Mobiles Bezahlen – In China Alltag, in Deutschland auf dem Vormarsch
Am 31. Mai sprach Burkhard Balz (Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank) auf der China Banking Association (CBA) Konferenz in Hangzhou,China über die Entwicklung mobiler Zahlungsmethoden in China und Deutschland im Vergleich sowie die Perspektiven dafür in Deutschland. In China ist mobiles Bezahlen längst Standard und erreicht teilweise Marktanteile von 60 Prozent. In Deutschland gibt es zumindest gute Voraussetzungen, wer aber letztlich das Rennen um das mobile Bezahlen machen wird, ist derzeit noch offen. Die Zusammenfassung seiner Rede.
von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
[Hangzhou ist wirtschaftlich sehr bedeutend und Sitz der Alibaba Group. Deren Zahlungsdienst-Anbieter Alipay wurde hier gegründet. Alipay ist dem reinen Online-Bezahlen längst entwachsen und fast universell einsetzbar. Als ich unlängst in China ein Restaurant besuchte, wurde dort zwar Alipay akzeptiert, nicht aber meine Kreditkarte. Ich konnte mich dann mit Bargeld aus der Affäre ziehen. Seit 2017 sind Alipay und der Konkurrent WeChat auch in Deutschland aktiv.Mobiles Bezahlen als Standard in China
Dass die Bezahlverhalten in China und Deutschland „zwei verschiedene Welten“ sind, beschäftigt die Bundesbank seit geraumer Zeit. China hat die Nase vorn, wenn es darum geht, neue digitale Services zu entwickeln und nutzbar zu machen.
Mitarbeiter der Bundesbank und der Academy of Internet Finance der Zhejiang Universität in Hangzhou haben vor zwei Jahren ein Forschungsprojekt gestartet, um das Bezahlverhalten in China und Deutschland zu analysieren. Dabei konnten wesentliche Treiber und Herausforderungen für die Verbreitung innovativer Bezahlverfahren identifiziert werden.
In einer Stichprobe in den drei Metropolen Shanghai, Peking und Hangzhou zeigten sich Marktanteile von mobilen Bezahlverfahren von bis zu 60 Prozent; Bargeld hatte in der Stichprobe hingegen nur einen Anteil von knapp 20 Prozent.”
Wir in Deutschland fragen uns deshalb: Ist das, was wir hier in China sehen, ein Vorgeschmack auf das, was uns in Zukunft in Deutschland erwartet? Oder sind die Voraussetzungen in Deutschland anders? Ich vermute, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.
Bezahlen in Deutschland
Gemessen am Umsatz werden in Deutschland noch circa 50 Prozent des Bezahlvolumens in den Geschäften bar abgewickelt. Fragt man die Menschen, welche Merkmale sie am Bargeld schätzen, so lauten die häufigsten Antworten: Einfache und schnelle Nutzung, man kann überall mit Bargeld bezahlen und Wahrung der Privatsphäre.
Die Bundesbank wertet hier nicht: Die Marktteilnehmer sollen selbst entscheiden, wie sie zahlen wollen. Auch in der Politik herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Bargeld als liebgewonnenes Zahlungsmittel unantastbar ist. Dennoch ist der Trend auch in Deutschland eindeutig. Während der Bargeld-Anteil Jahr für Jahr sinkt, gewinnen elektronische Bezahlverfahren zunehmend an Bedeutung. Dazu hat vor allem die kontaktlose Kartenzahlung beigetragen, die inzwischen ihren Platz im deutschen Alltag gefunden hat.
Auch in Deutschland treten Technologiekonzerne – oft als BigTechs bezeichnet – im Zahlungsverkehr auf den Plan. Sie stammen aus den USA aber auch aus China. Beim Zahlen mit dem Smartphone sind Apple Pay und Google Pay seit 2018 im deutschen Markt vertreten. Diese neuen Akteure denken und handeln von Anfang bis Ende digital.
Konsequente Digitalisierung ermöglicht es, Netzwerkeffekte zu nutzen, die für ebendiese Plattformen typisch sind. Allerdings begünstigen Netzwerkeffekte, dass sich Monopole herausbilden können. In vielen Märkten gilt: „The winner takes it all“. Hiervon könnten auch in Deutschland vor allem große Technologiekonzerne profitieren.
Bei Peer-to-Peer (P2P) Zahlungen sind mobile Bezahldienste in China deutlich verbreiteter als in Deutschland. Mobiles Bezahlen P2P wird aber auch in Deutschland immer beliebter. Transaktionszahlen zu Kwitt, dem P2P-Verfahren der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, bestätigen diesen Trend.
Kleinere Unternehmen bzw. der Mittelstand rücken mehr und mehr in den Fokus neuer Dienste. PayPal und Amazon vergeben inzwischen auch kleinere Geschäftskredite an „ihre“ Händler – ein Warnsignal für die etablierte Bankenwelt. Auch bei Kwitt denkt man an eine Bezahllösung für kleinere Händler.
Gute Voraussetzungen für mobiles Bezahlen in Deutschland
Die Voraussetzungen sind auch in Deutschland günstig. Knapp 70 Prozent der Menschen nutzen ein Smartphone. Die meisten Smartphones sind mit einem NFC-Chip ausgestattet, der grundsätzlich das kontaktlose Bezahlen erlaubt. Zudem sind drei von vier Kassenterminals längst passend ausgestattet. Und deutsche Banken bringen zunehmend die Girocard – den „Platzhirsch“ im deutschen Kartengeschäft – in das Smartphone.
Bezahlen mit dem Smartphone – sei es NFC oder QR Code basiert – ist nur dann langfristig attraktiv und erfolgreich, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: einfache Nutzung, breite Akzeptanz auf der Händlerseite und der Schutz von persönlichen Daten.”
Insbesondere beim Thema Datenschutz bieten sich Chancen für Banken, sich gegenüber den BigTechs abzugrenzen. So vertrauen die Konsumenten in Deutschland mehrheitlich ihrer Bank beziehungsweise Sparkasse.
Offen bleibt die Frage, wer letztlich das Rennen beim mobilen Bezahlen in Deutschland macht: die Lösungen globaler Technologiekonzerne oder eigene Bezahllösungen der Bankenwelt. Für die Bundesbank ist es entscheidend, dass sich innovative, wettbewerbsfähige und sichere Zahlverfahren etablieren. Banken spielen dabei sicherlich eine wichtige Rolle.
Im Hinblick auf die Herausforderungen der Digitalisierung können wir sicherlich auch von China lernen. Ein gegenseitiger Austausch ist aus meiner Sicht für beide Seiten von großem Wert. „Ein guter Becher Wein will geteilt sein“, lautet ein Sprichwort hier in China. In diesem Sinne ein herzliches „Gambei“.
Die vollständige Rede können Sie hier nachlesen.pp
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