Zeitenwende mit Anlauf: Mastercard stampft das Maestro-System ein – was nun?
Die Karten im Zahlungsverkehr werden neu gemischt: Mastercard hat angekündigt, seinen Maestro-Service einzustellen (Blogpost). Und zwar laut einer Unternehmenssprecherin komplett und europaweit. Es ist wohl anzunehmen, dass es dann auch weltweit so sein wird. Das bedeutet auch das Ende des Co-Badging mit der Girocard. Spätestens ab Juli 2023 können deutsche Banken dann keine Maestro-Karten mehr anbieten.
Für die deutsche Kreditwirtschaft gleicht das einer Zeitenwende – und die Entscheidung, wie sie sich verhält, hat Auswirkungen auf ihren langfristigen Stellenwert im Zahlungsverkehr.Aktuell ist der Großteil der Girocards mit einem Co-Badging ausgestattet – entweder mit Mastercard oder Visa V-Pay. Das könnte sich bald ändern, was dazu führen würde, dass den Deutschen zumindest auf diesem Weg die Möglichkeit abhanden kommt, im Ausland zu bezahlen. Denn Maestro wird mit Ausnahme der Märkte Schweiz, Russland und Belarus flächendeckend die Maestro-Funktionalität beenden und durch die Debit Mastercard ersetzen. Die letzten ihrer Art dürften dann spätestens Ende 2027 ausgestorben – Verzeihung: ausgelaufen – sein. Insgesamt, so das Unternehmen, seien rund 400 Millionen Karten im Umlauf.
Was sind die Gründe?
Die Begründung, die das Unternehmen anführt, klingt plausibel. Denn eigentlich ist eine kartenbasierte Lösung immer seltener erforderlich, insbesondere wenn bis dahin flächendeckend Alternativen bereitstehen. Über die Gründe hierfür darf natürlich spekuliert werden. Sind es wirklich, wie die Mastercard-Sprecherin betont, lediglich praktische Erwägungen oder hat man sich aus politischen Gründen zu diesem Schritt entschlossen, der unter anderem für die deutsche Bankenwelt so tiefgreifende Auswirkungen haben wird?
Insgesamt liest sich das alles recht blumig: Man sei, heißt es da, im selben Jahr (1991) mit Maestro gestartet, in dem Tim Berners-Lee das Web in der heutigen Form erfand und habe „die einzige europaweite Debit-Marke geschaffen, die überall in Europa akzeptiert wurde“.
Aber in 30 Jahren hat sich viel geändert – so wie sich auch in den vergangenen 20 Monaten viel geändert hat. Wir leben mittlerweile ein deutlich digitaleres Leben und lernen, arbeiten, tauschen uns aus und geben unser Geld online aus. Und nun, wo das Wachstum im Online-Handel das im Einzelhandel weit übertrifft, wird es Zeit, die Maestro-Karten zu erneuern.“
Aus dem Blogbeitrag von Mastercard
Und weiter heißt es: „Maestro hat mitgeholfen, die Art, wie wir bezahlen, zu verändern. Aber die Welt hat sich auch weiterentwickelt – genauso wie unsere Karten. Vorbei sind Magnetstreifen, Unterschriftenfelder und Einwegkunststoffe. Stattdessen werden nun Chipkarten, Fingerabdruck-Authentifizierung und recycelte beziehungsweise organische Materialien genutzt. Die schrittweise Ablösung von Maestro durch die Debit-Mastercard ist nichts anderes.“
Banken kommt akut in Zugzwang
Was bedeutet das für die Deutsche Kreditwirtschaft? Sie hat ein Interesse mehr daran, zügig die European Banking Initiative (EPI) voranzutreiben – doch auch da läuft den Banken eigentlich schon die Zeit davon, wenn man bedenkt, dass all das schon in knapp zwei Jahren zu berücksichtigen ist. Die EPI würde einen Teil des Problems abfedern und dazu führen, dass die rund 100 Millionen Bankkarten gegebenenfalls auch im Ausland einsetzbar bleiben. Andernfalls würden sich natürlich sicherlich schnell US-amerikanische Player von Google bis Apple finden, die den Kundinnen und Kunden das Bezahlen per Smartphone schmackhaft machen. Denn das wäre im konkreten Fall eher ein Sonderkonjunkturprogramm für derartige Dienste, würde aber auch den Kreditkarten ausgebenden Unternehmen – hier vor allem Visa und Mastercard – in den Kram passen.
Und neben der Auslandsfähigkeit ist da auch noch das Online-Thema, das die deutschen Banken ja eigentlich mit Hilfe des #DK-Programms, das zusammengefasst unter dem Stichwort Giropay rangiert, angehen wollten. Doch davon hört man seit Monaten ebenfalls wenig. Sowohl die deutsche Sonderlösung als auch der europäische Weg werden die Banken und Sparkassen mehrere hundert Millionen Euro kosten (das gesamte international angelegte Unternehmen geht in die Milliarden), sind aber eine gute Investition in die Zukunft. Denn die Alternative wäre, das Geschäft nahezu komplett in fremde Hände (namentlich in die von Visa und Mastercard) zu geben.
Verlieren die Banken das Geschäft an Visa und Mastercard?
Und die Händler und Payment-Dienstleister werden sich einmal mehr umstellen müssen und, nachdem im vergangenen Jahr gerade zahlreiche Veränderungen am POS und in der Kassenzone stattgefunden haben, erneut umstellen müssen. Händler werden vor allem über kurz oder lang nicht mehr drum herum kommen, Visa- und Mastercard-Debitkarten zu akzeptieren. Denn zum einen setzen immer mehr Banken nicht nur fakultativ, sondern als primäre Karte auf die Debitkarten der beiden großen Anbieter, zum anderen haben die beiden US-amerikanischen Kreditkartenunternehmen das wohl in der Vergangenheit entsprechend bei den Banken incentiviert. Gerade bei den Neobanken, deren Kunden tendenziell jünger sind und häufiger bargeldlos zahlen, ist dieser Trend zu beobachten.tw
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