Telekom beendet den Ausflug in das Mobile Payment: Was passiert nun mit “girocard mobile”?
Schon seit Wochen liefen Gerüchte, dass die Telekom ihr Mobile Payment Produkt MyWallet einstellen würde – jetzt ist es amtlich. Nach Schließung der Londoner Tochter Click&Buy wurde die Einstellung der App für den deutschen Markt bekanntgegeben. Warum jetzt? Und welche Konsequenzen hat das für „girocard mobile“? Die Analyse vom Payment-Experten Rudolf Linsenbarth.
von Rudolf Linsenbarth
Nun gibt es also keine myWallet mehr. Als erstes stellt sich die Frage nach dem: Warum? Von Seiten der Telekom teilte man uns dazu mit, man hätte das Produkt sehr früh am Markt gehabt und wollte gemeinsam mit Partnern attraktive Angebote und Geschäftsmodelle entwickeln. Es wäre aber zu beobachten, dass insbesondere international agierende Unternehmen massiv in konkurrierende Modelle investieren und dadurch die SIM-basierte Lösung als Standard in Frage stellen.… zu früh, NFC nicht verbreitet, Banken uneinig, …
Ferner habe sich der Markt langsamer entwickelt als angenommen und die Verbreitung von NFC-fähigen Terminals im Handel wäre immer noch geringer als erhofft. Letztendlich sind sich die Banken in Deutschland bezüglich des richtigen Ansatzes (Cloud-, Endgeräte- oder SIM-basiert) nicht einig und haben andere Prioritäten. Aus diesen Gründen konnte man nur Kundenzahlen im niedrigen fünfstelligen Bereich gewinnen. Die Konsequenz ist daher, sich in Deutschland aus diesem Marktsegment zu verabschieden.
Begründung enthält durchaus valide Punkte
Mobile Payment steht bei vielen deutschen Banken gar nicht auf der Tagesordnung. Wahrscheinlich war der versuchte Einstieg der Telekom in den Zahlungsverkehr nur ein großes Missverständnis. Als man 2010 die Click&Buy in den Konzern eingliederte herrschte Goldgräberstimmung. Viele waren von den Margen im Operator Billing berauscht und glaubten, mit diesem Zahlungsdienstleister wäre man auf eine Goldgrube gestoßen. Allerdings ist Zahlungsverkehr ein hart umkämpftes Geschäft und Gewinne kommen vor allem durch Größenvorteile zustande. Das wollte man nicht wahrhaben und begann, die eigene Wallet ohne die Unterstützung der Banken aufzubauen. Anscheinend war der erste Entwurf so schlecht, dass er gleich wieder eingestampft wurde. Im zweiten Anlauf begnügte man sich damit, das Mobile Payment Konzept von Vodafone eins zu eins zu kopieren. Um dabei den Schein eines eigenständigen Payment-Providers zu wahren, wurde um den Payment-Kern von Wirecard, das Lizenz-Mäntelchen der Click&Buy gehängt. Wäre im Prinzip nicht notwendig gewesen, da Wirecard das auch alles selber mitbringt.
Schluss mit Click&Buy: Wallet ohne Payment
Als dann im Frühjahr 2016 die Einstellung der Geschäfte von Click&Buy beschlossen wurde, musste auch die Bezahlfunktion von MyWallet beendet werden. Alternativ wäre noch der Rückgriff auf die Wirecard-Lizenz möglich gewesen. Auf Grund des bisherigen mäßigen Erfolges entschied man sich aber für eine Kooperation mit der Targobank. Warum diese Zusamenarbeit dann doch nicht zustande kam, darüber lässt sich im Augenblick nur spekulieren.
Die Telekom hatte nun eine Wallet ohne Payment und konnte nicht sagen, wann sich das ändern würde. Daher hat man in Bonn die Reißleine gezogen. Ob das jetzt zu früh war, und man nicht der girocard noch eine Chance hätte geben sollen, lässt sich schwer abschätzen.
Was so nicht stimmt
Falsch ist jedenfalls die Behauptung, Teil des Problems wäre eine nicht ausreichende Terminal-Infrastruktur. Gerade erst haben mit REWE und real zwei weitere Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels die Kontaktlos-Technologie aktiviert. Tanken und Essen – hier kann jeder Deutsche Mobile Payment mehrmals in der Woche einsetzen. Wer da von fehlender Infrastruktur spricht, verkennt die Realitäten.
Richtig ist vielmehr, dass der klassische Mobile Payment Ansatz und insbesondere die Art und Weise, wie die Banken dabei integriert werden, gerade einen Paradigmenwechsel erfährt. Seit der Präsentation von Apple Pay im Herbst 2014 ist Tokenisation das dafür gesetzte Verfahren!
Im Smartphone werden nicht mehr die Original -Kartendaten abgelegt. Die Banken ersparen sich dadurch die aufwendige Integration mit den einzelnen Wallet-Anbietern. Schon bei der Präsentation war klar, dass in Zukunft fast keine Bank mehr einen anderen Ansatz verfolgen wird. Warum die Targobank trotzdem den Weg über die aufwendigere Vollintegration angeht, wird verständlich wenn man weiß, dass der Mutterkonzern Credit Mutuel in Frankreich ein eigenes Mobilfunkunternehmen betreibt.
Reaktion der Banken: Weiter mit Vodafone und einem Friendly-User-Test
Während bei Vodafone frühzeitig die Zeichen der Zeit in eine neue Produktentwicklung mündeten, war die Telekom also auf die Kooperation weniger Banken angewiesen. Wie werden diese nun reagieren?
Insbesondere die Genossenschaftsbanken hatten sich mehrfach zu den Wallet-Lösungen der Mobilfunkunternehmen bekannt. Der BVR teilte uns dazu mit, dass der Start des girocard-Piloten als Friendly-User-Test zusammen mit Vodafone im November wie geplant durchgeführt wird. Ob im Weiteren die SIM oder eine Cloud (HCE)-Lösung hinter dem neuen Bezahlangebot stecken wird, werde im Anschluss entschieden. An der Strategie, die girocard ins Smartphone zu bringen, ändere das nichts. Für die Kunden dürfte ohnehin der Mehrwert des Bezahlens per Smartphone im Vordergrund stehen, nicht die technischen Details im Hintergrund.
Telekom-Rückzug ist kein Problem für girocard – für Banken wird es hingegen teurer
Der Rückzug eines Anbieters ist also primär kein Problem für die girocard. Deutlicher werden das aber die einzelnen Banken spüren. Hier kommen die von der Telekom erwähnten internationalen Konzerne ins Spiel, die derzeit massiv ins mobile Payment drängen. Gemeint sind wohl vor allem Apple und Google. Wenn hier nur noch ein Oligopol vorhanden ist, wird es auch für die Banken deutlich teurer. Im Falle Apple spüren die Banken das in den Launch Ländern bereits. Dass man wenigstens auf der Android-Plattform sein eigenes Ding machen kann, ist vorerst nur ein Hoffnungswert. Vielleicht unterschätzen die Banken hier den Aufwand, eine Wallet auch zu „bespielen“. Der Kunde wird sich nicht auf mobiles Payment stürzen, wenn er für sich dabei keinen Vorteil erkennt. Die Plastikkarte durch das Smartphone zu ersetzen, taugt dafür nur bedingt. Auch müssen die HCE-Lösungen noch den Beweis erbringen, dass sie genauso benutzerfreundlich und sicher sind, wie eine Mobilfunk-Wallet oder Apple Pay.
Der SIM-Karten-Ansatz ist von allen Verfahren am weitesten entwickelt und gehört zu den zuverlässigsten Lösungen. Warum sollte man hier nicht das Tokenisation-Gen einbringen?D ann klappt’s vielleicht auch mit den Banken.Rudolf Linsenbarth
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– 11. Februar: Paukenschlag: Vodafone bringt PayPal an den POS
– 18. Februar: girocard kommt ins Smartphone per Telekom, Telefonica und Vodafone
– 17. März: girocard mobile: Demo online verfügbar, Technik fertig – es geht nur noch um Verträge
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