Ethereum? Was dahinter steckt und warum es für Banken und Versicherer viel relevanter als Bitcoin wird
Wer sich in den letzten Wochen aufmerksam mit Kryptowährungen und Blockchain-Technologie beschäftigt hat, konnte die rasante Entwicklung von Ethereum bzw. ihrer Währung Ether nicht übersehen. Was steckt hinter den Kursanstiegen von über 4.000 % seit Anfang des Jahres, dem Überholen von Ripple in der Marktkapitalisierung und warum schauen Experten gerade so gebannt auf diese Plattform.
von Dirk Emminger
Um die Entwicklung rund um Ethereum zu verstehen ,ist das Verständnis wichtig, dass Ethereum keine reine Kryptowährung, sondern ein verteiltes System bzw. eine eigenständige Plattform ist. Auf dieser Plattform können Smart Contracts (selbstausführende Verträge), dezentrale Anwendungen (DApps) und dezentrale autonome Organisationen (DAOs) aufgebaut werden. Die Ethereum Blockchain bzw. das durch die Plattform hergestellte Netzwerk übernimmt dabei klassische Funktionen eines physischen Rechners. Ethereum verwendet die Kryptowährung Ether als Zahlungsmittel, und ebenfalls in Ether werden alle Teilnehmer vergütet, die ihre Rechenleistung dem verteilten System zur Verfügung stellen.Das Potenzial von Ethereum ist immens größer, als wir alle bisher dachten. Neben dem reinen Währungsthema ist die Ethereum-Technologie durchaus in der Lage, komplett neue Ansätze von Wirtschaftsprozessen in den nächsten Jahren zu etablieren.“
Dirk Emminger
Kursentwicklung und Überholen von Ripple bei der Marktkapitalisierung
Anfang 2017 betrug der Wert eines Ethers ~ USD 8,00 und die Marktkapitalisierung gerade einmal rund USD 700 Mio. Anfang Juni 2017 bewegt sich der Kurs bei rund USD 350,00 und die Marktkapitalisierung liegt mit ca. USD 30 Milliarden. Damit liegt Ethereum im Ranking der Kryptowährungen auf Platz zwei mit nur noch geringem Abstand zu den alteingesessenen Bitcoins. Aktuelle Zahlen rund um alle Kryptowährungen gibt es aufbereitet auf der Seite Coin Market Cap.
Was könnten die Gründe sein und wie entwickelt sich die Plattform
Initial Coin Offerings (ICO)
Der Begriff ICO ist nicht neu und ICOs finden auch nicht exklusiv auf Ethereum statt. Das Grundprinzip, auf dem auch Ethereum selber gegründet wurde, ist die Generierung und der Verkauf von eigenen Coins/Tokens. Über eine Kombination von geschicktem Marketing und teilweise aufgebauschten Projektbeschreibungen können innerhalb von kürzester Zeit Millionenbeträge als Funding generiert werden. Das ICO Konzept ist sowohl genial als auch naheliegend, aber leider weder rechtlich noch regulatorisch abgedeckt.
Die Besonderheit auf Ethereum ist, dass es technisch möglich ist, einen ICO nahezu vollständig zu automatisieren. Die Token werden als Smart Contract hinterlegt und entstehen, sobald Ether auf diese Adresse übertragen werden. Die Einfachheit dieses Verfahrens ist wahrscheinlich ein wichtiger Grund, warum Ethereum bei ICOs oft als Plattform genutzt wird. Auf der Seite ICOTracker gibt es eine aktuelle Übersicht über ICOs. Das bislang größte Funding gelang dem Bancor Projekt mit einer Funding-Summe von rund 156 Millionen US Dollar. Bancor wird bereits als der neue Standard für die nächste Generation von Kryptowährungen gehandelt. Bancor bietet als Service eine Art Zentralbank-Smart-Contract, durch den eine oder mehrere zugrundeliegende Reservewährungen (wie beispielsweise Ethereum und den “hauseigenen” Bancor Token, BGT) besichert werden. Dies ermöglicht diverse neue Anwendungsfälle für die Branche.
Smart Contracts, DApps und DAOs
Ein Smart Contract wird auf der Ethereum-Blockchain hinterlegt und prüft fortlaufend und selbstständig, ob eine der vorher definierten Vertragsbedingungen eingetreten ist. Sobald dies der Fall ist, erfüllt dieser automatisch den anderen Teil des Vertrages. Die Einsatzmöglichkeiten von Smart Contracts sind in nahezu allen Branchen vielfältig und zeigen, dass Blockchain-Technologie weit mehr als nur „moderne“ dezentrale Datenbanken ist. Smart Contracts haben durchaus das Potenzial, zu einer Grundlagentechnologie zu wachsen. In Kombination mit DApps (Dezentrale Anwendungen) sind auch komplexere Anwendungsfälle möglich. Ein schönes Beispiel ist ein englischer Artikel über den Aufbau einer simplen Payment Engine in 50 Zeilen Programmier-Code auf Medium.
Ethereum verfügt mit DAOs über ein weiteres Feature gegenüber einfachen Kryptowährungen. DAOs stellen autonom handelnde, dezentrale Unternehmen auf der Plattform dar. Diese „Organisationen“ werden über Regeln in mehreren Smart Contract definiert. DAOs verwalten sich entsprechend selbst, es besteht also keine zentrale Führungsebene, die diese Vorgänge überwacht. Es entsteht also eine Organisation, die nicht durch Recht und Vertrauen regiert wird, sondern durch Code. Vorstellbar sind damit Gegenstände, die sich selbst vermieten, Marktplätze, die sich selbst verwalten, oder in der Finanzbranche ein Trading-Algorithmus, der selbst in seine eigene Optimierung investiert.
Die DNS-Adressen – praktische .eth Domains
Vor der Einführung von .eth Domains ist die Verwendung der klassische Ethereum-Adresse – analog zur Bitcoin-Adresse in der kommerziellen Nutzung äußerst unpraktisch. Nicht zu merkende >30 hexadezimale Adressen sind für die meisten Use-Cases nicht handhabbar und extrem benutzerunfreundlich. Als Unternehmen, das Ethereum für einfache Zahlungen oder intelligente Verträge nutzen möchte, stellen ausschließlich willkürliche Adressen eine extreme Hürde dar.
Ethereum hat als einzige Plattform bisher eine „Domain-Registrierung“ aufgebaut, die aus den kryptischen Adressen einfache Klarnamen macht. Beispielsweise wird aus 0xF050467cB2FD18C0063FB80465E6E40B5a98F3c6 -> emminger.eth. An diese Adresse können Ether gesendet bzw. Smart Contracts gekoppelt werden.
Der Registrierungsprozess ist durchaus komplex – aber gut auf der Seite der Registrierungsstelle dokumentiert. Gestartet hat dieser Prozess Anfang Mai 2017.
Leicht problematisch ist die aktuelle Situation für Banken/Finanzdienstleistern, die sich mit Ethereum und der Domainregistrierung zu spät beschäftigen. Aktuell werden (wahrscheinlich von unbekannten Dritten) die Domains von Firmen oder gut geläufigen Namen gesichert. Je interessanter der Name bzw. die Ableitung, dass man mit der Domain einen guten Ethereum Case aufbauen kann, desto begehrter und höher sind die Gebote. Entsprechende Domains von Banken, Versicherungen, Retailern, Stromkonzernen, Fluggesellschaften sind heiß begehrt. Die .eth Domains bekam man in den ersten Tagen extrem günstig; mittlerweile werden schon anspruchsvolle Beträge gezahlt.
.eth-Domains können richtig teuer sein
Eine aktuelle Top-Liste der am teuersten gehandelten Domains gibt es bei Codetract. Auf die Domain „payment.eth“ wurden beispielsweise 11111.00 Ether geboten und der Zuschlag (gemäß der Regeln zahlt der Höchstbietende nur den Preis des zweithöchsten Gebotes) gab es bei 2600.01 Ether. Bei einem aktuellen Ether Kurs von ca. 350 USD sind das mal eben über 900.000 USD die jemand für diese Domain bezahlt hat. Ein paar Beispiele Deutscher Unternehmen:
– Volkswagen : 166 Ether– Lufthansa: 102 Ether
– DeutscheBank : 71 Ether
– Allianz: 41 Ether
Bei den US Banken ist es noch spannender
– CapitalOne (die Amazon getriebene Bank) : 266 Ether– BankofAmerica : 254 Ether
Ist die Auktion einmal abgeschlossen, wird es für den eigentlichen Namen/Rechteinhaber im nachhinein schwierig, die Domain zu erhalten. Denn der Owner der Domain ist eine anonyme Adresse und es gibt weder eine Anschrift noch eine Kontaktperson. Der Theorie nach und rückwärts betrachtet wie bei den ersten .com Domainregistrierungen könnte der Wert einer jetzt gesicherten .eth Domain sehr interessant werden.
Ethereum Enterprise Alliance, Asien und Russland
Im März sorgte die Enterprise Ethereum Alliance (EEA) für viel Presse, da die Organisation 86 neue Mitglieder für sich gewinnen konnte. Mittlerweile zählen große Unternehmen wie Microsoft, Intel, J.P. Morgan, Deloitte und weitere zu der besagten Allianz.
Mittlerweile hat Goldmann Sachs einen auf Ethereum basierenden No-Fee Payment Service mit dem Namen Circle gestartet.
Große digitale asiatische Währungsbörsen offerieren seit einigen Wochen den Handel mit Ether und stellen somit den größten Markt weltweit dar. Ein tägliches Handelsvolumen im dreistelligen Millionenbereich kann hier aktuell verzeichnet werden.
Ein weiterer Schub für Ethereum könnte die Tatsache sein, dass sich auf dem Internationalen Economic Forum in St. Petersburg der russische Präsident Vlaidimir Putin zu Blockchain-Themen geäußert hat. In einem Gespräch mit dem Ethereum-Gründer Vitalik Buterin habe Putin, laut Kreml, den Einsatz in Russland diskutiert und befürwortet.
Ethereum ist wie Bitcoin – nur durchdachter
Die oben aufgeführten vier Punkte verleihen Ethereum insbesondere im Vergleich zur klassischen Bitcoin-Blockchain-Thematik extremen Charme. Mit Spannung kann man den Tag erwarten, an dem die Marktkapitalisierung von Ether über der von Bitcoin liegt. Neben dem reinen Währungsthema ist die Ethereum-Technologie durchaus in der Lage, komplett neue Ansätze von Wirtschaftsprozessen in den nächsten Jahren zu etablieren. Da es sich in Teilen neben der Technologie um extrem neue Denkweisen handelt, bleibt abzuwarten, wie sich große Unternehmen aufstellen und die Plattform nutzen.
Fakt ist, dass es Zeit wird, sich mit dieser neuen Thematik schnell zu beschäftigen und der Kursanstieg durchaus noch Potenzial nach oben hat.Dirk Emminger
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