“Das Öffnen der NFC-Schnittstelle würde die Bedienung von Apple Pay verschlechtern!”
Dr. Michael Roland ist Post-Doc am Institut für Netzwerke und Sicherheit der Johannes Kepler Universität Linz und einer der weltweit führenden Experten zum Thema NFC. Sein Buch „Anwendungen und Technik von Near Field Communication (NFC)“, das er zusammen mit Josef Langer verfasst hat, ist das Standardwerk zum Thema. Darüber hinaus deckte Michael Roland bereits 2012 eine Sicherheitslücke in der „Google Wallet“ auf. Sicherheitskritische Themen von NFC Smartphones behandelt sein Buch :„Security Issues in Mobile NFC Devices“. Dr. Michael Roland im Interview über NCF, Apple Pay, Security und Usability.
Herr Dr. Roland, planen Sie eigentlich eine Neuauflage ihres Buches „Anwendungen und Technik von Near Field Communication (NFC)“?
Nein, inzwischen gibt es genügend Literatur zum Thema. Die Entwicklungszyklen sind mittlerweile zu schnell für ein Buch mit dem Anspruch, den Gesamtüberblick zu liefern.
Was gibt es denn an Neuem im Bereich NFC? Wie hat sich der Markt verändert?
Im Vergleich zum Buch hat sich die Verwendung komplett verändert. Es gibt keine Smartposter, wie wir damals annahmen. Tags verweisen im Wesentlichen nur auf URLs oder lösen Aktionen aus. Das Pairing hat sich entgegen aller Erwartungen nicht durchgesetzt. Allerdings hoffe ich hier auf die neue „Form Connection Handover“ des NFC Forums.
Warum weichen bei NFC die damaligen Erwartungen und die tatsächliche Entwicklung so weit voneinander ab?
Vieles was den NFC-Standard betrifft, wurde in einer Zeit vor den Smartphones entwickelt. Man kann sich heute gar nicht mehr richtig vorstellen, wie die Geräte aussahen, die man damals im Auge hatte. Zudem waren Google und Apple lange Zeit nicht mit Mitglied des NFC-Forums. Sie kannten die Standards nicht und entwickelten die Technik, so wie sie das für richtig gehalten haben.
Im hinteren Teil ihres Buches kommen Sie auf das Thema Secure Elements (SE) zu sprechen. Glauben Sie, dass das Secure-Element-Konzept noch ein Revival erlebt?
In dieser Form auf keinen Fall. Wie wir am Beispiel Android sehen, geht es ja auch ohne SE.”
Allerdings sollte auch hier dedizierte Security Hardware in Form eines Smartcard-Chip im Smartphone als generischer Keystore verwendet werden.
Wie sieht es beim iPhone aus?
Können Sie dafür ein Beispiel außerhalb des Payment nennen?
In den USA gibt es die Firma Blackboard, einen Anbieter von Studentenausweisen mit einem dominierenden Marktanteil. Durch die Kooperation mit Apple ist das der quasi Mobile Standard für dieses Marktsegment.
Apple behauptet, durch ein Öffnen der NFC-Schnittstelle wäre die Sicherheit von Apple Pay gefährdet. Können Sie dieses Argument nachvollziehen?
Nein! Das Öffnen der NFC-Schnittstelle würde die Bedienung von Apple Pay verschlechtern! Aber bestimmt nicht die Sicherheit. Unter diesem Aspekt der Bedienbarkeit kann ich aber nachvollziehen, warum Apple so handelt.”
Was Sie hier ansprechen, sind die Konflikte in der Android-Welt, wenn mehrere NFC-Programme sich gegenseitig behindern. Was könnte Google denn noch dazu beitragen, um solche Konflikte zu verhindern, ohne die Schnittstelle gleich komplett zu schließen?
Ich glaube, Google hat schon sehr viel gemacht. Aber NFC-Bezahlapplikationen unterschiedlicher Anbieter können auf einem Smartphone nur schlecht koexistieren. Das ist ähnlich, wenn Sie mehrere kontaktlose Kreditkarten im Geldbeutel haben. Sobald man den an ein Zahlungsterminal hält, gibt es einen Zielkonflikt!
Ist die Öffnung der NFC-Schnittstelle auf dem iPhone, abseits von „Card Emulation“, mittlerweile ausreichend, um dafür NFC-Lösungen zu programmieren?
Der volle Umfang ist immer noch nicht da. Aber durch den Druck aus Großbritannien hat sich viel getan.
Wieso war man in UK an dem Thema so interessiert?
Die Briten brauchten für ihre Brexit App dringend Funktionalitäten zum Auslesen des Reisepasses. Laut Hörensagen hat Apple daraufhin die Tür für alle einen Spalt weit geöffnet.”
Herr Dr. Roland, von Ihnen gibt es auch die App „NFC Tag-Info“. Das ist ein sehr nützliches Tool, allerdings auf Android begrenzt? Planen Sie auch eine Version für das iPhone.
Nein, definitiv nicht! Das hat aber nichts mit Apple zu tun. Ich habe sogar eine fast fertige Version 2 für Android. Ich bin frustriert darüber, wie die Nutzer auf ein kostenloses Angebot reagiert haben. Wenn man sich die Kommentare zur App bei Google Play durchliest, kann man nur den Kopf schütteln.
Ich würde gerne noch einmal auf das Thema Secure Element zurückkommen. Die Mobilfunk-Unternehmen hatten ja mit Global Platform einen Standard entwickelt. Kann man sagen, dass dieser Ansatz durch die eSIM tot ist?
Das sehe ich nicht zwingend. Entscheidend wird sein, wieviel Speicherplatz sie dort zur Verfügung haben und ob sie dort selbstständig Security Domains erstellen können. Zu Beginn war das so nicht möglich, aber die Chips beherrschen jetzt auch die Verwaltungsdelegation.
Wie sieht es denn mit den ganzen Applets aus, wenn der Kunde sein eSIM-Profil löscht, sind die dann auch weg?
Die Mobilfunker müssen dann alle diese Verträge an den nächsten weiterreichen. Was aber vor allem bleibt, ist das Grundproblem der TSM-Infrastruktur!
Einer der USPs der NFC-Lösung der Telkos war der Low-Battery-Mode. Also die Möglichkeit, seine Karten am Smartphone auch dann benutzen zu können, wenn die Batterie leer ist. Geht das auch mit embedded SEs?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Da spielt der verwendete Chipsatz eine Rolle und was der Smartphone-Hersteller für diesen Fall vorgesehen hat. Bei Host Card Emulation geht das natürlich auf keinen Fall. Ich weiß aber nicht, was Apple hier abseits des Payments plant.
Kennen Sie Optimos 2.0, die Initiative des BMWI, und welche Chancen sehen Sie für das Projekt?
Ich muss mich hier leider wiederholen. Durch die Fokussierung auf eine TSM-Infrastruktur halte ich das Projekt für unrealistisch.”
Aber wie soll eine mobile Identität sicher auf einem Smartphone abgelegt werden?
Tokenisation geht auch für den ID Use Case. Man sollte den sicherheitskritischen Teil dem Hardwarehersteller überlassen. Der Keystore erstellt hierbei temporäre Schlüssel (Token), diese werden an das Server Backend weitergeleitet und dort zertifiziert.
Für mich haben Sie gerade FIDO beschrieben!
Im Prinzip ja, ob FIDO alle Use Cases umsetzt, weiß ich nicht. Fido ist vor allem auf den Online-Anwendungsfall fokussiert.
Österreich hat bei der Entwicklung von NFC eine führende Position in der Welt. Woher kommt das?
Sind wir wirklich führend? Ein wesentlicher Punkt ist wohl, dass Mikron, der Vorläufer von NXP ein österreichisches Unternehmen ist. Wir haben es quasi erfunden! Außerdem gibt es in Hagenberg eine gute Forschungskooperation mit NXP.
Wie sehen Sie die Zukunft von NFC, was dürfen wir von dieser Technik noch alles erwarten?
Ich betrachte nicht nur NFC explizit, sondern die kontaktlos Technologie generell. Die kurze Distanz von Nahfeld-Kommunikation ist der Trigger. Dadurch können Aktionen eindeutig einem Nutzer zugeordnet werden. Das geht bei Bluetooth und WLAN nicht!
Als nächstes folgt die Substitution von Karten, trotzdem wird Plastik so schnell nicht komplett aus unserem Leben verschwinden. Wir werden noch lange mit einer sehr bunten Welt leben! Wobei NFC bestimmt nicht das Ende der Entwicklung sein wird.
Gerade im Bereich Identität muss man sich fragen, wird dort überhaupt noch Hardware benötigt, oder kann Inhärenz diese Aufgabe komplett übernehmen? All diese Themen behandeln wir unserem neuen Forschungszentrum Digidow.
Herr Dr. Roland, vielen Dank für das Gespräch!Rudolf Linsenbarth
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