Welche Technologien beherrschen die Zukunft der Versicherer?
In vielen Veröffentlichungen stellen Versicherer die jüngsten Projekte mit dem Einsatz von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz heraus. Bei der Umfrage von Sollers Consulting, welche Technologien in den kommenden zehn Jahren zum Einsatz kommen lagen jedoch zwei andere Nennungen vorn. Eine weitere Überraschung: Bei den Kernsystemen dominieren nationale Lösungen.
Mehr als acht der zehn Top-Versicherer in den Märkten werden im Jahr 2031 auf Cloud Computing und robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) setzen. Das ist eines der Ergebnisse der Umfrage von Sollers Consulting unter 80 Managern und Fachleuten aus der Versicherungsbranche in Europa, den USA, Japan und anderen Märkten. Machine Learning (ML) und Künstliche Intelligenz (KI) liegen demnach knapp dahinter auf dem dritten Platz, dicht gefolgt von offenen Schnittstellen (Open API).Am anderen Ende der Skala findet sich Blockchain-Technologie – sie wurde von allen zur Wahl stehenden Alternativen am seltensten genannt. Ebenfalls abgeschlagen sind in der Versicherungsbranche Telematik-Lösungen und das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Das Whitepaper mit allen Details der Umfrage stellt Sollers Consulting kostenlos auf seiner Website zum Download bereit.
Innovationen treiben die Branche
Grundsätzlich offenbaren die Versicherer eine hohe Investitionsbereitschaft, doch es gibt regionale Unterschiede. So zeigt sich in Deutschland eine größere Neigung, neue Technologien einzuführen als beispielsweise in Polen. Die Berater von Sollers nennen dafür zwei unterschiedliche Gründe: Zum einen gebe es Differenzen im Grad der Digitalisierung der jeweiligen Märkte. Zum anderen sei auch das Bewusstsein für deren disruptive Kraft unterschiedlich stark ausgeprägt, so Marcin Pluta, Managing Partner und Mitbegründer von Sollers Consulting.
Zunehmend mehr Aufmerksamkeit erhalten die Kernsysteme – sie sind bislang in vielen Fällen hinter der technischen Entwicklung zurückgeblieben. Die meisten Versicherungsmanager und -experten sind überzeugt, dass die Kernsysteme in die Cloud verlagert werden. Kernsysteme „on cloud“ erzielen die höchsten Zustimmungswerte, „on premise“ die niedrigsten.
Die Fachleute in der Versicherungsbranche wissen, dass Cloud eine größere geschäftliche Flexibilität und operative Effektivität gewährleistet. Beides wird in der Ära der integrierten und intelligenten Ökosysteme immer wichtiger.“
Marcin Pluta, Sollers Consulting
Ein weiterer Gegensatz offenbar sich beim Blick auf die Kernsysteme: Auf Platz 2, nach Cloud-basierten Systemen, finden sich national entwickelte Lösungen, während international orientierte Lösungen auf dem vorletzten Platz rangieren. Für Michał Trochimczuk, ebenfalls Managing Partner und Mitbegründer von Sollers Consulting, nur ein scheinbarer Widerspruch für eine eigentlich stark globalisierte Branche. Das operative Geschäft sei immer noch sehr länderspezifisch. Neben vielen anderen Gründen sei dies auf die national unterschiedlichen Regulierungsanforderungen zurückzuführen.
Bevorzugte Ziele für RPA
Nach dem Einsatz von Cloud Computing wird Automatisierung bei der Entwicklung des Versicherungsunternehmens der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Die Versicherer sehen das größte Potenzial für robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) in den Bereichen Berichtswesen, Policenverwaltung, Back-Office-Prozesse und Schadensbearbeitung. Zwischen 68 und 81 Prozent der Befragten glauben, dass diese administrativen Prozesse in hohem Maße automatisiert werden. Auch im IT-Management werden noch hohe Automatisierungspotenziale erwartet.
Der Vertrieb wird in der Branche zwar immer noch als persönliche Interaktion gesehen. Allerdings ist jeder Dritte Versicherungsmanager und -spezialist davon überzeugt, dass der Vertrieb in Zukunft zu 70 Prozent oder mehr automatisiert sein wird. Alle anderen Bereiche fallen noch dahinter zurück. Das geringste Potenzial für automatisierte Prozesse sehen die Befragten im Marketing.
Banken und Versicherer unternehmen große Anstrengungen, den Versicherungsvertrieb zu digitalisieren. Um dabei erfolgreich zu sein, müssen sie jedoch flexible Versicherungsplattformen implementieren, die es ihnen ermöglichen, schnell auf sich verändernde Märkte zu reagieren.“
Michał Trochimczuk
Internet wird Geschäftsmodelle verändern
Pluta verweist auf die Veränderungen der Branche durch den Einfluss von Preisvergleichs-Websites. Solche Aggregatoren haben demnach die Versicherungsbranche auch aus technischer Sicht verändert, denn Schnelligkeit und Preis haben im Versicherungsgeschäft an Bedeutung gewonnen. Dadurch waren Versicherer gezwungen, Lösungen zu entwickeln, die Vergleichsportale schnell bedienen können. Für zahlreiche Unternehmen sei dies nach wie vor eine Herausforderung.
Der Sollers-Bericht erkennt klare Anzeichen, dass die Geschwindigkeit der Digitalisierung ihre Grenzen noch nicht erreicht hat. Während die Versicherungsbranche viel über datengetriebene Geschäftsmodelle spricht, werde der Wert von Daten nur in sehr vereinzelten Bereichen genutzt. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G wird sich laut Sollers die Menge der verfügbaren Daten nochmals erhöhen. Für die Versicherer werde es eine Herausforderung, diese zu nutzen.
Branchen wie Gastronomie, Tourismus und Medien sind bereits durch das Internet stark verändert worden. Deren Produkte hätten sich nicht wesentlich verändert, aber die Art und Weise, wie sie angeboten und verkauft werden, ist völlig anders, erläutert Trochimczuk. Der Sollers-Experte ist überzeugt, dass dies auch der Versicherungsbranche bevorsteht. hj
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