STRATEGIE20. Juli 2023

Kunst im virtuellen Wohnzimmer: Wie Banken vom Metaverse profitieren

Metaverse
Kunal Purohit, CDSO bei Tech MahindraTech Mahindra

Geldinstitute werden von GAFAs herausgefordert. Immer mehr. Kunal Purohit, CDSO bei Tech Mahindra, zeigt, wie Banken die Möglichkeiten des Metaverse nutzen können, um neue Zielgruppen anzusprechen, Kundenerfahrungen zu verbessern und im digitalen Wettlauf voranzukommen. Das geht – trotz regulatorischer Hürden und technologischer Beschränkungen.

von Kunal Purohit, Chief Digital Services Officer bei Tech Mahindra

Besonders auf dem europäischen und deutschen Markt stehen klassische Finanzinstitute heute vor großen Herausforderungen: Internationale BigTechs, vor allem aus den USA, haben ihnen in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Online-Bezahlservices ihr Kerngeschäft streitig gemacht.

Das „Filialsterben“ oder die Verödung der Innenstädte durch den Boom des Online-Handels haben sich zu geflügelten Wörtern entwickelt. Wie können die Institute darauf dynamisch und innovativ reagieren?”

Im Zuge der Digitalisierung ist der Begriff Metaverse allgegenwärtig. Doch welche Potenziale verbergen sich dahinter für die Branche?

Wie hat es die Tech-Industrie geschafft, mit Dienstleistungen für elektronische Zahlungen einen Markt zu erobern, der jahrzehntelang die ureigene Domäne der Banken war? Die Antwort: durch innovative Technologien, ständige Verfügbarkeit und eine optimierte Customer-Experience. Doch das ist nicht alles. Mit den Produkten der BigTechs geht der Nimbus des Lifestyles einher. Anders als eine Überweisung ist ihre Nutzung keine lästige Pflicht, sondern verspricht ein Genusserlebnis. Dieses Image überträgt sich auf Angebote wie Bezahlsysteme – ein Gebiet, auf dem die heutigen Konkurrenten der Banken bis dato kaum Expertise besaßen.

Natürlich haben die Banken nicht geschlafen und etwa mit Internet- und Mobile-Banking die Kundenerfahrung verbessert. Doch bisher fehlte das Instrument mit dem Potenzial, sie wieder zurück auf Platz eins zu katapultieren. Dieses Potenzial hat das Metaverse.

Das Metaverse kann den Banken helfen, ihren Kunden bahnbrechende interaktive Erfahrungen zu bieten.”

Um so ihr Defizit in Sachen Lifestyle und Kundenerfahrung mehr als auszugleichen.

Neue Märkte, neue Zielgruppen

Die Gen Z ist bereits im Metaverse zu Hause und nahezu vollständig digitalisiert. Mehr noch: Offline-Angebote nimmt diese Generation kaum noch wahr. Wer in zehn Jahren nicht auf der Strecke bleiben will, muss diese Zielgruppe heute gewinnen. Das Metaverse bietet Kommunikations- und Verkaufskanäle für die Privatkundenbetreuung, kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie das Hypotheken- und Kreditwesen.

Trotz des derzeitigen Hypes wird es viele Jahre dauern, bis das Metaverse sein volles Potenzial entfaltet und sich zu einem Raum entwickelt, der für die Menschen zu einer zweiten Realität wird.”

Das Metaverse ist heute ein kollektiver virtueller Raum, der durch die Überlagerung einer virtuell erweiterten physischen und einer digitalen Realität entsteht. Diese Schnittmenge aus realer und digitaler Welt bietet die Plattform für einen digitalen Wirtschaftsraum. Durch digitale Währungen und nicht fälschbare digitale Werte (Non Fungible Tokens (NFTs)) ermöglicht dieser eine Digitalökonomie.

Das klingt kompliziert? Ein Beispiel: Sie erwerben bei einer Online-Auktion ein digitales Kunstwerk oder Anteile daran. Bezahlt wird es mit einer Kryptowährung und aufgrund seiner Eigenschaft als NFT ist und bleibt es einmalig. Mit einer VR-Brille können sie dieses Kunstwerk im virtuellen Raum betrachten oder es in Ihrem virtuellen Wohnzimmer jeden Tag neu arrangieren. Das Metaverse bietet damit durch das Zusammenspiel von Kryptowährung, NFTs, Blockchain- und VR-Technologie die Plattform für einen digitalen Kunstmarkt. Und das Gleiche ist für den Bankensektor vorstellbar – ob die Institute Beratungsgespräche im virtuellen Raum führen, Immobilienbesichtigungen im Metaverse vornehmen oder zu einem Termin in der digitalen Filiale im Stil der 1920er bitten…

Warum aber entwickelt sich das Metaverse im Moment noch langsam? Die Hauptgründe dafür sind die gegenwärtig noch hohen Kosten und die eingeschränkte Verfügbarkeit und Qualität von Virtual- und Mixed-Reality-Headsets sowie die noch nicht umfassende Akzeptanz von Kryptowährungen als offizielle Währung auf der ganzen Welt. Das heißt aber nicht, dass wir warten müssen. Denn schon heute bietet das Meterverse eine Reihe von Vorteilen.

Was kann das Metaverse schon heute leisten?

Das Metaverse-Erlebnis kann Kunden auch heute schon geboten werden – ohne dass Web 3.0, Kryptowährungen und Augmented oder Virtual Reality (AR/VR) zwingend Bestandteile dieses Angebots sind. Metaverse-Komponenten könnten zum Beispiel die oft freudlosen Websites von Banken und Finanzdienstleistern zu neuem Leben erwecken: Bereits die Erzeugung eines Raumgefühls schafft Klarheit und weckt Interesse. Wenn dann noch Dienstleistungen mit einem echten Mehrwert für die Kunden hinzukommen, werden Customer Experience und Wiedererkennungswert enorm gesteigert. Wie immer gilt:

Wer schon heute anfängt, muss dem Trend morgen nicht hinterherlaufen und verschafft sich Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz.”

Heute antizipieren, morgen reüssieren

Noch konzentriert sich der Metaverse-Hype auf Computerspiele und Social-Media-Inhalte. Doch das Metaverse bietet Wertschöpfungspotenzial für viele Branchen, darunter Einzelhandel, Gastronomie und Unterhaltungsindustrie. Die Bankenbranche, die im Vergleich zu mittelständischen Unternehmen viel mehr Investitionspower besitzt, sollte diesen Trend also nicht verpassen – und eher Vorreiter als Nachzügler sein.

Allerdings gehört der Finanzsektor zu den am stärksten regulierten Branchen, weshalb das Metaverse im Bereich Blockchain-Technologie und Kryptowährung erheblich reglementiert sein wird. Die Behörden haben bisher keine Richtlinien für das Metaverse festgelegt – doch sie werden es tun. Wer nicht nur die neue Technologie, sondern auch die mit ihr einhergehende Regulatorik frühzeitig antizipiert, verschafft sich heute einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil.

Banken haben bald die große Chance, die Generation der digitalaffinen Millennials im Metaverse für sich zu gewinnen.”

Tech Mahindra ist weltweit eines der ersten Unternehmen, das Banken ins Metaverse bringt. Ziel ist es, die Migration der Millennials aus dem Gaming-Metaverse ins Banking-Metaverse zu begünstigen. Dafür wurde Banking zu einem unvergleichlichen interaktiven Erlebnis umgestaltet.

Auf dem Weg zur Meta-Bank

Autor Kunal Purohit, Tech Mahindrak
Kunal Purohit ist seit Oktober 2021 Chief Digital Services Officer bei Tech Mahindra (Website) und verantwortet in seiner Rolle die globalen Einheiten für Lösungen im Bereich Digital & Analytics. Bevor er zu Tech Mahindra kam, war er von Großbritannien aus tätig und leitete dort die Digital- und Analysepraxis sowie die Büros für Unternehmensstrategie von HCL in Europa.
Metaverse-Privatkundenportal: Eine Roadmap hilft den Banken, Meta-Lounges für ihre Kunden als Erweiterung des Onlinebankings. Hier erhalten sie grundlegende Informationen wie Kontostand oder Umsätze. Im nächsten Schritt können diese Lounges „gamifiziert“ werden, etwa indem User Avatare erstellen oder mittels VR-Technologie von zuhause aus darauf zugreifen können. In einem dritten Schritt können auch die Mitarbeiter der Bank ins Metaverse integriert werden, indem sie Zugang zu dieser Multiplayerumgebung bekommen. Es folgen ein Interface für die Kommunikation mit anderen Kunden und die vollständige Integration sämtlicher Dienstleistungen von Kontostand über Transaktionen bis zum Fondsmanagement. Im letzten Schritt erhalten Bankkunden über die Meta-Lounge ihrer Institute Zugang zu digitalen Marktplätzen: virtuelle Onlineshopping-Portale mit Buy-now-pay-later-Angeboten (BNPL).

Metaverse-Geschäftskundenportal: Hierunter fallen Finanz- und Nicht-Finanzdienstleistungen – von Unternehmenskrediten über Kapitalverwaltung und Bargeld-Services bis Finanz-, Steuer- oder Rechtsberatung. Das Metaverse-Portal integriert alle Geschäftskunden unter einem Dach und erzeugt so Vertrauen in die Marke.

Doch Banken können das Metaverse nicht nur nutzen, um die New-Age-Generation in die Metabanken zu locken, sondern ihr Angebot auch in einen digitalen Marktplatz verwandeln. Hier lassen sich Partner integrieren und Dienstleistungen anbieten, die vor Ort in der Filiale hohe Kosten verursachen. So sparen die Institute Zeit und Geld, während das Geschäft wächst.

Zukunftsvisionen

Von einem solchen Portfolio profitieren Banken in fünf Bereichen: die nahtlose Migration der heute kaufkräftigen Millennials vom Gaming- ins Banking-Metaverse, verbesserte Customer-Experience, Kosteneffizienz durch Skalierbarkeit, integrative Plattformlösungen für Geschäftskunden und Immobiliensparte, Personalisierung des Angebots durch hypereffiziente Datenauswertung. In der Zukunft sind weitere Angebote wie Avatar-Services, NFT-Marketplaces, Meta-Gaming-Portale oder Metaraum-Design vorstellbar.

Doch bevor das Metaverse zur Wertschöpfung taugt, muss es unbedingt als Safe-Space entwickelt werden: User müssen das Gefühl haben, einerseits ungeahnte Potentiale zu entdecken, gleichzeitig aber jederzeit vor Gefahren sicher zu sein.”

Bis Unternehmen signifikant von Meta-Angeboten profitieren, ist die Technologie weiterzuentwickeln. Der große Cash-Out steht erst in einige Jahren bevor – doch wer sich bereits heute auf diesen unaufhaltsamen Trend vorbereitet, wird seine Konkurrenten morgen überflügeln. Auch das Design der virtuellen Räume wird sich – ähnlich wie bisher die Computerspielgrafik – kontinuierlich verbessern, damit der essenzielle Spaßfaktor („Gamification“) für die User weiter steigt. Der wichtigste Aspekt wird aber immer darin bestehen, die Erfahrung der User, ihre Kommunikation und Avatare so menschlich wie möglich zu gestalten – denn so kann eine unbelebte Welt zum Leben erweckt werden.Kunal Purohit, Tech Mahindra

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