aus technischen Gründen mehr Wert auf Kürze als auf Vollständigkeit der Daten gelegt, zudem sind die Möglichkeiten der maschinellen Lesbarkeit eingeschränkt.

Der neue MX-Standard ISO 20022 basiert auf der Auszeichnungssprache XML (Extensible Markup Language) und erlaubt neben einer größeren Datenmenge auch komplexere Datenstrukturen.”

So können strukturierte Adressen oder auch ein längerer Verwendungszweck erfasst werden. Dies erleichtert es automatisierten Zahlungssystemen, bestimmte Daten innerhalb der Zahlungsnachricht zu identifizieren und für die Zahlungsabwicklung auszuwählen.

Damit behebt der ISO 20022 Standard die gravierendsten Nachteile des alten MT-Standards:

  • Kleine Datenübertragungsgrößen, welche die Menge an Zahlungsinformationen in einer Nachricht auf ein Minimum reduzieren.
  • Fehlende Datenformatierungsmöglichkeiten, welche die Möglichkeiten des automatischen Auslesens der empfangenen Informationen einschränken.

Den Banken läuft die Zeit davon

Die Autoren
Ma­ren ­Schwarz ist Ex­pert Con­sul­tant bei Co­fin­pro (Website) für das The­ma Zah­lungs­ver­kehr. Ihr Ste­cken­pferd ist die Tar­ge­t2-Kon­so­li­die­rung und die SWIFT ISO 20022 Mi­gra­ti­on, die sie bei ver­schie­de­nen Ban­ken als Pro­jekt­ma­na­ge­rin und Busi­ness Ana­lys­tin begleitet hat.

Bern­d ­Dittrich ist Zah­lungs­ver­kehrs­spe­zia­list und Se­ni­or Ma­na­ger beim Be­ra­tungs­un­ter­neh­men Co­fin­pro. Da­vor hat er bei KPMG als Lead Spe­cia­list Pay­ments im Fi­nan­ci­al Ser­vices Con­sul­ting ei­ne Viel­zahl von Zah­lungs­ver­kehrs­pro­jek­ten be­treut.
Wei­te­re Sta­tio­nen la­gen im Zah­lungs­ver­kehr bei Ban­ken für ein in­ter­na­tio­na­les In­sti­tut im Aus­land und bei der HypoVereinsbank.

Noch drücken viele Finanzinstitute bei der SWIFT ISO 20022-Migration nicht aufs Tempo. Dies liegt auch daran, dass die TARGET2/T2S-Konsolidierung im März 2023 in einem Big Bang umgesetzt wurde und viele Kapazitäten gebunden hat. Zahlreiche IT-Spezialisten waren in dieses komplexe Projekt involviert, das durch das Beheben von aufgetretenen Problemen heute noch zusätzlichen Aufwand verursacht. Aus diesem Grund haben sich viele Institute entschieden, während der mehrjährigen Koexistenzphase der SWIFT ISO20022-Migration weiterhin im MT-Format zu senden und zunächst nur die Mindestanforderungen der MT- und MX-Empfangsbereitschaft im grenzüberschreitenden SWIFT-Zahlungsverkehr umzusetzen.

Die Empfangsbereitschaft wurde vielfach durch Konverterlösungen realisiert, die eingehende MX-Nachrichten in das alte Format (MT) umwandeln und so für die internen Backoffice-Systeme nutzbar machen.”

Dies wird dadurch ermöglicht, dass SWIFT in eine gesendete MX-Nachricht eine übersetzte MT-Nachricht einfügt. Diese Übersetzung entfällt ab November 2025 mit der endgültigen Umstellung auf das MX-Format.

Mit der Konverterlösung konnte die notwendige Umstellung der Backoffice-Anwendungen unter Inkaufnahme von Datenverlusten bei der Formatkonvertierung hinausgezögert werden. Diese Übergangslösungen führten jedoch häufig zu höheren Projektgesamtkosten.

Konverterlösungen können nur eine Übergangslösung sein. Problematisch wird es, wenn die Umstellung aller Systeme auf MX-nativ (MX-verstehend und MX-verarbeitend) vernachlässigt wird. Sollte es aufgrund von Ressourcenengpässen oder Projektverschiebungen zu Verzögerungen kommen, könnte die Zeit knapp werden: Spätestens im November 2025 müssen Banken im Auslandszahlungsverkehr in der Lage sein, MX-Nachrichten zu versenden und damit idealerweise eine native ISO 20022-Lösung implementiert haben.“

Maren Schwarz, Cofinpro

Bislang sind in Deutschland vor allem Schwergewichte wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank mit eigenen, MX-nativen Lösungen führend. Dabei lohnt sich die Umstellung für alle Beteiligten, wie die Commerzbank selbst in einer Mitteilung schreibt:

Mit dieser neuen einheitlichen ‚Sprache‘ können Banken und ihre Kunden den Zahlungsverkehr aufgrund des deutlich höheren Informationsgehalts professionalisieren. Unternehmen können ihre IT-Systeme entsprechend anpassen, um aus dem ‚Mehr‘ an Informationen auch einen geschäftlichen Nutzen zu ziehen.“

So ermöglicht die verbesserte Datenstruktur der MX-Nachrichten einen erweiterten sowie noch stärker systematisierbaren Informationsaustausch zwischen den Finanzinstituten und bietet somit weitere Automatisierungsmöglichkeiten. Dadurch können die Abwicklungskosten gesenkt und die Abwicklungszeiten verbessert werden. Manuelle Prüfungen im Überwachungsprozess können auf Sonderfälle beschränkt werden, ebenso die Fehlersuche bei fehlerhaften Zahlungen. Die im ISO 20022-Standard möglichen Zusatzinformationen erlauben es zudem, Rechnungsinformationen mit der Zahlung zu versenden.

Checkliste zur Umstellung für Banken auf ISO 20022

Sollte es einem Finanzinstitut nicht gelingen, die ISO 20022-Migrationsfrist bis November 2025 einzuhalten, drohen drastische Konsequenzen im Falle der Teilnahme am internationalen Zahlungsverkehr. Insofern kann die teilweise holprige TARGET2/T2S-Konsolidierung als warnendes Beispiel dienen:

Es gilt, aus früheren Projekten dieser Größenordnung zu lernen und die Umstellung möglichst frühzeitig in mehreren überschaubaren Schritten zu beginnen. Denn – und das ist eine Lehre aus dem T2-Big-Bang – eine gleichzeitige MX-Migration von Dutzenden von Systemen oder Partnerinstituten sollte eine Bank vermeiden.“

Bernd Dittrich, Cofinpro

Folgende Punkte gilt es bei der Migration auf ISO 20022 zu berücksichtigen

Die Checkliste:

✅ Auch vor November 2025 müssen bereits zusätzliche Anforderungen umgesetzt werden. Dazu gehören die Einführung der MX-Formate der Scheck- und Lastschriftnachrichten im November 2023 und ein Jahr später auch die Nutzungsrichtlinie für Ausnahmen und Ermittlungen (E&I). Werden diese bereits MX-nativ bzw. -agnostisch (gleichgültig, ob MT oder MX verwendet wird) umgesetzt oder droht hier spätestens 2025 eine MX-fähige Neugestaltung inklusive Rückbau einer derzeit vorbereiteten Zwischenlösung?

✅ Wie weit sind die Partnerinstitute? Könnten Ihre Partnerinstitute beispielsweise schon auf MX-nativ umstellen und dann SWIFT-Nachrichten über Ihre Bank als Zentralinstitut versenden? Oder könnte dies zu Komplikationen führen?

✅ Auch bei Nostro- und Lorokonten müssen die Abhängigkeiten geklärt werden: Kann eine reibungslose Abwicklung der Verrechnungsbuchungen gewährleistet werden?

✅ Wann werden die jeweiligen internen Zuliefersysteme umgestellt?

✅ Welche Vorbereitungen für MX-native können und sollen jetzt getroffen werden? Gibt es bereits eine klar geplante Zielarchitektur und sind die Verantwortlichkeiten und Prozesse für die neuen Systeme definiert?

✅ Im alten MT-Prozess wurden aufgrund der eingeschränkten IT-Möglichkeiten häufig eigene Lösungen und Sonderprozesse in den Instituten entwickelt. Werden diese maßgeschneiderten Erweiterungen nun im MX-Prozess berücksichtigt und entsprechend abgebildet?

✅ Welche Abhängigkeiten müssen bei der Koordination von Softwarelieferanten und Dienstleistern berücksichtigt werden? Wie wirken sich die Änderungen auf andere interne Projekte aus? Wo wird auf dieselben internen oder externen Ressourcen zugegriffen?

✅ Kennen wirklich alle Mitarbeiter im Zahlungsverkehr die neuen Cross Border Payment and Reporting plus (CBPR+)-Formate und die neuen Systeme?

✅ Funktioniert die Umstellung von der Konverterlösung auf eine MX-native Lösung im Zusammenspiel mit dem Backend und den Partnerinstituten? Lässt der Zeitplan genügend Spielraum für Unvorhergesehenes?

Fazit

Viele Projekte werden aktuell gekürzt, neu budgetiert und gerne auch verschoben. Und nach dem Kraftakt der TARGET2/T2S-Konsolidierung ist es verständlich, dass die Banken beim Thema SWIFT ISO 20022-Migration erst einmal durchatmen wollen. Aber Vorsicht:

Zu viel Nachlässigkeit wird sich später rächen. Besser ist es, die Situation im Vorfeld zu entschärfen und durch eine strukturierte Planung und Umsetzung den Druck aus dem Kessel zu nehmen.”

Also den internationalen Zahlungsverkehr jetzt nicht stiefmütterlich behandeln, sondern im Interesse der eigenen Mitarbeiter und der Kunden konsequent auf die Zukunft ausrichten.Maren Schwarz und Bernd Dittrich, Cofinpro

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