STRATEGIE30. September 2024

Wissen aus Payment-Daten: Wie Banken Schwäche in Stärke wandeln

Prof. Dr. Key Pousttchi, Gründer wi-mobile Institut für Digitale Transformation <q>Key Poustchi</q>
Prof. Dr. Key Pousttchi, Gründer wi-mobile Institut für Digitale Transformation Key Poustchi

Banken verfügen nicht über diese riesige Menge an querschnittlichen Kundendaten aus der digitalen Welt wie der Handel und gleichzeitig ist der Kunde bei ihnen viel sensibler, was die Datennutzung und mögliche Fehler angeht. Diese Schwäche kann jedoch durchaus eine Stärke werden – wenn man einen Weg findet, etwa durch Datenbereinigung bessere Daten zur Verfügung stellen zu können, meint  Prof. Dr. Key Pousttchi, Deutschlands erster Universitätsprofessor für Digitalisierung. Im Interview spricht er über das sensible Spiel der Nutzung von Payment-Daten.

von Dunja Koelwel

Herr Prof. Pousttchi, Sie meinten einmal: “Die Anwendung von KI auf Payment-Daten bedeutet eine dramatische Verschiebung von Marktmacht und Kontrolle zwischen Banken, Unternehmen und ganzen Branchen.” Was meinen Sie damit genau?

Die Digitalkonzerne, allen voran Apple und Google durch ihre Beherrschung der Smartphone-Betriebssysteme, und in zweiter Näherung Meta und Amazon, haben ein klares Bild davon, was der Nutzer online tut. Aber die Masse des Konsums findet immer noch in der realen Welt statt und damit bleibt der größte Teil des Konsumverhaltens für sie eine Black Box. Sie können es weder sehen, noch Einfluss darauf nehmen.

Prof. Dr. Key Poustchi

Key Pousttchi redet Klartext, wenn es darum geht, wie Deutschland bei Digitalisierung und digitaler Transformation international abgehängt wird. Als Deutschlands erster Universitätsprofessor für Digitalisierung übernahm er 2015 den SAP-Stiftungslehrstuhl an der Universität Potsdam. Der Wirtschaftsinformatiker hatte zuvor an der Universität Augsburg und weiteren Universitäten im In- und Ausland gelehrt. Vor seiner akademischen Karriere hatte er die Ausbildung zum Offizier der Panzertruppe durchlaufen, war Teil des Jugoslawien-Einsatzes IFOR gewesen. Heute widmet er viel Zeit dem wi-mobile Institut für Digitale Transformation, das er gegründet hat und dem er als Direktor vorsteht.

In dem Moment, wo Banken und Unternehmen diese Payment-Daten aus der realen Welt bekommen, ändert sich das: Denn nun können sie das gesamte Wissen, das sie über den Kunden haben, mit dem Konsumverhalten in der realen Welt verknüpfen. Das eröffnet ihnen völlig neue Möglichkeiten.

Mit Hilfe von querschnittlichen Daten können sie wissen, was der Kunde kaufen will, bevor er es selbst weiß. Wenn sie es geschickt anstellen, wissen sie auch, wann und wie sie ihn proaktiv  überzeugen, das bei diesem oder jenem Händler zu tun.”

Wer aber über diese Fähigkeit verfügt, kann das Kundeninteresse auktionsweise versteigern – und damit mikroökonomisch die Marge des Händlers komplett abschöpfen. Das ist das Ziel dieser Konzerne.

Wie effektiv arbeitet KI mit Blick auf Payment-Daten bereits? In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial?

Interessanterweise können die Digitalkonzerne das oben beschriebene bisher nicht. Ich hätte vermutet, dass sie das sehr viel schneller hinbekommen – aber dafür muss man natürlich sehr viele spannende Probleme und Interdependenzen auf einmal lösen.

Ich kann aber vor Überheblichkeit von Seiten der Banken oder Händler nur warnen: Wer sich daran erinnert, wie schlecht die Logistik von Amazon am Anfang funktioniert hat und wie sich die klassischen Versandhändler darüber lustig gemacht haben, weiß wovon ich spreche. Obwohl die oben beschriebene Anwendung also auch im Jahr 2024 immer noch Zukunftsmusik ist, können wir davon ausgehen: sie lernen es.

Alle Anwendungen, die wir bisher sehen, können sehr viel weniger. Natürlich kann man auch mit klassischen Anwendungen des Data Mining auf Payment-Daten schon eine Menge machen. Aber für einen wirklichen Durchbruch muss ich saubere Prognose des Realwelt-Kaufverhaltens in hoher Qualität hinbekommen.

Bei KI und Daten gilt ja immer das Prinzip „garbage in, garbage out“. Wie können Banken dafür sorgen, dass sie hier möglichst wenig Probleme bekommen?

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Prof. Key Pousttch spricht auf dem ZVF Zahlungsverkehrsforum am 12. und 13. November 2024 in Frankfurt zum Thema “Wie bezahlen wir in der Zukunft?”

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Banken verfügen nicht über diese riesige Menge an querschnittlichen Kundendaten aus der digitalen Welt. Sie können das ganz große Spiel also nicht spielen. Gleichzeitig ist der Kunde bei ihnen viel sensibler, was die Datennutzung und mögliche Fehler angeht.

Diese Schwäche kann jedoch durchaus eine Stärke werden – wenn man einen Weg findet, erstens durch Datenbereinigung bessere Daten zur Verfügung stellen zu können und zweitens, den Kunden ein Mehrwertmodell anzubieten, dass sie die Auswertung erlauben und womöglich sogar die Pflege und Freigabe der Daten selbst übernehmen. Hier könnte man durchaus innovative Dienste für Händler anbieten.

Wer ist Ihrer Meinung nach der größere Profiteur: Banken oder der Handel?

Der Handel versucht mit Loyalty-Apps eigene Bezahlverfahren zu etablieren. Das kommt allerdings zehn Jahre zu spät. Loyalty-Apps werden typischerweise nur von absoluten Stammkunden genutzt, und auch für die ist der Vorteil nicht immer überzeugend. Und eine eingebaute Bezahlfunktionalität bleibt meist auf den Händler selbst beschränkt, es ist also eher ein defensives Mittel.

Auf der anderen Seite sehen wir, dass inzwischen fast die Hälfte der iPhone-Nutzer im stationären Handel Apple Pay nutzt. In Ländern wie Frankreich oder UK sind wir schon bei bis zu zwei Drittel. Und Google Pay geht für die Android-Geräte einen ähnlichen Weg. Da werden nun langsam die Fähigkeiten aufgebaut, die ich eingangs beschrieben habe.

Es ist Wahnsinn, dass Händler und Banken ihnen so unglaublich viel Zeit dafür gelassen haben, ohne das Feld selbst zu besetzen.”

Was ist nun die Rolle der Banken? Sie spielen in dem System Apple Pay/Google Pay natürlich mit. Aber auch das ist defensiv, richtige Profiteure sind sie nicht und mit fortlaufender Zeit wird man sie immer weniger brauchen. Ihr wichtigstes Asset ist die Kundenbeziehung, die gilt es zu stärken und auf eine neue Grundlage zu stellen – eine Datengrundlage.

Herr Prof. Pousttchi, vielen Dank für das Gespräch.dk

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