Unzer (ehem. Heidelpay) übernimmt Lavego: So geht es im deutschen Payment-Markt weiter …
Unzer, hinter diesem für deutsche Ohren etwas sperrigen Namen verbirgt sich der als Heidelpay gestartete Payment Service Provider. Marcus Mosen, Ex-Chef von Concardis, schreibt in einem Artikel bei Finanz-Szene: „Ein Deal der Sinn macht“. Stimmt. Und es wird nicht der letzte sein …
von Rudolf Linsenbarth
Der Veränderungsdruck im Payment-Markt ist nach wie vor extrem hoch! Mit Lavego verlässt ein weiterer „unabhängiger“ Netzbetreiber die Bühne. Ingenico wurde von der Worldline übernommen! Der dänische Concardis-Eigner Nets fusioniert mit der italienischen NEXI! Die in VR Payment umbenannte Card Process ist zwar nach wie vor im Besitz der Genossen, aber wird das so bleiben? Ein guter Anlass, die Szene der girocard-Netzbetreiber zu beleuchten.Mein letzter Review stammt aus dem Sommer 2018. Anlässlich des Mergers (oder der Übernahme, je nach Lesart) von Ingenico und BS Payone, hatte ich den Artikel „Last Man Standing“ genannt, da nur noch die Card Process als Netzbetreiber in Bankenhand verblieben war. In diesem Beitrag hatte ich ebenfalls geschrieben:
In Bezug auf die Größe steht Lavego ohne Partner oder einen starken Konzern im Hintergrund da. Hier sehe ich zumindest einen weiteren Übernahmekandidaten.“
Florian Gohlke, Vorstand und Hauptgesellschafter der Lavego, hatte meinen Beitrag damals so kommentiert:
…kann ich versichern, dass wir uns in unserer Rolle sehr wohl fühlen und bis jetzt alle Übernahmeanträge dankend abgelehnt haben.“
Nun ist es doch so gekommen, wie von mir prognostiziert. Gibt es jetzt noch weitere Übernahmekandidaten unter den Netzbetreibern und wer könnte das sein?
1. Die Trendsetter Gemeint sind hier Worldline, Fiserv (First Data ex Telecash), Verifone (Intercard) und NEXI (Concardis), zusammen stellen sie je nach Zählweise ca. 80 % aller Terminals im girocard-Netzbetrieb.
Dabei kommt Payone als konsolidierter Worldline Payment Provider allein auf fast 40 %. Ich stelle mir die folgenden Fragen: Wird Worldline nun seine Assets als Technologieunternehmen voll zur Geltung bringen können? Werden die beiden Terminalsparten des Konzerns (Ingenico und YOMANI) zusammengeführt? Welche konkreten Vorteile erwachsen Payone aus der Worldline-Teilnahme an der EPI Initiative? Wie groß ist der Einfluss der Sparkassen auf die „neue“ Payone?
Auch Verifone ist über seine Tochter Intercard mit einem größeren Fußabdruck vertreten. Im Gegensatz zu den beiden erst genannten Unternehmen aber ohne eigene Acquiring-Lizenz. Auch Online-Angebote für die Multichannel-Händler sind bei Intercard kein Thema. Ein Achtungserfolg war zumindest die Auswahl als Zahlungsdienstleister für das ambitionierte, aber augenscheinlich nicht so erfolgreiche Payback-Pay. Ich bin gespannt, ob es Intercard gelingt, das Thema kartenbasierte Lastschrift am POS zu halten.
Concardis der deutscher NEXI Payment Arm ist, gemessen an der Zahl von Terminals, der kleinste Spieler in dieser Runde. Mit einem großen Konzern im Rücken lässt sich aber sicher das eine oder andere Investment tätigen. Da wären zum Beispiel der weitere Ausbau der mPOS-Aktivtäten von Optipay oder ein größeres Engagement im Kassenbereich wie bei Orderbird. Auch die komplette Übernahme der WEAT und damit der Erwerb zusätzlicher Kompetenz im Mineralölbereich wäre denkbar. Last but not least ist NEXI, genau wie Worldline in der EPI Initiative aktiv!
2. Der Banker: VR Payment liegt mit etwas unter 10 % aller girocard-Terminals in einer guten Mittelfeldposition, übrigens noch deutlich vor Concardis. Die Mutter DZ Bank steuert noch eine Acquiring-Lizenz hinzu und ist ebenfalls Mitglied der EPI-Initiative.
Als weiteres starkes Asset könnte man den direkten Händler-Kontakt über die Genossenschaftsbanken sehen. Ob der mehrstufige Vertrieb mit entsprechend hohen Produktpreisen in einem immer kompetitiveren Marktumfeld eine Zukunft hat, wage ich zu bezweifeln.
Spannend finde ich auch, dass eine Volksbank im Südwesten der Republik bereits vor 12 Jahren einen konkurrierenden Zahlungsdienstleister mit eigener Acquiring-Lizenz gegründet hat. Diese First Cash Solution hat dabei auch schon eine Reihe von Achtungserfolgen eingefahren.
Die im Vergleich zur VR Payment sehr viel größeren Kollegen aus dem Sparkassenlager hatten sich frühzeitig nach einem Partner umgesehen. Wollte VR Payment diesem Beispiel folgen, würde sich hier die Targobank-Mutter Credit Mutuel anbieten, in Frankreich einer der Großen im Payment und bereits mit 5 % am Unternehmen beteiligt.
3. Die Newcomer
Neben Unzer haben mittlerweile auch die PSPs Adyen und Computop eine Lizenz, um Terminals für girocard-Transaktionen aufstellen zu dürfen. Das macht aus mehreren Gesichtspunkten Sinn. Der Handel entwickelt sich immer mehr in Richtung Multichannel und will Angebote aus einer Hand. Die Grenzen zwischen Online- und Offline-Zahlverfahren am physischen POS lösen sich gerade auf. Sobald die girocard onlinefähig ist, zahlt sich die Investition in eine Netzbetreiberlizenz richtig aus. Bin gespannt, ob das mit #DK so kommt.
Adyen verfügt als einziger dieser 3 Wettbewerber über eine eigene Acquiring-Lizenz und hat damit das Potenzial, auch bei den ganz großen Deals im Terminalgeschäft mitzumischen.
Computop hat sich als Spezialist für kundenspezifische Sonderlösungen im Online Payment einen Namen gemacht. Dem stationären Händler eine Loyalty-Funktion auf das Payment aufzusatteln, könnte also ein Asset sein. Trotzdem kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Computop auf Dauer als unabhängiges Unternehmen am Markt bestehen bleibt. Für mich macht z.B. ein Zusammengehen mit Verifone durchaus Sinn.
Unzer, also das bisherige Heidelpay, hatte ich dagegen lange unterschätzt: Kein eigenes Acquiring und kein Netzbetrieb sowie ein Name mit einem provinziellen Image. Nach dem sehr interessanten FinanceFWD-Podcast mit dem Gründer Mirko Hüllemann habe ich meine Meinung revidiert.
4. Der Handel
Ein eigener Netzbetrieb war für den Handel vor einer Dekade vielleicht sinnvoll. Die dazu notwendigen Skaleneffekte lassen sich heute für ein einzelnes Unternehmen einfach nicht mehr erreichen. Von daher rechne ich damit, dass sowohl REWE als auch Douglas ihren Netzbetrieb veräußern werden.
Gerade im Fall Douglas Informatik wundert mich, dass das noch längst nicht geschehen ist. Das Unternehmen ist ein interessantes Target für einen Multi Channel Payment Provider. Vielleicht schlägt ja einer der zuvor genannten PSPs zu.
Bei REWE könnte es vielleicht ein wenig länger dauern. Vielleicht will sich der Konzern vorerst noch die Möglichkeit offenhalten, ein neues händlerbasiertes Zahlverfahren an den POS zu bringen. Insgesamt aber läuft die Uhr gegen einen Netzbetrieb aus dem Handel. Die wirklichen Payment-Innovationen finden in Zukunft außerhalb von Terminals statt!
5. Die Mobilitätsanbieter
Zunächst einmal gelten auch hier die Anmerkungen wie oben für den Handel. Auf Dauer wird es schwierig, Payment ohne Skaleneffekte sinnvoll zu betreiben. Allerdings bietet das Thema eine echte Wachstumsstory. Fast eine halbe Million Ladesäulen werden bis 2030 benötigt. Wie dort bezahlt werden soll, ist final noch nicht geklärt. Besitzer eines E-Autos können da einiges erzählen.
Was hat das mit der Mineralölbranche zu tun? Hier gibt es bereits Erfahrungen mit Flottenkarten und unbeaufsichtigten Terminals. Bezahlen an der Tankstelle wird immer mehr zu einem Technologiethema. Man denke nur an innovative Themen wie Pay@Pump (vorfahren tanken weiterfahren). Diese technische Kompetenz hat Unzer mit der Lavego-Übernahme gewonnen.
BP und Shell könnten durch eine Veräußerung einen schönen Einmalgewinn erzielen. Dem steht aber entgegen, dass sich der Verkauf von Benzin nicht auf einem aufsteigenden Ast befindet. Soll man sich also aus dem zukunftsträchtigeren Geschäftsfeld Payment verabschieden oder ist eine strategische Partnerschaft nicht doch sinnvoller
Ähnliches gilt auch für die WEAT. Hier kommt noch die komplexe Eigentümerstruktur, zwei Mineralölunternehmen und zwei Zahlungsdienstleister, erschwerend hinzu.
Die DB Vertrieb GmbH hat ihren Netzbetrieb vorrangig für die gut 6000 Fahrkartenautomaten. Ähnlich die AGES Maut System mit allerdings nur einigen 100 Terminals zur Begleichung der LKW-Maut. Mit Fortschreiten der Tendenz, Mobilitätsdienstleistungen online zu bezahlen, nimmt die Wirtschaftlichkeit dieser eigenständig betriebenen Infrastrukturen weiter ab.
6. Die Sonstigen
Elavon Financial Services ist ein Tochterunternehmen der U.S. Bancorp. Ausgestattet mit einer Acquiring-Lizenz sowie der Möglichkeit, Online-Zahlungen über den konzerneigenen PSP Opayo (ex SagePay). Bisher ist mir Elavon im Wesentlichen als Zahlungsdienstleister für internationale Händler, die länderübergreifend nur einen Zahlungsdienstleister wünschen, im Gedächtnis. Das Unternehmen ist im Prinzip in einer guten Position zu attackieren. Ob es letztendlich selber zur Zielscheibe wird, entscheidet die amerikanische Mutter.
Die transact Elektronische Zahlungssysteme gehört zur Euronet Worldwide. Diese ist in Deutschland vor allem durch die Aufstellung von Geldautomaten bekannt. Beim Netzbetrieb liegt der Fokus von transact eher im mittelgroßen Handelssegment, während die Schwester epay durch die Ausgabe von PrePaid-Karten und deren Abwicklung in den Handelssystemen bestens vertreten ist. Falls es mal kein Bargeld mehr geben sollte, könnten derartige Produkte in der Beliebtheit zunehmen. Mal abwarten, wie sich das weiterentwickelt.
Die VöB-ZVD Processing ist ein echtes Kuriosum. Mit der Übernahme der Postbank gelangte dieser Zahlungsdienstleister in den Besitz der Deutschen Bank. Im Zuge der allgemeinen „Zahlungsdienstleister machen für Banken keinen Sinn“ Theorie, wurde der Geschäftsbereich Kartenzahlung am physischen POS an den Schweizer Zahlungsdienstleister SIX verkauft. Aber die Deutsche Bank ist hier dem Motto, „ein bisschen schwanger geht immer“, treu geblieben. Man hat nur die Kunden verkauft und die Netzbetreiber-Lizenz behalten. Damit man die nicht verliert, hängt an dem Netz genau ein Terminal! Was macht man jetzt damit? Keine Ahnung, aber vielleicht hat die DeuBa genau dafür die ganze FinTech-Kompetenz angeheuert?
Stay Tuned!Rudolf Linsenbarth
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