Prozessmanagement schweißt Bank-Organisation und IT zusammen
Deutsche Banken läuten die nächste Runde bei der Optimierung von Geschäftsprozessen ein. Das Neue daran: Künftig spielen Organisationsabteilungen eine aktivere Rolle in der Banksteuerung. Dafür stellen die Institute von funktionsorientierter Aufbauorganisation auf prozessorientierte Ablauforganisation um. Der Schulterschluss mit der IT zahlt sich dabei besonders aus.
von Tanja Micheel, VR FinanzDienstLeistung
Ein Blick auf die IT-Budgets deutscher Banken offenbart: Bestenfalls jeder dritte Euro steht für Innovationen zur Verfügung. 67 Prozent der Kosten verschlingen regulatorische Anforderungen und technische Wartung. Weichenstellungen für künftiges Wachstum fehlen dagegen häufig, wie eine Studie von CSC in Deutschland belegt. Ein weiteres Problem: Die IT-Kosten in der Bankenwelt ufern aus. Pro Mitarbeiter liegen die IT-bezogenen Ausgaben etwa beim Zehnfachen der entsprechenden Kosten in der öffentlichen Verwaltung und rund dem Sechsfachen in der Automobilindustrie. Das muss sich ändern. Eine wesentliche Stellschraube dafür stellt der Abdeckungsgrad von Prozessen durch die IT dar. Vereinfacht ausgedrückt: Je mehr Geschäftsprozesse durch die IT unterstützt werden, desto kosteneffizienter lässt sich arbeiten. Keine allzu große Erkenntnis. Doch vielen Banken fehlen die Methoden, um die für IT-Unterstützung geeigneten Prozesse tatsächlich zu identifizieren.Prozessdenken nachhaltig verankern
Eine Hürde stellen die nach wie vor vorhandenen IT-Silos in unterschiedlichen Abteilungen dar. Diese aufzubrechen, ist eine von Unternehmensberatern häufig vorgebrachte Empfehlung. Die nötige Vorarbeit beginnt jedoch bereits im Anweisungswesen. Viele Banken verfügen noch nicht über eine prozessorientierte Ablauforganisation. Folglich greifen nur sehr wenige der inzwischen umfangreich vorhandenen Prozessmanagement-Tools, seien es BPM-Audits oder Reifegradmodelle wie EFQM und CMMI. Doch die erforderlichen Steuerungsgrößen, ausgedrückt in Prozesskennzahlen, lassen sich bei einer funktionsorientierten Aufbauorganisation kaum in erforderlichem Maße erheben. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist also eine Umstellung des Anweisungswesens auf prozessorientierte Abläufe, konkret: Eine Umstellung des Organisationshandbuchs. Dann wiederum stellt die Bank-Organisation die natürliche Quelle für Innovationen dar, da dort alle wesentlichen Prozesse zusammenlaufen.
Kostentransparenz durch Prozessmanagement
Die Bank-Organisation entwickelt sich auf die geschilderte Weise zu einem natürlichen Partner für die IT-Abteilungen. Schon heute bestehen vielfältige Berührungspunkte zwischen Organisation und IT, die sich ummünzen lassen in Mehrwerte für das Unternehmen. Beispiel: Papierlose Kommunikation. Haben die Prozessmodellierer in der Bank-Organisation bereits ermittelt, ob und in welcher Weise sich etwa die Anschaffung von Pen Pads lohnt, haben die IT-Abteilungen ein stichhaltiges Argument für die Budgetentscheidung in der Hand. Wer beziffern kann, wie viel Zeit sich durch das schnelle Speichern digitaler Unterschriften einsparen lässt und wie viele Anwender im Haus davon profitieren, zieht bei Kosten-Nutzen-Rechnungen in den Budgetverhandlungen zumindest nicht mehr den Kürzesten.
Eine prozessorientierte Perspektive eignet sich zudem, um Anknüpfungspunkte für die Unterstützung von Arbeitsabläufen durch IT aufzudecken und Potenziale für Automatisierungen zu identifizieren. Bank-Organisatoren sind zudem in der Lage, durch die Analyse von Prozessen Möglichkeiten für Dunkelverarbeitung zu identifizieren, die sich allein aus funktionsorientierten Prozessbeschreibungen nicht sofort erschließen. Darüber hinaus erleichtert dieses Vorgehen Erkennung von Mustern bei bestehenden Prozessen. So decken moderne Kernbanksysteme inzwischen zahlreiche Standards ab, für die Banken zuvor eigenständige Abläufe definiert und teilweise IT-Eigenentwicklungen implementiert haben. Mit einer prozessorientiert arbeitenden Bank-Organisation und einer pfiffigen IT-Abteilung lassen sich diese Altsysteme ablösen und Kosten sparen, ohne die bewährte IT-Unterstützung aufzugeben.
Rollenwechsel: Bank-Organisatoren als Dienstleister
Insgesamt bietet sich für die Bank-Organisation die Chance, IT-Abteilungen von konzeptionellen und vor allem koordinativen Aufgaben zu entlasten und diesen Mehrwert wiederum den Fachbereichen als Dienstleistung anzubieten. Dieser Rollenwechsel macht aus den Fachabteilungen interne Kunden der Bank-Organisation. Es kommt deshalb darauf an, frühzeitig Verbündete im Unternehmen zu finden und sie davon zu überzeugen, dass sie selbst von der prozessorientierten Bank-Organisation profitieren. Aus dem Schreibbüro, als das „die Orga“ häufig verschrien ist, muss sich ein moderner Dienstleistungsbetrieb entwickeln, der methodisches Know-how für die fachlichen Einheiten des Unternehmens bereitstellt. Idealerweise hat die Bank-Organisation dafür die Rückendeckung des Vorstands.
Am 3. und 4. März 2016 referiert die Organisationsexpertin zum Thema „Auf dem Weg zur effizienten Bank“ beim Procedera-Jahreskongress in Potsdam.
Gegenüber dem eigenen Vorstand lassen sich die Mehrwerte anschließend klar benennen – auch hier empfiehlt sich eine Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung. Denn die steht häufig allein auf weiter Flur, wenn es beispielsweise darum geht, effektivere Management-Tools zu entwickeln. Eine Bank-Organisation, die das Haus prozessorientiert umbaut, liefert den methodischen Grundstein für moderne Analysetools – von Business Analytics bis hin zu Business Intelligence. Im Tandem können IT- und Organisationsabteilung einzigartige Mehrwerte bieten, die vor allem darauf abzielen, die Fachabteilungen zu entlasten. Im aktuell angespannten Marktumfeld ist das dringend nötig. Drei von fünf Kreditinstituten rechnen in den kommenden drei Jahren mit einer anhaltend rückläufigen Geschäftsentwicklung, so die aktuelle Fraunhofer-Studie „Bank und Zukunft“. Die veränderte Rolle der Bank-Organisation kann hier im Verbund mit der IT-Abteilung für den entscheidenden Luftzug auf der nicht gerade kurzen Tauchstrecke sorgen.aj
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