Münchener V-BANK spart per RPA 60 Prozent der Arbeitsstunden ein – Mitarbeiter effizienter einsetzen
Klickbasierte, redundante und regelbasierte Prozesse lassen sich automatisieren. Bank-Mitarbeiter müssen nicht Jobs machen, die sie unterfordern und langweilen – es geht um die Steigerung der Effizienz. Erste Anwendungssoftwares sind letztes Jahr auf dem Markt erschienen. Am Beispiel des Kontoeröffnungsprozesses zeigt der Beitrag, wie die Münchener V-BANK mit Robotic Process Automation (RPA) künftig nicht nur über 60 % an Arbeitsstunden im Jahr einspart, sondern gleichzeitig Schnelligkeit und Qualität steigert, was der Kundenzufriedenheit zugutekommt.
von André Burger und Robert Sevecke, Consultant bei Synpulse Management Consulting
Das Thema Prozessautomatisierung ist für alle Finanzdienstleister wie Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften oder Finanzverwalter interessant. Denn mit RPA lassen sich alle redundanten, regelbasierten Prozesse automatisieren, die zeitraubend sind sowie viel manuelle Arbeit aber keinen hohen Mehrwert mit sich bringen – das trifft auf jegliche Arbeit am PC zu.Bei den Banken sind es unserer Schätzung nach bislang nur etwa 10 bis 20 %, die sich mit dem Thema RPA beschäftigen bzw. es umsetzen. Das könnte vor allem daran liegen, dass Banken aufgrund regulatorischer Änderungen wie MiFID II derzeit keine Projektkapazitäten freimachen können. Werden nächstes Jahr diese Projektressourcen vor allem personeller Art wieder frei, erwarten wir einen deutlichen Schub in Sachen RPA.
Unauffällige Helfer
Im Gegensatz zu Robotern aus der Fertigung – wie beispielsweise Greifarme, die Autoteile hochheben und verbauen – sind Roboter in IT-Systemen von Banken eher unauffällig. Bei ihnen handelt es sich um Softwarebots oder Softwareapplikationen, die für die Durchführung spezifischer Aufgaben programmiert werden.
Sie eignen sich für lange Eingabeprozesse, wie sie im Bankwesen unter anderem bei der Kontoeröffnung nötig sind. Den Roboter füttert man mit relevanten Daten und Regelsets; man bringt ihm bei, welche Angaben er wo machen soll, zu was er zustimmen kann und was er ablehnen muss.”
Den erlernten Prozess kann er rund um die Uhr und immer gleich schnell durchführen. Die V-Bank hatte sich 2017 dazu entschieden, RPA einzuführen. Bei der V-BANK benötigt ein Mitarbeiter durchschnittlich 20 Minuten, um ein Konto zu eröffnen. Nach Implementation in die Prozesse schafft der Roboter dies in fünf Minuten. Die V-BANK kann ihre Mitarbeiter mit RPA von ermüdenden Arbeitsabläufen entlasten, damit diese sich auf kreative Aufgaben konzentrieren können. Das Unternehmen schafft die Skalierbarkeit für das zukünftig geplante Wachstum und hält die Kosten unter Kontrolle.
Automatisierbare Prozesse identifizieren
Ein Robotic-Process-Automation-Projekt beginnt idealerweise mit der „Evaluationsphase“, in der alle Prozesse einer Bank genau unter die Lupe genommen werden. Dabei kristallisiert sich heraus, welche Prozesse automatisierbar sind und bei welchen die Automatisierung einen Mehrwert generiert.
Die V-BANK fokussiert sich als Deutschlands erste Bank der Vermögensverwalter seit ihrer Gründung ganz auf die Depot- und Kontoführung sowie auf die Wertpapierabwicklung für unabhängige Vermögensverwalter und ausgewählte Kunden wie Family Offices. Als Kernbankensystem verwendet sie „Avaloq“. Zur Kontoeröffnung nutzt sie innerhalb dieses Systems einen Client-Data-Wizard-Prozess, der sehr klicklastig ist und viele Maskenwechsel enthält. Daher ist der Prozess sehr gut zur Automatisierung geeignet. Als Projektziel wurde die vollständige Automatisierung des Kontoeröffnungs- und Schließungsprozesses festgelegt.
UiPath, Blue Prism, Automation Anywhere, WorkFusion sowie Kofax Kapow
In der Evaluationsphase muss dann geklärt werden, welche RPA-Software am besten zu den Anforderungen des Finanzinstituts passt. Zwei Softwares, die wir derzeit benutzen, sind „UiPath“ und „Blue Prism“. Erstere eignet sich sehr gut für „RPA-Beginner“, die kleinere Pilotprojekte umsetzen möchten. Denn mit dieser Lösung lässt sich mit einem relativ geringeren Ressourcen- und Kapitaleinsatz ein „Proof of Concept“ erstellen. Blue Prism hat einen vergleichsweise deutlich höheren Einstiegspreis und eine höhere Pflichtabnahmemenge. Daher ist diese Lösung besser für Banken geeignet, die schon von der Roboter-Automatisierung überzeugt sind und in größerem Stil investieren wollen. Weitere gängige Softwares sind „Automation Anywhere“, „WorkFusion“ sowie „Kofax Kapow“.
Wenn sich in der Evaluationsphase gezeigt hat, dass sich der Robotereinsatz lohnt, folgt die „Analyse- und Designphase“. Als erste Maßnahme wird in dieser Projektphase ein Prozess modelliert, um zu prüfen, wie sich ein aktuell manueller Prozess technisch abbilden lässt. Es folgt die „Entwicklungsphase“, in der der Roboter entwickelt und kontinuierlich getestet wird. Dies passiert i.d.R. im agilen Projektvorgehen – kleine Bausteine des Roboters werden programmiert, direkt getestet und im Idealfall gleich eingesetzt. Wenn alle Bestandteile der Robotik-Anwendung programmiert sind sowie alle nötigen Datensets (z.B. in Form von Excel-Tabellen), die der Roboter zum arbeiten braucht, erstellt wurden, kann man ihn produktiv setzen.
Robert Sevecke, Jahrgang 1989 ist Consultant bei Synpulse Management Consulting. Er ist Experte auf dem Gebiet der Experte Robotic Process Automation in Banken und hat bereits mehrere Umsetzungsprojekte geleitet und durchgeführt. Sevecke erwarb einen MBA an der Universität Duisburg-Essen.
Praxis: RPA-Implementierung bei der V-Bank
Der Pilotroboter wurde im ersten Implementierungsschritt der rund einen Monat andauernden „Pilotphase“ zunächst auf der Desktop-Oberfläche eines Computers installiert, getestet und (weiter-) entwickelt.
Er [das RPA-System] berührte in dieser Phase keine darunterliegenden Systeme und benötigte keine Schnittstellen. Bereits nach kurzer Zeit war er in der Lage, Teile des Kontoeröffnungsprozess verlässlich abzubilden.”
Die Arbeitsergebnisse konnten ins System der V-BANK überspielt werden. Insgesamt wurden so schon in der Pilotphase 20 % der Mitarbeiterkapazitäten freigemacht, die vorher die Prozesse manuell durchgeführt hatten. Nach Ablauf des Vollprojekts konnte die Arbeitszeit, die für den Kontoeröffnung- und -schließung benötigt wird, um 60% reduziert werden. Zudem sind für die automatische Kontoeröffnung und -schließung auch Zeiträume wählbar, die außerhalb der regulären Arbeitszeiten liegen. Dies entlastet das System zu Spitzenzeiten deutlich.
Direkt im Anschluss an die Pilotphase begann das dreimonatige „Vollprojekt“. Bei der Pilot-Erweiterung wurden mittel- bis hochkomplexe Anforderungen im Prozess hinzugefügt. Es mussten vielschichtige Logiken, Wenn-Dann-Abfragen und weitere Mechanismen zum Abfangen von Regelsets entworfen, implementiert und getestet werden. Bereits nach einem Monat im Vollprojekt konnte die Bank den Roboter für Teile des Kontoeröffnungsprozesses wie für die Stammdatenerfassung produktiv im täglichen Arbeitsablauf nutzen. Aufgrund der Menge der zu programmierenden Elemente kann in der Pilotphase nicht der gesamte Kontoeröffnungsprozess abgebildet werden. Elemente wie ein kompliziertes Gebührenmodell, sehr ausnahmenbehaftete Versandadressenmodelle, zusätzliche Kontoinhaber, Bevollmächtigte oder Minderjährige brauchen viel längere und tiefere Prozessanalysen und damit deutlich mehr Zeit bei der Roboter-Entwicklung.
Insgesamt dauerte das V-BANK Projekt rund 18 Wochen von März 2017 bis September 2017, mit Projekt-Unterbrechungen zwischen Pilot und Vollphase sowie aufgrund der Sommer-Urlaube.”
Aktiv am Projekt beteiligt waren lediglich drei interne und zwei externe Mitarbeiter, wobei die Beteiligten der V-BANK nur knapp 20 % ihrer Wochenarbeitszeit in das Projekt investierten.
Unterm Strich bedeutete dies ein Aufwand von 88 Stunden pro Woche. Mit 1.584 Stunden Aufwand (18 Wochen * 88 Arbeitsstunden) lassen sich 2018 allein bei den geplanten Konto- und Depoteröffnungen 875 Stunden einsparen – hinzu käme noch die Zeitersparnis bei Schließungen.
Unterm Strich bedeutet dies einen ROI von 1,8″
Dieser hohe Projektgewinn zeigt, dass sich die Implementierung von RPA nicht nur bereits mit relativ geringen Personalkapazitäten umsetzen lässt. Die Hilfe der internen Mitarbeiter war bei der am Beginn stehen Prozessanalyse ganz besonders wichtig. Danach arbeiten die Entwicklerteams sehr autark und brauchen nur gelegentlichen Input seitens des Unternehmens. Zum Anschluss an das Projekt wurden die drei Mitarbeiter der V-BANK noch einen Monat lang geschult und können die Applikation nun selbständig ohne externe Hilfe benutzen.
Schließlich sollte am Ende eines RPA-Implementierungsprojekts eine dauerhafte „Wartung“ der RPA-Applikation sichergestellt werden. Es muss überlegt werden, wie die Qualität des RPA-Prozess dauerhaft gesichert und optimiert werden kann. Hier sollte abgewägt werden, ob dies inhouse oder durch externe Spezialisten erfolgt. Denkbar ist dabei eine dauerhafte Vor-Ort-Unterstützung externer Dienstleister oder punktuell ergänzende Hilfe („remote“). Die externe Wartung würde circa zwei Mal pro Monat stattfinden.
Die V-BANK realisiert dies ohne externe Hilfe inhouse. Bei der internen Lösung empfiehlt sich die Ausarbeitung eines „Governance-Modells“ für die Organisation. Dieses legt im Detail fest, wie die Leitungs- und Führungsebene die Mitarbeiter für das Thema RPA fit machen und wie sie Verantwortlichkeiten zuordnet.”
Das Projekt RPA ist bei der V-BANK noch nicht beendet. Neben der Konto- und Depoteröffnung / -schließung wurden alle Prozesse der Bank evaluiert, um weiteres Automatisierungspotenzial ausfindig zu machen. Bei der V-BANK wurden hier weitere Prozesse, zum Beispiel im Bereich von Benchmark- und Anlagestrategien sowie die Änderungen von Versandinstruktionen, als automatisierbar identifiziert.aj
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/62986
Schreiben Sie einen Kommentar