P2P-Payment per WhatsApp, Messenger & WeChat – der Durchbruch für Mobile Payment in Deutschland?
„Schweden bald als erstes Land bargeldlos“, „Die bargeldlose Zukunft“, „Durch das Netz und das Smartphone an das bargeldlose Zahlen gewöhnt“. So oder so ähnlich klingen die Schlagzeilen im Jahr 2016, wenn es um die abnehmende Bedeutung von Bargeld und die zukünftige Rolle von Mobile Payment-Möglichkeiten geht. Fakt ist, dass immer häufiger bargeldlos und mobil gezahlt wird. Aber wird Bargeld tatsächlich ganz verschwinden? Einen neuen Angriff auf das Kleingeld in unseren Portemonnaies liefert nun das Person2Person (auch Friend2Friend, bzw. P2P)-Payment über Messenger wie WhatsApp, Facebook Messenger oder WeChat.
von Claudia Stalla, Managerin bei Sapient Consulting &
Klaus Schilling, Director bei Sapient Consulting
Nach wie vor ist Deutschland ein Land, in dem klassische Bezahlverfahren wie Banküberweisung oder Bargeld dominieren. Laut Bundesbank hat jeder Bundesbürger durchschnittlich 103 Euro Bargeld im Portemonnaie und jeder zweite Einkauf wird bar gezahlt.
… innovative Mobile-Payment-Lösungen in vielen Ländern gut angenommen – nicht jedoch in Deutschland.”
Um an dieser Situation in Deutschland etwas zu ändern, müssen die Rahmenbedingungen stimmen:
1. Akzeptanz: In Deutschland gibt es noch kein Mobile-Payment-System, das sich etabliert hat. Zwar existieren viele kleinere Anbieter, aber gerade diese Vielfalt des Marktes führt dazu, dass sich Kunden und Händler bei der Nutzung von Mobile Payment noch zurückhalten (http://www.kreditkarte.net/mobile-payment). Globalplayer wie Apple und Google bieten ihre Payment-Lösungen in Deutschland nicht an und verpassen damit die Chance, den Standard zu etablieren. Ebenso versuchen zu viele Anbieter, sich den Markt des P2P-Payments zu teilen. Flächendeckend durchsetzen konnte sich bisher keiner. Vielmehr haben erste Anbieter bereits wieder aufgegeben. 2. Banken: Deutsche Kunden vertrauen in Geldfragen in erster Linie ihrer Bank. Laut der Studie der Unternehmensberatung pwc vom Juli 2016 bestätigen dies 83% der deutschen Bankkunden. Aber Banken nutzen diesen Vorteil im Payment-Umfeld kaum. Erst seit einem Jahr gibt es mit Paydirekt einen Payment-Service, der von den meisten deutschen Instituten unterstützt wird. Mit Paydirekt kann man im Internet bezahlen. Doch eben jenes bieten Bezahldienste wie Paypal in Deutschland längst an.Der Markt war bereits aufgeteilt, bevor das Gemeinschaftsprodukt der deutschen Banken (Paydirekt) an den Start ging.”
So stehen sich Nutzerzahlen von 600.000 zu 16 Millionen (Quelle Paypal: https://www.paypal.com/de/webapps/mpp/home bzw. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Paydirekt) gegenüber. Ein innovativeres Angebot wie ein Bezahlsystem unter Freunden stand nicht mit auf der Agenda. Mobiles Bezahlen bietet Paydirekt gänzlich nicht an. An Bezahldiensten unter Freunden arbeiten Banken in Verbindung mit Start-Ups getrennt voneinander: So steht hinter dem Anbieter Cringle beispielsweise die DKB, Lendstar wird bzw. wurde als White- bzw. Co-Label u. a. von der comdirect bank eingesetzt..
3. Mehrwert: Um den Durchbruch endgültig zu erreichen, muss Mobile Payment gegenüber klassischen Bezahlverfahren Vorteile bieten. Ob der Kunde zum Bezahlen eine Karte auf ein Terminal legt oder ein Smartphone, spielt nicht die ausschlaggebende Rolle. Deutsche Kunden geben in Studien immer wieder an, dass Sicherheit und Datenschutz wichtig für sie sind (siehe tsys bzw. paymill). Das Bezahlen per Smartphone sehen viele Kunden im Hinblick auf Sicherheitsaspekte noch kritisch, was die Verbreitung hemmt. Es braucht also einen Mehrwert, um die Kunden für neue Services zu begeistern. Gerade in punkto Zusatznutzen bietet Mobile Payment mit Person2Person-Payments zukünftig deutliche Vorteile gegenüber Bargeld oder Überweisung mit einer unhandlichen IBAN und BIC.Andere Länder sind Vorreiter
In anderen Ländern – wie den USA, in China und in Teilen Skandinaviens, ist es schon heute alltäglich, Zahlungen im Freundeskreis über Apps zu tätigen. Mit Venmo (zusammengesetzt aus „vendere“ – lateinisch für „verkaufen“ und „mo“ für „mobile“) wurde bereits 2009 in den USA ein Start-up gegründet, das eine App entwickelte, die es im Freundeskreis erlaubte, ohne Unterschrift kleinere Geldbeträge zu transferieren.
‘I’ll venmo you’ ist damit insbesondere bei den Altersgruppen, die zu den sogenannten Milleniums zählen, eine gängige Aussage in den USA geworden.”
Dass die App zudem die Möglichkeit bietet, Nachrichten zu versenden, macht sie zusätzlich attraktiv. So attraktiv, dass ebay Vanmo im Jahr 2014 kaufte.
Ein ähnliches Bild zeichnet sich in Schweden ab. In dem Land, das anstrebt, das erste bargeldlose Land der Welt zu werden, ist es mittlerweile allgemein üblich, selbst kleine Beträge wie das Busticket oder den ‚Drink’ in der Bar mit Karte zu bezahlen.
In Kirchen hat sich sogar der Kollektomat durchgesetzt. Ein Gerät, mit dem die Spendenabgabe per Kreditkarte möglich ist.
Klaus Schilling ist Director bei Sapient Consulting und verantwortet das Beratungsgeschäft im Bereich der mobilen Transformation. Seine Projektschwerpunkte liegen seit über 16 Jahren im Umfeld der Mobile- und Internet- Banking-Anwendungen, in der Durchführung von Strategieprojekten zum Multikanalvertrieb und zu Digital Banking sowie in der Erarbeitung neuer Softwarekonzepte für die Kundenberatung im Multikanal.
Neben dem Kollektomaten ist in Schweden „Swish“ – eine App zur Bezahlung unter Freunden – mittlerweile eine Alltäglichkeit. Ein Swish – und schon ‚fließt’ Geld von einem auf das andere Konto. Der Gebrauch von Swish ist für den Nutzer simpel: Eine Zahlung wird ausgelöst, indem entweder ein bekannter Empfänger aus den Kontakten gewählt oder eine neue Mobilnummer eingegeben wird. Einen individuellen Höchstbetrag für Swish-Überweisungen legt jeder selbst fest – ebenso wie die PIN, mit der eine Zahlung bestätigt wird. Eine Swish-Überweisung findet zudem in Echtzeit statt, so dass sich das Geld innerhalb weniger Sekunden beim Empfänger befindet. Die Nutzung von Swish genießt in Schweden großes Vertrauen – ist es doch ein Gemeinschaftsprojekt der sieben größten Banken des Landes.
Geldtransfer im Messenger
Einen Schritt weiter gehen Anbieter, die auf eigene Apps für den Geldtransfer ganz verzichten und anstatt dessen mobile Messenger (bspw. Facebook-Messenger, WhatsApp oder WeChat) für den Geldtransfer nutzen. Bequemer geht es kaum, denn die Überweisung wird direkt im Chat zwischen den Usern abgewickelt. Die großen Messenger-Dienste verfügen mittlerweile über Nutzerzahlen im dreistelligen Millionenbereich und können somit auf eine maximale Nutzer-Community zurückgreifen. Damit wird das ‚Geldübertragen’ zwischen Bekannten und Freunden spielend leicht, ohne dass eine App installiert werden muss. Die Nutzung eines solchen Dienstes ist selbsterklärend und einfach.
Dass solche Services Potenzial haben, zeigt WeChat in China. Allein zum chinesischen Neujahrsfest hat WeChat 8,08 Milliarden Geldtransfers abgewickelt.”
Das ist mehr als das Doppelte der Transaktionen, die Paypal im kompletten Jahr 2015 verarbeitet hat (Quelle: TheDrum).
Fazit: Manchmal ist es vielleicht auch ein Vorteil, nicht zu den Ersten zu gehören
Im Moment ist der deutsche Mobile-Payment-Markt international gesehen zwar noch rückständig. Stimmen aber die Voraussetzungen, könnte Mobile Payment – und damit auch Ideen wie Person2Person-Payment – auch in Deutschland eine große Zukunft haben. Ein Erfolgsfaktor wird sein, ob Banken zusammen oder gegeneinander arbeiten. Es geht darum, dass ein weithin akzeptierter und bankübergreifender Standard wie beispielsweise in Schweden etabliert wird. Ein Blick nach China und auf WeChat ist sinnvoll, denn dann braucht’s in Zukunft gar keine App mehr. Vielmehr passiert die Überweisung direkt im Messenger, den ohnehin schon jeder nutzt.aj
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