Mit einer Pressemeldung am 4.6.2020 meldete der Zahlungsdienstleister Concardis, dass der Mutterkonzern die in Dänemark ansässige Nets Group, eine App zur Fernidentifikation entwickelt hat. Basis ist dabei nicht der Personalausweis, sondern der Reisepass. Das haben wir sofort einem Praxistest unterzogen.
von Rudolf Linsenbarth
Neben Zahlungsdienstleistungen betreibt Nets auch E-Ident, einen Identifikationsbroker-Service. Damit ist man vor allem in den nordischen Ländern aktiv. E-Ident verwendet vertrauenswürdige nordische digitale Identitäten wie NemID (Dänemark), BankID (Norwegen), BankID (Schweden) und Finnish Trust Network (FTN). Anscheinend will man jetzt auch den deutschen Markt in Angriff nehmen und hat dazu schon die Identifikationsplattform Verimi integriert.
Zusätzlich soll nun der Nets Passport Reader die Reichweite der Identifizierungsmöglichkeiten steigern.
Reisepässe gehören zu den besonders gut standardisierten Ausweisdokumenten. Die Entwicklung startete im Jahr 1980 durch die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO).
Seit 2004, ab der sechsten Auflage der Spezifikation hat die ICAO die Verwendung von biometrischen Daten und RFID-Chips spezifiziert. Deutsche Reisepässe sind seit 2006 damit ausgestattet.
Erkennbar an dem folgenden Symbol: Mittlerweile verfügen Reisepässe aus über 130 Ländern über einen solchen Chip. Er kann kontaktlos per NFC angesprochen werden und es gibt auch eine Reihe von Apps, mit denen sich der Pass auslesen lässt. Für eine Fernidentifikation kann das allerdings nicht direkt verwendet werden.
Das elektronische Auslesen ist nicht mit einer PIN geschützt.
Autor Rudolf Linsenbarth
Rudolf Linsenbarth beschäftigt sich mit Mobile Payment, NFC, Kundenbindung und digitaler Identität. Er ist seit über 15 Jahren in den Bereichen Banken, Consulting, IT und Handel tätig. Linsenbarth ist profilierter Fachautor und Praktiker im Finanzbereich und kommentiert bei Twitter (@holimuk) die aktuellen Entwicklungen. Alle Beiträge schreibt Linsenbarth im eigenen Namen.
Der Vorgang läuft prinzipiell immer folgendermaßen ab: 1. Öffnen der App 2. Scannen der MRZ auf dem Reisepass 3. Reispass an das NFC Smartphone halten
Ausgelesen werden dann der Name und Vorname, Geschlecht und das Geburtsdatum, Nummer des Ausweisdokumentes und das Ablaufdatum.
Was der Reisepass aber nicht liefern kann, weil dort nicht erfasst, ist eine Meldeadresse.
Nets hat mit Passport Reader auf dieser technischen Grundlage ein Verfahren entwickelt, um damit eine Fernidentifikation überall dort anbieten zu können, wo Reisepässe mit den entsprechenden RFID-Chips ausgestattet sind. In den nordeuropäischen Ländern wird der Nets Passport Reader bereits von der norwegischen Regierung und einem norwegischen Identity Provider eingesetzt.
Der geneigte Leser fragt jetzt sich jetzt, wieso Bürger, die mit den zu Beginn beschriebenen Produkten auf Basis von BankID ausgestattet sind, noch ein weiteres Verfahren zur Fernidentifikation benötigen.
Zumindest bei der ersten Kontoeröffnung sind in den nordischen Ländern analoge Prozesse wie der Besuch in einer Bankfiliale oder ein PostIdent-Verfahren noch sehr verbreitet. Gleichzeitig ist dort neben Personalausweis und Reisepass z.B. auch der Führerschein zugelassen.
Zurück zur Fernidentifikation mit dem Reisepass. Nachdem man mit der Nets App die Daten aus dem Reisepass ausgelesen hat, gilt es noch zu bestätigen, dass man auch der rechtmäßige Besitzer dieses Dokuments ist. Denn den Pass auslesen kann jeder, der den Reisepass in der Hand hält. Dazu hält man die Kamera vor das Gesicht und filmt sich unter Anleitung aus mehreren Perspektiven. Dabei wird ein 3D-Bild erzeugt, welches mit dem verglichen wird, das gerade aus dem Ausweis ausgelesen worden ist.
Der gesamte Vorgang dauert ca. 1 Minute und hat eine sehr gute Benutzerführung.
Für die App von Nets benötigt man einen Zugangscode, da hier die Authentifizierung immer kontextbezogen erfolgt. Wer aber den NFC-Chip seines Reisepasses einmal „just for fun“ auslesen will, kann sich die folgende App bei Apple oder Google laden. Das Ergebnis sieht dann ungefähr so aus.
Das Fazit
Der Identifizierungsvorgang mit dem Nets Passport Reader ist erheblich schneller als eine Video-Identifizierung und in der Gesamt UX dieser eindeutig vorzuziehen, Ob damit die geforderten Sicherheitsstandards eingehalten werden, kann ich an dieser Stelle nicht beurteilen.
Was auf jeden Fall fehlt, ist eine Zulassung als Identifikationsmethode im regulierten Bereich. Das ist laut Nets dann im Rahmen eines Kundenprojekts geplant.Rudolf Linsenbarth
Digitale Identität in Deutschland Status - die Übersicht
Schwerpunkt in dieser Rubrik sind Unternehmen, die in der Lage sind eine Fernidentifizierung durchzuführen. Ein besonderes Augenmerk gilt hierbei der Identifikation im Finanzbereich gemäß (GwG) und der eID Identifikation für Vertrauensdienste. Bei letzteren haben wir für diejenigen, die auch eine Identifikation mit Personalausweis anbieten, das Vertrauensniveau high angegeben.
Eine weitere interessante Gruppe sind ID Provider die auf die Blockchain setzen und damit eine sogenannte Self Sovreign Identity (SSI), also die selbst erstellte und verwaltete Identität setzen.
Im Bereich der Authentifizierung als Dienstleistung ist das Feld erheblich größer als bei der Identifikation. Entsprechend schwieriger ist es das Angebot thematisch zu klammern.
Ich habe dabei die folgenden Kohorten identifiziert.
Als erstes FIDO hier sehe ich zwar noch nicht so viele Anbieter am Markt, oder es ist gut versteckt.
Die eigene Gruppe ergibt sich aber aus der grundsätzlichen Bedeutung des Themas.
Als nächste Gruppe haben wir die Anbieter, die sich auf eine Strong Customer Authentikation (SCA) im Bank- und Finanzsektor spezialisiert haben.
Single Sign On (SSO) ist zur Aggregation von Authentifizierungen ein weiteres Dienstleistungsangebot.
Gemeint sind hier explizit nicht Anbieter einer Software die befinden sich unter der Rubrik „Technologie+Beratung“.
Die Abgrenzung zwischen den Anbietern von Inhärenz und SCA-App Anbietern (die ja auch biometrische Sensoren in den Smartphones verwenden) ergibt sich daraus,
dass die Inhärenz Authentifizierung, die Authentifizierung um weitere Messungen oder Speicherung von biometrischen Merkmalen außerhalb des Smartphone Ökosystems vornimmt.
Bei „Behaviosec“ scheint das auf jeden gegeben, für BioID und Orbiter wäre ich für Hinweise dankbar.
In dieser Gruppe sind die Anbieter versammelt, die die technischen Grundlagen für die Qualifizierte Elektronische Signatur anbieten. Das sind in erster Linie die Vertrauensdiensteanbieter und Anbieter von eSignatur Lösungen. Trustcenter die bereits als Certification Authority (CA) arbeiten, werden hier ebenfalls erwähnt. Explizit keine Erwähnung finden hier Unternehmen ohne eigenständige Lösung, die hier nur als Reseller fungieren.
In dieser Rubrik habe ich nach Identifizierung und Authenfizierung alle anderen Anbieter zusammengefasst.
Das sind neben Soft/Hardware und Infrastrukturanbietern auch Beratungs- und Zertifizierungsunternehmen, ohne sie das oben erwähnte Dienstleistungsangebot vielfach nicht möglich.
Ich habe hier auch die in Deutschland am Markt sichtbaren Vertrauensdiensteanbieter mit einer qualifizierten Signatur (QES) gelistet.
Eigentlich wollte ich hierfür eine eigene Rubrik erstellen, aber bei nur 4 Anbietern habe ich dann darauf verzichtet.
Im Laufe der meiner mehrjährigen Recherche bin ich auch über eine einige Anbieter gestolpert, die zwar irgendetwas im Identity Umfeld machen. Leider war ich nicht in der Lage beim Blick auf deren Webseite eine genauere Einordnung vorzunehmen. Trotzdem will ich meinen Lesern diese Unternehmen nicht vorenthalten.
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