TIPS, Digitaler Euro und #DK ‑ so sieht es Burkhard Balz (Deutsche Bundesbank)
Am 18. November sprach Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, die Keynote auf dem virtuellen TECH DAY im Rahmen der Euro Finance Week. Er erläuterte regulatorische Weichenstellungen, die Aufgaben der Privatwirtschaft für den europäischen Zahlungsverkehr sowie den Stand der Abwägungen hinsichtlich der möglichen Einführung eines digitalen Euro. Hier die interessantesten Stellen in der Zusammenfassung seiner Rede.
von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
Unser Alltag wird immer stärker durch die Digitalisierung geprägt. Das geht weit über Homeoffice, virtuelle Kulturevents und hybride Konferenzen hinaus.Viele digitale Services sind inzwischen mit digitalen Zahlungen verknüpft. Deren nahtlose Einbindung in das jeweilige Ökosystem ist für die Kunden bequem. Für die Plattform sind sie ein weiterer Baustein, um personalisierte Leistungen zu entwickeln und die eigene Marktmacht zu vergrößern.
Plattformgiganten mit datengetriebenen Geschäftsmodellen nutzen äußerst erfolgreich Netzwerk- und Skaleneffekte. Das sorgt dafür, dass Monopole entstehen können – zum Nachteil von Verbrauchern und Wirtschaft insgesamt.
Im Zahlungsverkehr in Europa konkurrieren die noch verbliebenen nationalen mit den internationalen Kartensystemen. Sie profitieren davon, dass bargeldloses Bezahlen immer beliebter wird. COVID-19 und das kontaktlose Bezahlen mit Karte oder Smartphone hat diesen Trend beschleunigt.
Für Deutschland prognostiziert das EHI Retail Institute, dass der Bargeldanteil im stationären Handel in diesem Jahr um etwa fünf Prozent zurückgeht, hauptsächlich zugunsten von Kartenzahlungen, aber auch von mobilen Lösungen wie Apple Pay und Google Pay. Derzeit werden Zahlungen mit Apple Pay oder Google Pay meist über die internationalen Kartensysteme abgewickelt.
Regulatorische Weichenstellungen für den Zahlungsverkehr
Der europäische Zahlungsverkehrsmarkt braucht eine aktive Gestaltung: eine gemeinsame europäische Vision und Strategie. Er braucht die richtigen Impulse, damit europäische Zahlungsdienstleister wettbewerbsfähige Angebote für Europa und möglicherweise darüber hinaus entwickeln.
Die Europäische Kommission sieht SEPA Instant Payments als „Neue Normalität“. Die Bundesbank findet den dafür vorgezeichneten Weg grundsätzlich richtig. Das Eurosystem hat eine letzte Lücke für die gesamteuropäische Abwicklung von Instant Payments geschlossen, unter anderem durch die Einbindung privater Zahlungssysteme und eine verpflichtende Teilnahme für Zahlungsdienstleister mit TARGET-Konten am TARGET Instant Payments System, kurz: TIPS.
Kontobasierte Zahlungsdienste, die effizient, sicher, kostengünstig und einfach überall in Europa zu nutzen sind, können eine Basis für die europäischen Banken sein, um im wachsenden Open-Finance-Ökosystem vorne mitzuspielen.”
Open Finance bedeutet die logische Fortsetzung von Open Banking. In Verbindung mit elektronischen Identitäten, einem diskriminierungsfreien, fairen Zugang zu notwendigen privaten technischen Infrastrukturen und einer angepassten Aufsicht für das Ökosystem für den Zahlungsverkehr können damit zukunftsträchtige, innovative und wettbewerbsfähige Finanzdienstleistungen für Europa entwickelt werden.
Dabei darf keineswegs der Schutz vor Cyber-Kriminalität vernachlässigt werden. Der neue Gesetzvorschlag der EU-Kommission zur Stärkung der digitalen operationellen Resilienz schafft einen einheitlichen Rahmen für das IT-Risikomanagement von Finanzunternehmen. Dabei sollte auch auf das sogenannte TIBER-Rahmenwerk zurückgegriffen werden. Mit diesem hat das Eurosystem eine Grundlage für bedrohungsgeleitete „Red-Team-Tests“, auch „ethisches Hacking“ genannt, geschaffen.
Privatwirtschaftliche Umsetzung
Es ist Aufgabe des Privatsektors, die regulatorischen Rahmenbedingungen mit Leben zu füllen. Dazu gehört auch, langfristig in europäische Lösungen für den Zahlungsverkehr zu investieren. Ein sinnvoller erster Schritt wird bereits auf nationaler Ebene unternommen.
Unter dem Schlagwort #DK will die deutsche Kreditwirtschaft ihre verschiedenen Produkte unter einer gemeinsamen Marke für alle Bezahlsituationen – online, stationär, mobil, Person-to-Person – zusammenführen.”
Einige europäische Banken wollen mit der European Payment Initiative eine überzeugende europäische Zahlungslösung entwickeln. Das Eurosystem hat wesentliche Anforderungen an eine solche bereits im vergangenen Jahr formuliert.
Inzwischen wurde ein gemeinsames Unternehmen gegründet, um die Arbeiten weiter voranzubringen. Die Bundesbank, das Eurosystem und die EU-Kommission ermutigen die Beteiligten, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und den Takt zu beschleunigen. Für den Erfolg wird es entscheidend darauf ankommen, weitere Mitstreiter zu gewinnen, um nicht nur in fünf Ländern des Euroraums vertreten zu sein, sondern möglichst in allen.
Überlegungen für einen digitalen Euro
Das Eurosystem prüft zurzeit die mögliche Ausgabe eines „digitalen Euro“, d.h. digitales Zentralbankgeld für die Allgemeinheit. Die könnte in Zukunft erforderlich werden: etwa wenn sich die Bargeldnutzung drastisch reduziert oder wenn globale Stablecoins oder digitales Zentralbankgeld anderer Staaten in Europa eine dominierende Rolle im Zahlungsverkehr einnehmen würden. Ebenso könnte ein programmierbarer digitaler Euro für Zahlungen in DLT-basierten Anwendungen, z. B. im Internet der Dinge, gefragt sein.
Die Ausgabe von Zentralbankgeld in digitaler Form an jedermann könnte Auswirkungen auf das bewährte Zusammenspiel zwischen Zentralbanken und Geschäftsbanken und auf deren Geschäftstätigkeit haben. Vor- und Nachteile müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.”
Eine hochrangige Task Force des Eurosystems befasst sich eingehend mit diesen Fragen. Gleichzeitig gehen wir in eine Phase vertiefter Analyse und technischer Experimente. Dabei muss aber Sorgfalt vor Zeitdruck gehen!
Ob und in welcher Form ein digitaler Euro kommen könnte, ist längst nicht entschieden. Geplant ist, dass der EZB-Rat sich dazu Mitte 2021 festlegt. Wir erarbeiten aktuell die Entscheidungsgrundlage. Dazu können Sie sich alle bis zum 12. Januar 2021 an der öffentlichen Konsultation beteiligen.
Wir müssen die europäische Zahlungsinfrastruktur zukunftssicher ausrichten. Die Zentralbanken dürften dabei nicht nur zusehen, nicht nur mahnen oder drängen, sondern auch mitgestalten. Ob der digitale Euro dafür das richtige Instrument ist, wird sich am Ende unserer Überlegungen zeigen.
Er wäre nicht nur ein neues Zahlungsmittel, sondern auch eine vollwertige Zahlungsinfrastruktur, die neben den bestehenden, kontobasierten Zahlungslösungen stehen würde. Die wesentliche Frage ist, wie deren Zusammenspiel aussehen könnte. Das Ziel muss ein effizienter, sicherer und innovativer europäischer Zahlungsverkehr auf dem Fundament eines soliden Finanzsystems sein.
Die vollständige Rede können Sie hier nachlesen.pp
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